Mafiareport: Die Organisierte Kriminalität in Österreich
„Die echte Organisierte Kriminalität ist jene, die niemand mitbekommt.“ - David Ellero, Ex-Mafiabekämpfer bei Europol
Schwarzer Nadelstreif, Panama-Hut, Maschinenpistole und eine im Mundwinkel lässig hängende Zigarre. Wer an die Mafia denkt, erinnert sich an Szenen aus Filmklassikern wie „Der Pate“ mit Marlon Brando und Al Pacino. Der Film kam sogar bei den Bossen der sizilianischen Mafia, der Cosa Nostra, gut an. Denn die Wirklichkeit war und ist noch brutaler.
Ein Mord in Wien
Der Mord vor dem Restaurant Figlmüller beim Wiener Lugeck kurz vor Weihnachten ist dafür ein exemplarisches Beispiel – aber auch für den Umbruch bei der Organisierten Kriminalität. Ursache für die Bluttat dürfte der Streit zweier montenegrinischer einst verbundener Kartelle sein.
200 Kilo Kokain gingen in Spanien verloren, seither tobt ein interner Krieg mit derzeit 40 Toten. Die Bluttat in Wien dürfte die Racheaktion für die Verhaftung eines Chefs des Kavac-Clans in Tschechien gewesen sein. Deshalb wurde wohl der mutmaßliche Verräter Vladimir Roganovic (31) mit elf Schüssen getötet, und der 22-jährige Stefan V. mit vier Schüssen schwer verletzt. Die Tat eines Profikillers.
Eine Bombe auf Bestellung
Möglicherweise durchgeführt wurde der Mord von einer Gruppierung rund um den flüchtigen Čaba Der. Dieser wird von der Polizei verdächtigt als Auftragskiller für den Kavac-Clan aber auch für den verfeindeten Skaljari-Clan zu arbeiten. Diese Gruppe arbeitet auf Bestellung für beide Seiten und gegen beide Seiten. Geboten wird den Clans alles – vom Erschießungskommando bis zur Autobombe.
Genau diese Form der Organisierten Kriminalität ist derzeit das große Thema. Rund 2500 solcher „polykriminellen Gruppen“ sind laut Europol in Europa aktiv. Das bedeutet, dass sich die Banden nicht auf eine Straftat spezialiseren, sondern je nach Auftragslage „geschäftlich“ unterwegs sind. Ausgestattet werden die Mitglieder oft mit Blackberry-Handys, weil sie vermuten, dass diese schwer abzuhören wären.
Schutzgeld, Flüchtlinge
Ein typische polykriminelle Gruppe ist bei der „Soko Gambit“ (2016) aufgefallen, berichtet Dieter Csefan, der diese Woche fix zum Leiter des Büros für die Organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt bestellt wurde. „Wir haben eine tschetschenische Gruppe wegen Schutzgeld überwacht. Als die Flüchtlingswelle ausbrach, stellten sie auf Schlepperei um.“
Die meisten Gruppen sind grenzüberschreitend im Einsatz. „Die Spur zur Organisierten Kriminalität führt über die Drogen. Und wer diese schmuggelt, der transportiert oft auch Waffen oder Menschen“, erklärt Csefan. Die Arbeit wird dabei ähnlich wie bei terroristischen Zellen aufgeteilt: „Die meisten Personen kennen einander gar nicht.“ Mitunter legen einzelne Gruppen auch monatelange Verbrechenspausen ein.
Vergangene Woche etwa konnte in Wien-Rudolfsheim vom Bundeskriminalamt mit WEGA-Unterstützung eine dreiköpfige serbische Bande ausgehoben werden. Bei ihr fand man 800 Gramm Heroin, 200 Gramm Kokain und neun Kilo Streckmittel.
Dass das mafiöse Kerngeschäft, der Drogenhandel, über den Balkan läuft, ist kein Zufall: Einer der Gründe dafür ist, dass das Kokain via Kolumbien und Brasilien nach Europa kommt. In Brasilien gibt es niemanden, der mazedonisch oder montenegrinisch spricht – der Polizei fehlt es schlichtweg an Übersetzern. Rund 80 Prozent des Kokainhandels aus Südamerika wird von Balkankartellen organisiert.
Kleine Flugzeuge
Österreicher sind dabei eher untergeordnet aktiv, etwa als Verkäufer oder Kuriere. Die Verteilung funktioniert oft über Kleinflugzeuge, weil diese auf kleinen Flughäfen landen können, bei denen es weniger Kontrollen gibt als bei den großen Airports.
Auch das Bundeskriminalamt hat mit Sprachbarrieren zu kämpfen. Denn die mafiösen Banden von heute sind multi-ethnisch statt rein italienisch oder russisch. „Bei der Operation Cleopatra (2018) gegen ein Drogennetzwerk haben wir hundert Telefone abgehört und dabei 16 verschiedene Sprachen übersetzen müssen: Farsi, Dari, Pashtu, Urdu, Hindi, Türkisch, Albanisch und Serbisch waren etwa darunter“, sagt Chef-Fahnder Csefan. Genauso vielfältig war das Einsatzgebiet (vor allem in Salzburg, Burgenland und Wien): Drogenhandel, Schlepperei, Autodiebstahl, Raub, Erpressung, Betrug, Geldwäsche und Einbruch.
Bei der Mafia von heute sind Mafiabosse wie Pablo Escobar nicht mehr Zentrum. Zu sehen ist das derzeit in den USA – nach der Verhaftung des Drogenbosses „El Chapo“ stieg die Heroinproduktion in Mexiko um 37 Prozent.
Schnell ermittelt
Die Polizei kann diesen Entwicklungen mit Sonderermittlungen und engster Zusammenarbeit mit ausländischen Polizeibehörden entgegenwirken. „In Montenegro gibt es eine Spezialeinheit gegen die Organisierte Kriminalität. Wir waren im vergangenen Sommer dort bereits auf Besuch, weil wir erwartet haben, dass es Aktivitäten der Clans in Österreich gibt“, sagt Csefan. Beim Mord vor dem Figlmüller erhielt das Bundeskriminalamt die vermutlichen Namen der zwei Opfer von Kollegen vom Balkan als am Lugeck das Blut noch nicht einmal getrocknet war.