Chronik/Niederösterreich

Semmering-Basistunnel: Gegner warnten vor Einsturz

Der Krater im Erdboden erinnert an einen Bombentrichter. Mitten in einem Waldstück in Aue am Semmering (NÖ) hat sich ein riesiges Loch aufgetan. So groß, dass locker ein Einfamilienhaus darin Platz hätte.

Damit ist das eingetreten, wovor die erbitterten Gegner des Semmering-Basistunnel immer gewarnt hatten. „Der unvorhersehbare Austritt von Bergwasser im Kombination mit problematischen Gesteinsschichten ist eine enorme Gefahr“, sagt Geologe Josef Lueger.

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Zwischenfall zu Ostern

Exakt 120 Meter unter dem Erdkrater war es zu Ostern zu einem verheerenden Zwischenfall gekommen. Beim Sprengvortrieb auf Gleis 1 des Semmering-Basistunnel war lockeres Gesteinsmaterial von der Tunneldecke herabgestürzt.

Zusammen mit einem sturzflutartigen Wassereinbruch wurde auf einer Länge von 25 Meter alles darunter befindliche begraben – auch ein Caterpillar. Wie ein Video veranschaulicht, mussten die Mineure um ihr Leben laufen, um nicht auch verschüttet zu werden. Doch zunächst ging man davon aus, dass die Zerstörung sich nur unter Tage auswirkte.

Erst am vergangenen Wochenende hat Grundeigentümers Josef Ehrenhöfer im darüber liegenden Waldstück dann den Trichter entdeckt und Alarm geschlagen. Wie schon beim Zwischenfall im Tunnel wollte man bei den ÖBB die Sache anscheinend intern möglichst ohne Publicity regeln. Dieser Plan ging jedoch nicht auf.

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Lokalaugenschein

Horst Reingruber von der tunnelkritischen Bürgerinitiative BISS steht beim Lokalaugenschein des KURIER am Absperrgitter und schaut ungläubig in den tiefen Krater. „Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn das im bebauten Gebiet passiert“, so Reingruber. Die Sorge ist nicht von der Hand zu weisen. Nur 200 Meter von der Unglücksstelle entfernt befindet sich die Ortsdurchfahrt von Aue.

In der kleinen Ortschaft herrscht seit der Entdeckung des Erdlochs große Nervosität. Der Abschnitt gilt als das Nadelöhr des 3,3 Milliarden Euro teuren Projekts. Mitten im Zentrum von Aue haben die Röhren die geringste Überdeckung, der Tunnel führt gerade einmal 30 Meter unter den Häusern durch.

Sprengung gehört

Es ist erst ein paar Wochen her, dass sich die Mineure im Bagger- und Sprengvortrieb unter der Ortschaft durchgearbeitet haben – etwa sieben Meter pro Tag. „Wir haben jede Sprengung gehört“, schildert einer der Anrainer.

Im Endeffekt sei an dem neuralgischen Punkt aber alles gut gegangen. „Es ist kein einziger Riss oder Schaden an den 36 Gebäuden in dem Abschnitt aufgetreten“, erklärt Baustellenleiter Dieter Haas. Um auf Nummer sicher zu gehen, waren zuvor in jedem Gebäude Detektoren installiert und pro Haus 1500 Fotografien zur Beweissicherung angefertigt worden.

Verschlucktes Haus "undenkbar"

Dass im Ortsgebiet ein Haus durch einen Einsturz verschluckt wird, ist laut dem Basistunnel-Projektleiter undenkbar. „Wir haben im Bereich von Aue eine ganz andere Gesteinszusammensetzung als dort, wo jetzt das Material eingebrochen ist“, sagt Gerhard Gobiet.

Doch der wesentlich gefährlichere und schwer einzuschätzende Abschnitt steht den Tunnelbauern erst bevor. „Nach der Durchquerung des Auetales kommt es im Bereich des Grasberg zu geologischen Störungen“, so Lueger. Bereits vor der Umweltverträglichkeitsprüfung hat der Geologe davor gewarnt. Die Gegner haben den massiven Wasserverlust immer als Umweltzerstörung angeprangert.

In Aue sind die Auswirkungen des Tunnels bereits deutlich spürbar. Eine Trink- und eine Nutzwasserquelle sind kürzlich versiegt. Der Krater sorgt natürlich für weitere Beunruhigung. „Meine Enkelkinder werde ich jetzt sicher nicht mehr hier im Wald alleine spielen lassen“, so Anrainer Josef Ehrenhöfer.

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Unendliche Geschichte des Tunnelbaus

30 Jahre lang wurde um den Bau des Semmering-Basistunnels gestritten. In den 1980er-Jahren begannen die Vorplanungen, 1994 folgte der Baubeginn für den Sondierstollen. 1998 brachte das Land NÖ das Projekt mit einem negativen Naturschutzbescheid zu Fall.

Einer der Gründe war der massive Wasserverlust durch den Röhrenbau. Das Projekt wurde daraufhin überarbeitet. 2008 stimmte das Land NÖ letztlich dem „Semmering-Basistunnel neu“ aber doch zu.

Der 27 Kilometer lange Tunnel verbindet die Portale Gloggnitz (NÖ) und Mürzzuschlag (Stmk.). Mit der geplanten Inbetriebnahme im Jahr 2026 verkürzt sich die Fahrzeit für die Bahnstrecke Wien-Graz von 2 Stunden und 40 Minuten auf 1 Stunde 50 Minuten, in Klagenfurt ist man von Wien aus in 2 Stunden 40 Minuten.

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Projektleiter: „Im Tunnelbau kann so etwas immer passieren“

Der KURIER hat mit Projektleiter Gerhard Gobiet über den Krater gesprochen. Für ihn ist der Zwischenfall zwar bedauerlich, aber keine große Überraschung.

KURIER: Wie ist es zu dieser Kraterbildung 120 Meter über dem Tunnel gekommen?
Gerhard Gobiet: Wir haben unter Tage beim Röhrenbau eine Schicht mit Feinteilen erreicht. Nachkommendes Wasser hat diese Feinteile aufgeweicht und es ist zu einem Einbruch des Materials im Tunnel gekommen.

Und das Material darüber ist dann an der Oberfläche nachgerutscht?
Ja. Die heterogenen Gesteinsschichten haben nachgegeben. Zirka dieselbe Menge die unten im Tunnel eingebrochen ist, ist nun oben an der Oberfläche nachgekommen. Daher der Trichter in dem Waldstück bei Aue.

Wie kann man diesen Schaden beheben?
Ganz einfach. Der Krater wird bis zur Oberfläche wieder mit Grobschlag aufgefüllt. Das sind Steine mit einem Durchmesser von sechs bis zwanzig Zentimeter.

Und wie geht es im Tunnel weiter?
Wir arbeiten uns gesichert auf Gleis 2 an der Stelle vorbei und stabilisieren die Tunneldecke zusätzlich mit Betonpfählen. Danach wird die Stelle, an der sich der Nachbruch ereignet hat, über einen Querschlag saniert.

Haben sie mit so einem Zwischenfall gerechnet?
Im Tunnel- und Bergbau kann so etwas immer passieren.