Unfall oder Mord? Fahrmanöver am Campingplatz
Von Patrick Wammerl
Fast ein Jahr ist es her, dass auf einem Campingplatz im Bezirk Wiener Neustadt die Leiche eines 54-jährigen Polizisten aufgefunden wurde. Andreas L. war von einem Auto überrollt und dabei getötet worden – am Steuer des Wagens saß seine Ehefrau Marion L (56).
Am Montag musste sie an den Ort des Geschehens zurückkehren. Weil der Fall immer noch als ungeklärt gilt, hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ein Tatrekonstruktion am Campingplatz in Neusiedl bei Waidmannsfeld durchführen lassen. Dabei wurde das nächtliche Geschehen vom 13. August 2019 so gut es ging nachgestellt. Mit dem Auto und anhand einer Puppe sollte die Ehefrau demonstrieren, wie es zu der Tragödie kommen konnte.
Absicht oder Fahrlässigkeit
Nach wie vor ist unklar, ob es sich bei dem Vorfall um ein Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsdelikt handelt. Sprich, ob die Ehefrau ihren Mann absichtlich mit dem Fahrzeug überfahren hat, oder von einem Unfall ausgegangen werden kann.
Wegen der Komplexität und der Corona-Pandemie zieht sich der Fall bereits seit fast zwölf Monaten hin. Die am Montag durchgeführte Tatrekonstruktion wollte das Landesgericht Wiener Neustadt eigentlich schon im März oder April abhalten. Wegen des Lockdowns und der Covid-19-Maßnahmen wurde der Lokalaugenschein aber um Monate verschoben.
Alkohol im Spiel
Das Paar hatte in besagter Nacht mit anderen Personen am Campingplatz etwas gefeiert und angestoßen. Zu späterer Stunde soll es im angeheiterten Zustand zu einem Streit der beiden Ehepartner gekommen sein, soweit die Zeugenaussagen.
Irgendwann hat Andreas L. das Lokal unmittelbar neben dem Campingplatz verlassen. Kurze Zeit später wurde er leblos auf einer Wiese vor den Campingbussen und Zelten aufgefunden. Alle Rettungsversuche waren zwecklos. Wie die Obduktion ergab, starb er aufgrund einer Lungenquetschung. Die Spuren ergaben eindeutig, dass der Polizist mit dem schwarzen Pkw, der ihm und seiner Frau gehörte, überrollt wurde. Marion L. hatte später zugegeben, am Steuer gesessen zu sein. Sie hatte zu dem Zeitpunkt knapp ein Promille Alkohol im Blut und gab bei der Einvernahme zu Protokoll, dass sie „das Überrollen eines Gegenstandes“ gespürt habe. Zu dem Zeitpunkt habe sie allerdings nicht realisiert, dass es sich um ihren Mann handelte.
Die 56-Jährige befand sich nach dem Zwischenfall wochenlang in psychiatrischer Behandlung. Sie ist auf freiem Fuß. Die Staatsanwaltschaft hat über den Unfallhergang ein Sachverständigen-Gutachten eingeholt. Der Experte sollte in Zusammenarbeit mit der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle den möglichen Hergang eruieren. Dies ist auch erfolgt, allerdings liegt es nun an der Anklagebehörde zu beurteilen, ob der Mann vorsätzlich überrollt wurde.
Ob die montägige Tatrekonstruktion hier weitere Aufschlüsse gebracht hat, darüber hüllt sich der Sprecher der Staatsanwaltschaft noch in Schweigen. „Die neuen Erkenntnisse fließen in das Verfahren ein und werden danach im Gesamten beurteilt“, erklärt Erich Habitzl.