Miriam Kutrowatz: „Suche Blickkontakt mit meinem Publikum“
Von Stefan Jedlicka
Miriam Kutrowatz war von Kindheit an von Musik umgeben. Der Vater der 23-jährigen Sopranistin ist Pianist und Komponist Eduard Kutrowatz, der gemeinsam mit seinem Bruder Johannes das Liszt Festival Raiding leitet. Mutter Eva Reicher-Kutrowatz singt im „Arnold Schoenberg Chor“. Es wundert also kaum, dass Miriam schon im zarten Alter von drei Jahren die Geige zur Hand nahm. Aber ihr Herz hängt am Gesang. Auch in ihrem Elternhaus sei oft gemeinsam gesungen worden, erzählt sie.
Kein Druck der Eltern
Nun steht die 23-Jährige selbst auf der Bühne im Theater an der Wien, wo sie bei Auftritten ihrer Mutter früher im Zuschauerraum saß. „Wenn ich da einmal singen könnte, das wäre schon cool“, hatte sich das junge Mädchen damals gedacht. „Aber man weiß ja, dass in Wien zu starten besonders schwierig ist.“ Dass sie jetzt zum Ensemble gehört, sei daher ein Traum, sagt sie.
Ein Traum, für den sie freilich hart gearbeitet hat. Schon mit 16 Jahren fiel die Entscheidung, Gesang zu studieren. Ohne Druck der Eltern, wie Miriam betont. „Sie haben mir alle Möglichkeiten gegeben, mich immer unterstützt, aber nie in diese Richtung gedrängt. Darum habe ich dann eigentlich eher vorsichtig nachgefragt, ob ich Gesang studieren darf, weil ich mitbekommen habe, wie schwierig der Weg ist.“
Ohne Lampenfieber
Zur Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien nahm sie professionellen Gesangsunterricht. Mit Erfolg. Im Herbst 2020 konnte sie ihr Studium bereits abschließen. Und sie ist ihrer Professorin dankbar: „Ich habe meine perfekte Lehrerin gefunden, die mich so gut unterstützt hat, nicht nur musikalisch, sondern auch persönlich.“ Ihr sei es unter anderem zu verdanken, dass Miriam Lampenfieber nicht kennt, wie sie erzählt. „Sie hat mich schon in meinem letzten Studienjahr zu Vorsingen geschickt, damit ich das Gefühl kennenlerne.“
Gelassenheit und professionelle Vorbereitung habe sie im Elternhaus von Kindesbeinen an miterlebt. „Dass ich so aufgewachsen bin, dass ich meine Eltern und ihr Leben als Musiker beobachten konnte, hat mir natürlich sehr geholfen. Dass es nichts Verkrampftes, nichts Stressiges sein muss. Außerdem habe ich mit vier Jahren meinen ersten Geigen-Klassenabend gespielt, habe also schon einige Routine“, lacht die 23-Jährige. „Es ist eine Kopfsache. Wenn ich mich gut vorbereitet habe, kann ich auf der Bühne loslassen – und das Adrenalin gibt mir dann noch die extra 10 Prozent.“
Ausgezeichnet
Furcht vor Auftritten kenne sie nicht. Im Gegenteil. „Ich freue mich darauf. Und ich suche den Blickkontakt. Ich schau mein Publikum gern an, schaue den Leuten in die Augen und spüre richtig, wie mich das anspornt“, erzählt Kutrowatz. „Wenn diese Verbindung da ist, wenn es mir gelingt, das Publikum zu berühren, vergesse ich alles andere.“
Berühren konnte sie definitiv Jury und Publikum des internationalen Cesti-Gesangswettbewerbs für Barockoper. Dort hatte sich Miriam Kutrowatz unter rund 200 Künstlerinnen und Künstlern beworben, nur etwa die Hälfte durfte vor der hochkarätigen Jury singen, der unter anderem Direktoren renommierter europäischer Opernhäuser angehörten. Miriam räumte drei Sonderpreise ab: einen Auftritt als Solistin im Wiener Konzerthaus, den Young Artist Award als Nachwuchssängerin und den Publikumspreis.
Was fasziniert eine 23-Jährige an der streng wirkenden Welt des Barock? „Die Musik ist gar nicht streng, sie ist schwungvoll, fast jazzig. Das gefällt mir. In eine Barock-Arie muss man außerdem sehr viel Persönliches einbringen, man kann sie freier gestalten“, sagt Kutrowatz. „Die Musik ist tänzerisch, das hat mich angesprochen, weil ich ja selbst tanze.“
Impulstanz
Denn neben dem Gesangsstudium hat Miriam auch eine semiprofessionelle Tanz-Ausbildung absolviert. „Das hat mir wahnsinnig viel gebracht, auch für die Rollengestaltung als Sängerin. Weil ich gelernt habe, mich frei auszudrücken.“ Das zeigt sie aktuell mit dem Impulstanz-Projekt „Unkraut“. 2020 wären mehrere Auftritte geplant gewesen, auch in Deutschland. Corona kam dazwischen. „Aber ich hoffe, dass es heuer klappt“, sagt sie. All ihre Engagements unter einen Hut zu bekommen, sei nicht einfach, aber „bis jetzt hat es immer funktioniert“, sagt sie lachend.
Die Beziehung zum Burgenland sei durch die Familie ihres Vaters in Rohrbach nach wie vor stark, auch wenn sie selbst in Wien geboren ist und immer in der Stadt gelebt hat: „An Wochenenden besuche ich gerne Oma, Tante, Onkel, Cousin und Cousine“, erzählt sie. „Dazu kommt das Liszt-Festival in Raiding. Und ich hatte auch schon einige sehr schöne Auftritte hier.“
Über Traumrollen oder Engagements will Miriam derzeit nicht nachdenken. „Die nächste Saison bin ich auf jeden Fall am Theater an der Wien, kann mich jetzt einmal entspannen und arbeite im Moment an Mozart-Rollen, weil das der nächste Schritt in meiner Karriere ist. Wie es danach ausschauen wird, steht noch in den Sternen.“