„So viel Medienvielfalt gab es noch nie“
Der spannendste Job, den es gibt: So sieht der Geschäftsführer den Journalismus. Und er lobt das „fantastische Team“ des Medienhauses.
KURIER: Sie waren kaufmännischer Direktor im ORF, sind nun KURIER- und Mediaprint-Geschäftsführer: Welche Aufgabe ist schwieriger?
Richard Grasl: Beide Unternehmen sind in ihrem Bereich die größten Unternehmen des Landes, haben aber auch größten Reformbedarf. Wenn man, so wie ich, gerne Veränderungsprozesse mitgestaltet, sind das in beiden Unternehmen sehr spannende Aufgaben.
Sie haben sowohl im ORF als auch im KURIER als Journalist gearbeitet: Wie sehr ist dieser Job einer Wandlung unterworfen?
So sehr, wie wahrscheinlich nie zuvor. Zum einen müssen Journalisten den digitalen Job erlernen, zum anderen sind Hintergrundinformationen, Exklusivstorys und Analysen wichtiger denn je. Wir haben in den letzten Wochen ja täglich die Titelseite des KURIER von vor vielen Jahren abgedruckt. Damals zählte halt noch die klassische Nachricht, heute musst du als Journalist mehr bieten, weil im Internet alles schon zu lesen war.
Was schätzen Sie am KURIER?
Die Marke als Zeitung der Mitte, die oft auch journalistisch gegen den Mainstream bürstet, und das fantastische Team. Hier arbeiten viele, auch sehr viele junge, Top-Journalisten.
Als Geschäftsführer haben Sie laut Redakteursstatut keinen Einfluss auf Inhalte. Wie schwer fällt Ihnen das?
Ich bin natürlich täglicher Leser. Wenn mir etwas auffällt, sage ich das auch, das kommt aber selten vor. Entscheiden muss dann die Redaktion.
Welche Leser soll der KURIER aus Ihrer Sicht ansprechen?
Jene, die sich rasch, aber gleichzeitig qualitativ gut und verständlich informieren wollen oder weder ganz links noch ganz rechts stehen. Und jene, die sich keine Meinung vorgeben lassen wollen, sondern sich auf Basis von Informationen eine eigene bilden können.
Wo und wie informieren Sie sich selbst?
Natürlich über KURIER und Profil, aber ich lese eigentlich so gut wie alle österreichischen und einige wenige internationale Titel. Und die ZIB 2 schaue ich meistens vor dem Schlafengehen auf ORF On, früher auch das Morgenjournal, das mir aber immer öfter zu einseitig berichtet.
Ist die Medienvielfalt bedroht?
Nein, denn es gibt durch das Digitale einen viel leichteren Zugang zu verschiedensten Informationen, die man sich ganz einfach aufs Handy holen kann. So viel Medienvielfalt wie jetzt gab es noch nie.
Wie steht es aktuell um den Journalismus?
Es ist und bleibt der spannendste Job, den es gibt.
Was haben ORF und KURIER gemeinsam?
Sie gehören zu den stärksten Medienmarken des Landes. Beide sind den digitalen Disruptionen unterworfen. Beide stehen für Qualität.
Hat die Medienpolitik in letzter Zeit die richtigen Schritte gesetzt?
Nein, die Chance des letzten ORF-Gesetzes wurde vertan, um faire Bedingungen am Markt zu schaffen. Da gehört nachgeschärft, wer welche Aufgabe zu erfüllen hat. Gelungen ist die Förderung für Qualitätsjournalismus. Dass die Parteien im Wahlkampf und die öffentliche Hand aber zunehmend in amerikanischen und chinesischen Plattformen investieren, treibt mir die Zornesröte ins Gesicht. Denn sie tun viel zu wenig gegen Fake News und sind für die Spaltung der Gesellschaft mitverantwortlich.
Was muss eine neue Regierung medienpolitisch anpacken?
Faire Rahmenbedingungen am Markt herstellen, das beginnt beim öffentlich-rechtlichen Auftrag, der aus Gebühren finanziert wird, dem Wettbewerbsrecht und dem Kampf gegen Marktteilnehmer, die Fake News verbreiten lassen und bei denen man sich gegen Falschbehauptungen oder Beleidigungen medienrechtlich nicht einmal wehren kann.
Es gibt noch zwei weitere Mediaprint-Geschäftsführer. Wie teilt man sich die Arbeit auf und wie oft sind Entscheidungen strittig?
Jeder hat seinen Aufgabenbereich, und wir arbeiten als Kollektiv gut zusammen. Wir drei sind sehr unterschiedlich, auch von unserer beruflichen Erfahrung her. Drei sind immer gescheiter als einer alleine.
Wie soll es mit der Mediaprint weitergehen?
Die Mediaprint muss ihre Stärken im Bündeln von Serviceleistungen für ihre Muttergesellschaften Krone und KURIER weiter verbessern und auch attraktiv für Drittkunden werden. Und im Zukunftsgeschäft müssen wir unsere Kräfte vereinen, investieren und gute Geschäfte entwickeln.
Sie schauen sich auch regelmäßig im internationalen Medienmarkt um: Welche Beispiele finden Sie besonders spannend und was kann man von ihnen lernen?
Die ZEIT macht einen sehr guten Job im Weiterentwickeln des Geschäftsmodells und setzt journalistisch auf tolle Qualität. Spannend sind aber auch mit uns vergleichbare Titel im Regionalbereich. Globale Player wie die New York Times sind super, aber die haben halt auch einen anderen Markt.
Raiffeisen hält auch an anderen Medien Beteiligungen. Wird es künftig eine engere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Titeln geben (müssen)?
Dort, wo es sinnvoll ist, sicher. Wir schauen uns das regelmäßig an. Klassische Medien durchlaufen derzeit einen schwierigen Transformationsprozess.
Wie wichtig wird Künstliche Intelligenz in Zukunft sein?
In bestimmten Bereichen wird sie das Arbeiten für Journalisten, Blattmacher und Layouter vereinfachen. Dann bleibt mehr Zeit für qualitativ hochwertige Arbeiten. Die Kreativität, die primäre Recherche, den pointierten Kommentar und die Schönheit von Texten werden aber der menschlichen Intelligenz vorbehalten bleiben.
Was wünschen Sie dem KURIER in Zukunft?
Dass wir den Transformationsprozess schaffen, mit unseren Inhalten die interessierten Leser auf ihren jeweiligen Plattformen erreichen. Dann wird es uns auch in 70 Jahren, also 2094, noch geben.
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