Corona-Folgen: Singvögel zwitschern jetzt leiser
Kein Fluglärm, viel weniger Verkehrsgetöse. Es ist Ruhe eingekehrt in der Stadt. Zumindest, was die Menschen betrifft. Dafür machen sich andere bemerkbar. Eine Amsel zwitschert im Baum im Innenhof und eine Kohlmeise links neben dem Balkon trainiert ungestört vom Straßenlärm ihr Zi-izi-bäh.
Die Singvögel haben es dieser Tage leichter in Wien. Sie müssen nicht mehr gegen den Lärm der Stadt ansingen. Nur mehr gegen ihre Artgenossen, wie die Kollegen auf dem Land.
Lebt überall, wo es Bäume gibt. Es gibt 850.000 Brutpaare. Sie brüten in Höhlen, auch an ungewöhnliche Brutplätzen. Das Weibchen brütet, wird vom Männchen gefüttert. Gesang: einfache, oft wiederholte Strophen wie das typische „Zi-zä, zizi-bäh“
Singen die Vögel in den Ballungsräumen nun tatsächlich leiser, weil ungestörter als sonst? Ist dieser Eindruck mehr als eine persönliche Beobachtung? „Wir erwarten, dass die Singvögel sich jetzt weniger anstrengen müssen“, bestätigt der Biologe und Biodiversitätsforscher Klaus Hackländer von der Universität für Bodenkultur (Boku). Nicht die einzige Forschungseinrichtung übrigens, die sich mit derartigen Studien beschäftigt – weltweit werden in Städten Singvögel „verhört“. In der derzeitigen Situation hätten Vögel in der Stadt gewiss weniger Stress, sagt auch Eva Karner-Ranner, Ornithologin bei der Vogelschutz-Organisation Birdlife. Und sie ergänzt: Die ungewohnten Umstände könnten, neben müheloserem Gezwitscher, auch andere Auswirkungen haben – etwa auf den Bruterfolg. Genau absehbar sei das freilich noch nicht.
Gefahr im Garten
Doch die Forscherin warnt Hobbygärtner, die derzeitige Quarantäne für allzu gründliche Gartenpflege zu nutzen. „Wer sich im Garten am Gesang der heimischen Siedlungsvögel erfreuen möchte, sollte ihn möglichst naturnah gestalten. Es ist jetzt ganz besonders wichtig, den Vogellebensraum nicht zu ordentlich zu halten, weil die Vögel ihren Nahrungsraum brauchen.
350.000 Brutpaare in Österreich, Stadt- und Siedlungsbewohner. Brütet in Hohlräumen von Gebäuden, bevorzugt in Kolonien. Beide Eltern brüten. Ist zwar bei Fütterungen und z. B. im Gastgarten sehr zahm, aber am Brutplatz empfindlich. Das andauernde Tschilpen am Brutplatz ist tatsächlich Gesang – das Männchen verteidigt damit sein Nestrevier
Ursprünglich Waldbewohner, heute in allen Lebensräumen verbreitet. Ca. eine Mio. Brutpaare. Melodisches, volltönendes Flöten, kann menschliches Pfeifen und Handy imitieren. Beginnt besonders früh am Tag mit dem Gesang, wenn es noch dunkel ist
Es gibt Arten, die Wildkräuter besonders schätzen. Bitte also Beikräuter wie Vogelmiere, Hirtentäscheln und Löwenzahn stehen lassen und allgemein nicht zu viel Unkraut zupfen!“ Auch eine „wilde Ecke“, in der Brennnesseln, Weidenröschen, Beifuß, Gänsefuß und andere hochwüchsige Kräuter wuchern dürfen, sei gut für die Vielfalt. Dazu kommt, dass dieser Tage die Brutsaison beginnt – ein schlechter Zeitpunkt also, um die Hecke zu schneiden, denn da bauen Vögel jetzt Nester. Dichte Hecken und Sträucher sind eine sichere Kinderstube, die ein baldiges vielstimmiges Vogelkonzert garantiert.
Apropos vielstimmig: Es gibt tatsächlich Menschen, die sich über Gezwitscher beschweren. Die haben es offensichtlich noch nie mit dem Glockenvogel zu tun gehabt. Er ist, wie der US-Biologe Jeff Podos vor Kurzem festgestellt hat, der lauteste Vogel der Welt.
Das Tier lebt in Costa Rica und kann mit seinem synthetisch anmutenden, glockenartigen Ruf bis zu 120 Dezibel laut werden (das entspricht einem startenden Düsenflugzeug). An zweiter Stelle folgt der Schreipiha aus Südamerika, wie der Bioakustiker Erwin Nemeth herausfand. Optisch unscheinbar, kann er fast so laut wie der Glockenvogel werden.
Heimische Singvögel wie Amseln oder Kohlmeisen sind da vergleichsweise leise – sie kommen auf rund 80 Dezibel (das entspricht Klavierspiel).
Nemeth, der an der Uni Wien Verhaltensökologie des Vogelgesanges unterrichtet, hat die Auswirkungen von Lärm auf die Vogelwelt mehrfach untersucht. Es gibt Studien, die belegen, dass Nachtigallen am Feiertag leiser singen und auch Amseln sind am Wochenende zurückhaltender. Derzeit, sagt Nemeth, sei „jeder Tag für die Vögel wie ein Sonntagmorgen“.
Ursprünglich Felsbewohner, nutzen heute menschliche Gebäude als Ersatzfelsen. In allen Siedlungen weit verbreitet. Ca 175.000 Brutpaare. Gesang: Pfeifen und Trillern, in das eine gepresste Mittelstrophe eingebaut ist. Dazu Knicksen und Schwanzzittern
Überwintert am Mittelmeer, lebt bei uns in Mischwäldern, Parks und Gärten. Brütet bodennah in Büschen und Stauden. Die Brutzeit beginnt jetzt, beide Eltern brüten. Ca. 1 Mio. Brutpaare. Gesang: Melodisches, schnelles, unrhythmisches Flöten
Vogelbeobachten auch von zu Hause aus
Es wird jetzt (endlich) wärmer, die Blüten sprießen, das Vogelgezwitscher wird vielstimmiger. Normalerweise würde es uns jetzt besonders zum Vogelbeobachten in die Natur ziehen. Aber auch von Fenster, Balkon und Garten können viele Vogelarten beim „Frühlings-Treiben“ beobachtet werden. Mit dem Projekt #StayHomeAndWatchOut möchte die Vogelschutz-Organisation Birdlife dazu ermutigen.
Und so funktioniert’s: Unter www.ornitho.at können Sie vollständige Beobachtungslisten von zu Hause aus melden. Wichtig ist, Ihre Meldungen bei der Eingabe mit dem Projekt-Code #StayHomeAndWatchOut zu versehen. Es geht bei der europaweiten Aktion darum, eventuell neue Vogelarten oder Besonderheiten altbekannter zu entdecken sowie um die Frage: Welche Arten sind die häufigsten?
BirdLife Österreich ist als gemeinnütziger Verein eine bundesweit tätige ornithologische Vereinigung und verwirklicht seit der Gründung 1953 wissenschaftlich fundierte Natur- und Vogelschutzprojekte in den Bereichen Artenschutz, Schutzgebiete und Lebensräume, Nachhaltigkeit, Bewusstseinsbildung.
birdlife.at
Und so klingt zum Beispiel die Singdrossel: