13-Jährige tot: Jugendamt hatte Betreuung der religiösen Familie beendet
In Krems laufen Mordermittlungen gegen ein Ehepaar. Die beiden sollen ihrer 13-jährigen Tochter aus religiösen Gründen ärztliche Hilfe verwehrt haben. „Vor rund zwei Wochen ist die Jugendliche verstorben und ihre Eltern wurde in Untersuchungshaft genommen“, bestätigt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Krems. Die Todesursache der 13-Jährigen ist unklar, eine Obduktion soll Aufschluss geben.
Wie die Kronen Zeitung berichtet, soll die Jugendliche an einer chronischen Entzündung gelitten haben. Laut einem Ermittler handelte es sich dabei um eine eher harmlose Erkrankung, die aber bei Nichtbehandlung tödlich ist.
Die Eltern befinden sich nach wie vor in U-Haft. Sie zeigen sich zum Sachverhalt geständig, heißt es. Das Landeskriminalamt Niederösterreich hat die Ermittlungen wegen Mord durch Unterlassung aufgenommen. Details gaben die Ermittler am Samstag keine bekannt.
Waldviertel
Die Familie lebte in einem Ort im Waldviertel. Die sieben Kinder besuchten keine Schule, sie wurden zu Hause unterrichtet. Bereits im Gefängnis soll die Mutter ihr achtes Kind zur Welt gebracht haben. „Der Tod des jungen Mädchens ist eine Tragödie. Die Kinder- und Jugendhilfe Niederösterreich hatte in der Vergangenheit lose Kontakte zur Familie, um diese bei der Kindererziehung zu unterstützen. Zuletzt gab es aber keinen Anlass dafür“, sagt Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig, SPÖ: Es habe keine Bedenken mehr von den Sozialarbeitern gegeben, deshalb wurde die Familie nicht mehr betreut, man ging von keiner Kindeswohlgefährdung aus.
Die sechs größeren Geschwister der Toten wurden nach der Verhaftung der Eltern gemeinsam in Betreuungseinrichtungen des Landes untergebracht, bestätigt die zuständige Landesrätin.
Todesfälle
Welcher religiösen Gruppierung die Familie angehört, ist derzeit noch unklar. Es soll sich um Mitglieder einer Freikirche handeln.
Fälle, in denen Kinder oder auch erwachsene Angehörige verschiedener Religionen oder Sekten sterben, gibt es immer wieder. Im Jahr 2012 starb in London ein fünf Monate alter Bub. Seine Eltern waren Anhänger der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten und verweigerten dem Kind eine Behandlung, gegen Vitaminmangel. In den USA starb 2008 eine Elfjährige an Diabetes. Die strenggläubigen Eltern entschieden sich dafür, für die Gesundheit ihrer Tochter zu beten, anstatt sie behandeln zu lassen.
In Deutschland machte ein Fall der „Neuen Gruppe der Weltdiener“ Schlagzeilen. Ein Bub der an Mukoviszidose (Stoffwechselerkrankung, Anm.) litt, wurde nicht behandelt, die Eltern waren nicht einmal krankenversichert. Im Alter von 16 Jahren flüchtete der Jugendliche zu seinem leiblichen Vater. Er wog zu diesem Zeitpunkt nur mehr 30 Kilo und hatte schwere, irreparable Schäden an der Lunge. In all diesen Fällen wurden die Eltern zu Haftstrafen verurteilt.
Glaubensvorschriften
Es gibt mehrere Glaubensrichtungen, die medizinische Eingriffe verbieten. Zeugen Jehovas etwa dürfen keine Bluttransfusionen in Anspruch nehmen. Das Blut sei laut Bibel heilig und nur Gott dürfe damit umgehen.
Auch im Islam gibt es Grenzen, was Arztbesuche angeht. Strenggläubige Muslimas sollten sich beispielsweise nur im äußersten Notfall von einem männlichen Arzt behandeln lassen.
Der „Notfall“ ist auch im rechtlichen Rahmen ein wichtiger Begriff. Ärzte dürfen Kinder nämlich nicht einfach behandeln, wenn die Eltern das nicht möchten – das ist eben nur in einer absoluten Notsituation erlaubt, in der es um Leben und Tod geht. Prinzipiell darf aber das Kindeswohl auch von den Eltern nicht gefährdet werden. Zwischen 14 und 18 Jahren gilt man in Österreich als mündiger Minderjähriger. Verweigert ein Patient die Behandlung, müssen meist Gerichte über das weitere Vorgehen entscheiden.