Chronik/Österreich

Lotto-Millionär verzockte 1,48 Millionen Euro im Online-Casino

Er hatte einen guten Job, war glücklich verheiratet und hat drei wunderbare Kinder. Und er erlebte einen Traum – einen Sechser im Lotto, der mehr als 1,5 Millionen Euro einspielte. Aber der Niederösterreicher zockte gern, unter anderem im Casino Baden. Doch dort hieß es irgendwann: rien ne va plus – nichts geht mehr.

Seine Spielsucht war im Casino aufgefallen, er wurde gesperrt. Nun suchte der Familienvater sein Gaming-Glück im Internet. Nichts geht einfacher. Er eröffnete ein Spielerkonto und erteilte dem Online-Casino Vollmacht, Geld zur Abdeckung von Verlusten vom Konto abzubuchen.

1,458 Millionen Euro

Mit der Zeit wurde das Online-Zocken – Roulette, Black Jack und am Video-Spielautomaten – zum alleinigen Lebensinhalt, er hing wie ein Drogensüchtiger an der Nadel. Und er hatte nur einen Gedanken: Irgendwann muss ja einmal der ganz große Gewinn kommen.

Am Ende hat der Niederösterreicher innerhalb von vier Jahren bei einem bekannten Online-Gaming-Anbieter insgesamt 1,485 Millionen Euro verspielt.

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"Scherben seiner Existenz"

„Er hat alles verzockt. Er wurde immer wieder mit Gutschriften und Boni dazu verleitet, sich Gewinne nicht auszahlen zu lassen, sondern weiterzuspielen – auch bei Verlusten “, sagt Anwalt Sven Thorstensen im Gespräch zum KURIER. „In Online-Casinos gibt es keine Begrenzung des Spieleinsatzes. Deshalb steht er heute vor den Scherben seiner Existenz. Die Ehe ging in die Brüche, seinen Job hat er verloren und er sitzt auf einem Schuldenberg.“

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Sammelklage-Aktion

Vor knapp vier Wochen hat Anwalt Sven Thorstensen für seinen Mandanten eine Klage beim Landesgericht Wiener Neustadt eingebracht. Er klagt die Online-Gaming-Firma auf 1,485.278 Euro Schadenersatz. Die Klage finanziert der österreichische Prozessfinanzierer AdvoFin, der eine Sammelklage-Aktion gegen mehrere Online-Casinos gestartet hat.

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30 Millionen Euro verspielt

Mittlerweile haben sich über 500 betroffene Online-Zocker, die in Summe rund 30 Millionen Euro verspielt haben, der Sammelaktion angeschlossen. 60.000 Euro beträgt der durchschnittliche Verlust pro Spieler, in einzelnen Fällen geht es um ein Vielfaches.

Die Klagen haben einen roten Faden: In Österreich haben die Casinos Austria die einzige staatliche Lizenz für Online-Glücksspiel mit ihrer Plattform win2day. Das Anbieten von Internet-Glücksspielen hierzulande ist bewilligungspflichtig. „Und da dieses Online-Casino keine österreichische Konzession hat, darf es keine Glücksspiele in Österreich anbieten“, heißt es in der Klage.

Damit sei der Glücksspielvertrag, der mit der Anmeldung zwischen dem Kläger und der Gamingfirma geschlossene Vertrag, unwirksam und nicht erlaubt. „Die Spieleinsätze sind daher rückforderbar“, heißt es in der Klage weiter.

Branchenverband räumt Grauzone ein

Gerhard Wuëst, Chef des Prozessfinanzierers Advofin, sagt zum KURIER, dass sich 80 Prozent der Fälle gegen die „Big Players“ im Online-Gaming-Business richten: gegen bwin, bet-at-home, Mr. Green, LeoVegas und 888 Casino. Fünf weitere Klagen wurden bereits eingebracht.

Im Fall des Lottogewinners wartet Thorstensen nun auf die Klagebeantwortung des Online-Unternehmens. In der Regel berufen sich die Betreiber auf Gaming-Lizenzen aus Gibraltar, Malta oder Irland sowie auf die Dienstleistungsfreiheit in der EU.

Selbst der Branchenverband „Österreichische Vereinigung für Wetten und Glücksspiel“ räumt dazu ein: „Durch die fehlenden Lizenzen und die zweifelhafte Unionsrechtskonformität sind viele Anbieter auf dem österreichischen Markt gezwungen, im rechtlichen Graubereich tätig zu werden.“

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1500 Online-Casinos

Die 15 größten Anbieter unterhalten weltweit insgesamt 1.500 Online-Casinos. Zu den Big Playern zählen William Hill, bwin, Interwetten, bet365, bet-at-home, Mr. Green,  888 Holdings und Unibet. Laut Zocker-Plattform www.casino.at zählen  „Europa Casinos“, „22bet“, „888 Casino“, „Slotty Vegas“, „DrückGlück“, „Casino Midas“ und „Voodoo Dreams“ zu den „besten“ Online-Casinos in Österreich.

Beim „Europa Casino“ beträgt der Willkommensbonus bis zu 500 Euro plus 100 Freispiele, bei 22bet bis zu 300 Euro. Demnach soll es 178 „österreichische Online-Casinos“ geben. Indes gibt es aber laut casino.at Anbieter, die „nicht vertrauenswürdig“ sind. Darunter sind Firmen, die sich weigern, Gewinne auszuzahlen oder sogar Spieleinsätze beziehungsweise Einzahlungen konfiszieren.

400.000 Euro werden täglich verspielt

In Österreich werden von Online-Spielern  jeden Tag zumindest rund 400.000 Euro verzockt. Das macht im Jahr rund 146 Millionen Euro. Die meisten Anbieter operieren von Malta, Gibraltar, Großbritannien, Irland oder von den niederländischen Antillen aus. Sie verfügen meist über örtliche Konzessionen. Die Betreiberfirmen sitzen somit rechtlich  im EU-Inland. Malta hat die meisten Anbieter, jährliche Lizenzgebühr 25.000 Euro. Der Gamingumsatz in Malta wird auf rund 40 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.