Chronik/Österreich

Innsbrucker Genossenschaft will "Bauernladen ins Zentrum holen"

Die Innsbrucker Genossenschaft „Speis von morgen“ will den „Bauernladen ins Zentrum holen“ und ist aktuell mit der Fertigstellung eines Lebensmittelgeschäfts, das dem Gemeinwohl dienen soll, beschäftigt. Die„Speis“ ist als Genossenschaft organisiert, die allen Mitgliedern gehört. Bis Ende des Jahres sollen Lebensmittel und Dinge des alltäglichen Bedarfs von vorwiegend regionalen Produzentinnen und Produzenten zu „moderaten Preisen“ erworben werden können.

Die neun Gründungsmitglieder sehen die „Speis von Morgen“ als ein Modell eines „selbstbestimmten, ökologischen und zukunftsfitten Einkaufens“, erklärt Initiator Vinzenz Mell der APA beim Lokalaugenschein im Ladenlokal in der Innstraße im Innsbrucker Stadtteil Sankt Nikolaus. Als Gründe führt er kürzere Wege, direkte Betriebskanäle und Mitbestimmung ins Treffen.

50 Quadratmeter

Noch gleicht die rund 50 Quadratmeter große Verkaufsfläche einer Baustelle. Auf dem gefliesten Boden haben zwar schon einige Kühlschränke und Regale ihren Platz gefunden, dazwischen parkt aber noch ein Schubkarren und Bauschutt. Mit Besen und Kabeln bewaffnete Arbeiterinnen und Arbeiter wuseln und werkeln eifrig, unter ihren Schuhsohlen knirscht der Staub. Am Aufbau hätten auch Dutzende Ehrenamtliche mitgewirkt, betont Mell. Das Lager sei bereits in der Fertigstellung.

Bis Ende des Jahres will man die Pforten für die Mitglieder öffnen, erläutert Mell. Geplant ist ein spezielles Zutrittssystem, das Zugang an jedem Wochentag und auch über das Wochenende ermöglicht, bezahlt werde bargeldlos.

Mindestens 300 Menschen sollten sich bis dahin mit einer Einlage in der Höhe von 250 Euro an der Genossenschaft beteiligen. Aktuell seien es bereits über 200. Durch den Erwerb eines Genossenschaftsanteils werden sie Miteigentümerinnen und -eigentümer und können mitbestimmen - unter anderem beim Sortiment.

Vollsortiment

Die „Speis von morgen“ sieht sich als „modernen Nahversorger“ mit einem Vollsortiment - das neben Lebensmitteln etwa auch Hygieneprodukte umfassen soll. Nur was nicht aus der Region besorgt werden kann, wird überregional bezogen - Reis oder Kaffee beispielsweise, führt Daniel Sperl, eines der Gründungsmitglieder, aus. „Die Mitglieder sollen den Großteil ihrer Einkäufe in 'ihrem' Laden abwickeln können“, legt der Kaffeehändler die Vision der „Speis von Morgen“ dar. Insbesondere Lebensmittel würden jedoch „vorwiegend und präferiert“ von Tiroler Produzentinnen und Produzenten bezogen, wodurch die heimische Landwirtschaft und vor allem kleinstrukturierte Betriebe profitierten.

Die Entscheidung, von welchen Betrieben welche Produkte zugekauft werden, basiere auf einem internen Kriterienkatalog. Nicht alle Produkte entstammen aus biologischer Landwirtschaft oder sind zertifiziert. „Wir haben in einigen Gesprächen erfahren, dass viele Betriebe auf 'bio'-Standard arbeiten, sich die Zertifizierung jedoch nicht leisten können“, erklärt Sperl. Durch das Genossenschaftsmodell werde eine „persönliche, direkte Beziehungsebene“ hergestellt. Das „Gemeinwohl“ stehe im Zentrum. Man arbeite mit „Selbstverpflichtung“ und baue auf einen „Vertrauensvorschuss“.

Vorbilder

Lieferantinnen und Lieferanten zu finden sei aktuell die größte Herausforderung, räumt Sperl ein. Hier wolle man nichts überstürzen, schließlich baue das Konzept auf ebenjener „direkten Beziehung zwischen Konsument:innen und Produzent:innen“ und der „Gewissheit, dass die Produkte einer gemeinsamen Philosophie entsprechen“ auf.

Mittelfristig ziele man auch darauf ab, den Laden für Nicht-Mitglieder zu öffnen. Andere Genossenschaftsläden machten es vor: Der steirische Genossenschaftsladen „Ums Egg“ - Egg steht für Ennstaler Genossenschafts-GmbH - ist an drei Tagen pro Woche für alle geöffnet. Die Dorfgenossenschaft existiert seit mittlerweile drei Jahren, zählt 135 Eigentümer und bezieht ihre Produkte von 72 Lieferanten.

Dass die Eröffnung eines genossenschaftlichen Supermarkts kein Selbstläufer ist, zeigt indes ein weiteres Beispiel aus Tirol. Das „Stadtlädele Vogelbaum“ in Vils (Bezirk Reutte) war im November 2020 eröffnet worden. Ende August musste der Laden, der Produkte von regionalen Direktvermarktern führte, wieder schließen. Die Idee des „Bürger:innenladens“ war entstanden, als ein Supermarkt vor der Schließung stand. Die Stadtbewohnerinnen und -bewohner hätten dann keinen Nahversorger mehr gehabt. Schlussendlich blieb der Supermarkt bestehen - und der Umsatz beschaulich. 350.000 Euro in zwei Jahren hätten - so das Gründerpaar gegenüber den Reuttener Bezirksblättern - nicht ausgereicht, um wirtschaftlich bestehen zu können.