Chronik/Burgenland

Unfall mit drei Toten: Karner prangert "Brutalität" der Schleppermafia an

Als Polizeibeamte den weißen Kastenwagen mit ungarischem Kennzeichen am Samstagvormittag am Grenzübergang Kittsee/Jarovce auf der Nordostautobahn A6 kontrollieren wollen, steigt der Lenker plötzlich aufs Gas. Bei der ersten Abfahrt von der A6 ist der weiße Kastenwagen, in dem sich 20 Menschen (darunter vier Kinder) befinden, so schnell unterwegs, dass sich das Fahrzeug überschlägt. Drei Insassen – eine Frau und zwei Männer – überleben den Unfall nicht. Sieben weitere Personen werden schwer verletzt, weitere zehn erleiden mittlere bzw. leichte Verletzungen. Vier leichtverletzte Männer - sie kommen laut Polizei aus Syrien - konnten am Samstagabend aus dem Spital entlassen werden.

Flüchtlings-Tragödie

Es sind fürchterliche Erinnerungen, die am Samstag wach werden. Wieder einmal wurde das Burgenland zum Schauplatz einer Flüchtlingstragödie.
Vor fast genau sieben Jahren, am 27. August 2015, wurden 71 tote Flüchtlinge in einem Kastenwagen entdeckt, der auf der Ostautobahn A4 abgestellt war. Sie alle waren auf dem Weg in eine neue Zukunft qualvoll erstickt. Die drei Haupttäter wurden in Ungarn zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Es sollte nicht der letzte dramatische Vorfall im Zusammenhang mit dem organisierten Menschenschmuggel sein. Vergangenen Oktober wurden an der nordburgenländischen Grenze bei Siegendorf zwei tote Flüchtlinge bei einer Kontrolle in einem Kleinbus entdeckt. Auch sie sind erstickt. Der Schlepper, ein 19-jähriger Lette, wurde in seiner Heimat festgenommen. Im Juni wurde er  zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Festnahmen in Wien

Bereits am Freitagmorgen sind in Wien-Simmering acht Flüchtlinge bei einer Lkw-Kontrolle im Laderaum entdeckt und zwei rumänische Schlepper festgenommen worden. Die geflüchteten Männer im Alter zwischen 23 und 43 Jahren stammen aus Indien und Pakistan.

Obduktion angeordnet

Am Samstag mussten drei Flüchtlinge beim Versuch des Schleppers, der Polizeikontrolle zu entgehen, ihr Leben lassen. Die Identitäten der meisten Flüchtlinge - bis auf jene der vier syrischen Männer - waren am Samstag noch nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt hat die Obduktion der Leichen angeordnet.

Der Verdächtige, es soll sich um einen russischen Staatsbürger handeln, versuchte, zu Fuß zu fliehen. Beamte konnten den Mann fassen. Er wurde nach einer Ersteinvernahme in die Justizanstalt Eisenstadt eingeliefert.

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„Skrupellos und brutal“

Helmut Marban, Sprecher der Polizei Burgenland, spricht von einer immer „skrupelloseren Vorgehensweise“ der Menschenschmuggler. „Der Lenker heute hat ohne Rücksicht auf Verluste gehandelt.“

Auch die Rettungskräfte waren am Samstag gefordert. Fünf Notarzthubschrauber waren im Einsatz, schildert Florian Schodritz vom Roten Kreuz Niederösterreich. Zwei Notarzthubschrauber waren mehrmals im Einsatz. Die Verletzten wurden in Krankenhäuser in Wien, Niederösterreich und im Burgenland geflogen. 

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Innenminister: Entschlossenes Vorgehen

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat am Samstag das Vorgehen der Schlepper scharf  kritisiert. „Der tragische Tod von drei Menschen heute am Grenzübergang Kittsee/Jarovce zeigt einmal mehr die Brutalität und Skrupellosigkeit der Schleppermafia.“ Es müsse weiter entschlossen dagegen vorgegangen werden, denn dies heiße Menschenleben zu schützen, zeigte sich der Minister überzeugt.

Mehr Schlepper-Festnahmen

Bis zum 12. August 2022 wurden in diesem Jahr bereits knapp 330 Schlepper festgenommen, verwies der Ressortchef auf die Daten. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeute das ein Plus von 80 Festnahmen.

Derzeit komme es an der der ungarisch-serbischen Grenze zum Teil auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Schlepper- und Schmugglerbanden, so Karner. Ende Juli wurde das österreichische Kontingent an der ungarisch serbischen Grenze auf 55 Polizisten aufgestockt, auch Wärmebildkameras und Drohnen sind demnach dort im Einsatz.

Karner verwies auch auf die internationale Zusammenarbeit: Es sei bereits eine „Task Force“ von Ermittlern aus Ungarn, Serbien und Österreich eingesetzt worden, eine erste „Ermittlerkonferenz“ wurde bereits durchgeführt.
Im September soll darüber hinaus eine Kooperation mit Ungarn bei der Ausbildung der dort in Aufstellung befindlichen Grenzpolizei starten, so Karner.

SPÖ-Sprecher fordert "Krisengipfel"

Unterdessen forderte der burgenländische SPÖ-Sicherheitssprecher Ewald Schnecker via Aussendung einen „Krisengipfel“. Es sei „unfassbar traurig, was heute an der Grenze passiert ist“, die Anteilnahme gelte „den Opfern dieser kriminellen Schleppermafia, denen man so rasch als möglich das Handwerk legen muss“. Auch Schnecker hält Verfahrenszentren außerhalb Europas für eine Lösung, diese müssten „schnellstens“ errichtet werden. „Das würde Schleppern das Geschäftsmodell entziehen und Menschen vor gefährlichen Fluchtwegen bewahren“.

FPÖ-Kritik

FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer übt Kritik an der Bundesregierung und fordert einen Asylstopp. Eine „konsequente No-Way-Politik“ würde auch das Signal aussenden, dass der Versuch, illegal nach Österreich zu gelangen, keinen Sinn hat und damit auch das Geschäftskonzept der Schlepper zunichtemachen, so Amesbauer.

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