Österreichs Langlauf-Krise

Der Langlaufsport kämpft hierzulande mit den Spätfolgen der Doping-Affäre. Die Hoffnung ruht auf einigen wenigen, jungen Talenten.

Auf dieser Hochzeit wurde viel geredet von längst vergangenen Hoch-Zeiten. Es war der Sommer im Jahre 2010 und Michail Botwinow hatte zur Feier in die Ramsau geladen. Walter Mayer war sein Trauzeuge, Botwinows ehemaligen Langlauf-Kollegen entführten die Braut.

Immer und immer wieder wurden alte Geschichten aufgewärmt, wurden Anekdoten erzählt aus einer Zeit, in der die österreichische Langlauf-Welt noch heil gewesen war. In der sie noch nicht durch Dopingprozesse getrübt war; in der bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen Geschichte geschrieben wurde - und über die man sich auch noch Jahre danach G'schichtln erzählen konnte.

Vor zwölf Jahren...

Vor zwölf Jahren hatte das österreichische Quartett bei der Heim-WM in Ramsau Staffelgold gewonnen. Danach verließ einer nach dem anderen die Spur: Erst Alois Stadlober, dann Markus Gandler, danach Mikhail Botwinow und zuletzt Christian Hoffmann. Jetzt ist diese goldene Generation geschlossen in Pension - seither sieht auch der österreichische Langlaufsport ziemlich alt aus.

Zu gering ist hierzulande die Leistungsdichte, zu sehr fehlen Leitfiguren, zu ramponiert scheint der Ruf der Szene nach all den Doping-Affären der letzten Jahre. So wurde Ex-Trainer Mayer erst im Sommer zu 15 Monaten teilbedingter Haft verurteilt (nicht rechtskräftig), so wird Botwinow wegen Falschaussage der Prozess gemacht, so musste Hoffmann vor Gericht aussagen. Lästige Nebengeräusche aus der Vergangenheit, die Österreichs aktuelle Langlauf-Generation immer wieder einholen.

"Möglicherweise war das damals auch nur so ein Strohfeuer", sinniert Markus Gandler. Der Tiroler war seinerzeit Startläufer, jetzt koordiniert er im Österreichischen Skiverband als Sportlicher Leiter die Langläufer und Biathleten.

Entwicklungsland

Während im Biathlon regelmäßig Schützenfeste gefeiert werden, verkommt die Biathlon-Großmacht Österreich im Langlauf zum Entwicklungsland. "Es hat sich in der Breite zwar einiges getan, aber nicht in der Spitze", erklärt Gandler. Der Aufbau einer schlagkräftigen Langlauf-Mannschaft benötigt in erster Linie Zeit und Geduld. Man müsse punktuell gute Leute suchen, hegen und pflegen - und hoffen.

Dieses Wochenende begann in Sjusjoen in Norwegen der Weltcup. Aber Österreichs Hoffnungen sind bei den ersten Rennen erst gar nicht dabei. Die 28-jährige Katerina Smutna, immerhin eine fleißige Weltcuppunktesammlerin, startet erst in einer Woche in Kuusamo, wo der größte österreichische Hoffnungsträger ein Quereinsteiger sein wird: Biathlet und Aushilfs-Langläufer Dominik Landertinger (siehe unten). Weil der talentierte Sprinter Bernhard Tritscher erst in Düsseldorf in die Saison einsteigt, waren beim Auftakt gestern nur Johannes Dürr (69.) und Manuel Hirner (77.) im Einsatz.

Es sind überhaupt Zeiten des Umbruchs im österreichischen Langlaufsport. Mit Jürgen Pinter hat einer der letzten Routiniers die Karriere beendet, eine neue, junge Generation ist in der Spur. Auch bei den Trainern.

Neustart

Der Deutsche Bernd Raupach, jahrelang Chefcoach der Österreicher, wurde durch den jungen Kärntner Gerald Heigl (32) ersetzt. Dazu engagierte Gandler mit Miha Plahutnik den erfahrenen Skitechniker der ehemaligen slowenischen Weltcup-Gesamtsiegern Petra Majdic. "Vielleicht brauchen wir auch im ÖSV einen frischen Wind", hatte Gandler bereits bei der WM im Feber in Oslo gemeint.

Der Blick auf die ausländische Konkurrenz lässt einen langlaufverrückten Entwicklungshelfer wie ihn vor Neid erblassen. Bei einem Lokalaugenschein traf Gandler allein bei einem Klub in Lillehammer 170 Biathlon- und Langlauftalente vor.

In Norwegen, dem Mutterland des Langlaufs, brauche es erst gar kein System. "Bei uns wächst man mit Langlaufskiern auf" weiß Bard Elden. Der norwegische Cheftrainer der ÖSV-Kombinierer stand mit zwei Jahren bereits auf der Loipe. Gandler: "In Norwegen sind 200 Mädchen in der Juniorenklasse gemeldet, wir haben drei."

Hoffnungsträger

Obwohl keines der jungen Mädchen in Oslo war, glaubt Alois Stadlober, ebenfalls Weltmeister von 1999, an den Beginn einer positiven Ära. "Bei den Mädchen sind wir sehr gut aufgestellt. Es ist auch so, dass Mädchen schon mit 20 in der Weltspitze mitlaufen können." So gesehen gäbe es die berechtigte Chance, dass seine Tochter Teresa (18), Nathalie Schwarz (18) und Veronika Mayerhofer (19) schon in Sotschi eine Staffel mit Katerina Smutna bilden könnten.

Auch Stadlobers Sohn Luis (20) ist ein Hoffnungsträger des österreichischen Langlaufs. "Die Jungen von heute sind schon ein, zwei Schritte weiter als wir damals in dem Alter. Du hast heute keine Zeit zum Durchschnaufen mehr. Im Vergleich dazu waren wir früher Wappler."

Stadlober selbst war 1982, mit 20 Jahren, erstmals bei einer WM. Neun Jahre später, 1991, war sein sechster Platz geradezu sensationell. 1994 waren noch die Plätze 10 und 12 Topergebnisse, die Jungen hätten jetzt aber mehr Druck. "Sie wollen ihn aber selber. Ich haben meinen Kindern gesagt, dass sie bis 2014 ehrgeizig trainieren sollen. Nach den Olympischen Spielen sollen sie dann entscheiden, ob sie dann so weitermachen wollen oder nicht.".

Problemphase

Die schwierigste Phase haben die beiden Talente ohnehin bereits hinter sich. Für Gandler ist die Zeit zwischen 15 und 17 Jahren ein gefährliches Alter. In diesem Zeitraum gehen die meisten Talente verloren. "Das ist in allen Sportarten so", weiß der Sportchef, "Aber vielleicht ist es bei uns noch schwieriger, denn wahrscheinlich ist Ausdauersport nicht so cool unter den Freunden."

Auch deshalb ist der Langlauf in den Ski-Ausbildungszentren Stams, Schladming, Eisenerz und Saalfelden am schlechtesten aufgestellt. "Wir haben hier viel weniger Athleten als die anderen Skisportarten", erklärt Gandler, "wir sind eben ein alpines Land und haben bei den Skispringern eine lange Tradition."

Deshalb verfolgen die Österreicher vorerst kleinere Spuren. In Sotchi sollen 2014 zumindest einmal zwei Staffeln am Start stehen, "das muss unser Anspruch sein", so Gandler. Von Stockerlplätzen oder gar Goldmedaillen wie früher wagt der Tiroler erst gar nicht zu träumen. Das ist höchstens Gesprächsthema bei Hochzeiten

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