"Frauen sollten sich oft mit Männern messen"

"Frauen sollten sich oft mit Männern messen"
In welchen Sportarten Damen überlegen sind und wo sie keine Chance haben.

Skispringerin Iraschko und ihre Kolleginnen werden sich in Lillehammer nicht direkt mit den Herren messen: Bei ihren Sprüngen wird der Anlauf deutlich verlängert. "Mit den Herren würde ich vielleicht im Alpencup mithalten können", sagt Weltmeisterin Iraschko, "uns fehlt einfach die Sprungkraft." Der Alpencup – das ist die Nachwuchsserie.

Tatsächlich erinnert sich der österreichische Cheftrainer Harald Rodlauer an die Zeit, als Iraschko noch gegen gleichaltrige Burschen gesprungen ist: "Damals waren einige Burschen frustriert. Mit 14 ist die Dani denen um die Ohren gesprungen."

Denn bis zum Beginn der Pubertät haben Mädchen gegenüber Burschen keinen physiologischen Nachteil. Erst dann entwickelt der männliche Körper mehr Muskulatur, eine größere Lunge, einen besseren Sauerstofftransport. "Das sind Vorteile, die von Frauen nicht mehr ausgeglichen werden können", sagt Hans Holdhaus. "Nicht einmal durch Doping."

Der Leiter des Instituts für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung in der Südstadt sprach mit dem KURIER über ...

... körperliche Voraussetzungen Frauen sind stärker rumpfbetont, haben einen geringeren Muskelanteil, dafür einen höheren Fettanteil. Das prädestiniert sie für Sportarten wie Schwimmen, weil sie eine bessere Schwimmlage einnehmen können.

... den Vergleich von Frauen und Männern im Sport Natürlich gibt es Sportarten, in denen Frauen und Männer absolut gleichwertig sind. Etwa beim Reiten. Es gibt sogar die Theorie, dass Frauen durch ihre andere Gefühlswelt eine bessere Beziehung zu ihrem Pferd aufbauen können. Ob das stimmt, ist schwer zu belegen, weil das Pferd keine Antwort gibt.

... Chancengleichheit Es gibt keinen Grund, der etwa im Billard gegen die Frau spricht. Das hat die Kärntnerin Jasmin Ouschan auch bewiesen, die schon die besten Männer geschlagen hat. Sie erreicht ihre Höchstleistung im Vergleich mit den Männern. Frauen sollten sich oft mit Männern messen.

... natürliche Grenzen Die Deutsche Astrid Benöhr hat einen Zehnfach-Ironman absolviert – und vor allen Männern gewonnen. Auch auf der Marathon-Distanz werden die Frauen den Männern noch näherkommen – aber sie werden nie schneller sein. Zehn Prozent weniger Sauerstoffaufnahme kann man nicht aufholen.

... Angst Ich kenne keinen Beweis dafür, dass eine Frau von Haus aus ängstlicher ist. Wir haben in St. Veit/Glan einen Bewegungskindergarten ins Leben gerufen, wo Buben und Mädchen die gleichen Chancen gegeben werden. Wir sehen dort keinen Unterschied. Im Alltag hören wir aber viel zu oft: Das ist zu gefährlich für ein Mädchen.

... Erziehung Mädchen werden viel zu früh in eine Rolle erzogen, aus der sie nicht wieder herauskommen. Falls Frauen weniger risikobereit sind, ist das nicht angeboren, sondern von sozialen Faktoren abhängig.

... Lindsey Vonn Sie wollte sich mit den Herren im Abfahrtslauf messen. Aber sie ist definitiv leichter, das würde sich in einem Speedbewerb auswirken. Mag sein, dass sie technisch manches besser kann, aber die fehlende Körpermasse und Kraft kann sie nie kompensieren.

Wer wissen möchte, wie es um das Damen-Skispringen bestellt ist, braucht sich nur einmal den Kopf von Daniela Iraschko anzusehen. Die amtierende Weltmeisterin, die seit jeher für ihre grellen und bunten Frisuren bekannt ist, trägt derzeit ihr Haar betont natur. „Und trotzdem erkennen mich die Leute immer noch auf der Straße“, sagt Iraschko und lächelt.

So wie der 29-jährigen Eisenerzerin ergeht es derzeit dem gesamten Damen-Skispringen. Da befindet sich eine Sportart im Aufwind, der vor wenigen Jahren noch von oberster Stelle die Daseinsberechtigung abgesprochen worden ist. Da emanzipieren und etablieren sich Athletinnen, die allzu lange nur belächelt und bemitleidet worden sind: FIS-Präsident Gianfranco Kasper war zum Thema Damen-Skispringen tatsächlich nichts Besseres eingefallen, als sich um das Wohl der Adlerinnen zu sorgen. Er fürchte, so Kasper, dass durch die Wucht der Landung die Gebärmutter zerstört werden könnte.

Niveauvoll

Die Ängste des obersten Ski-Funktionärs waren unbegründet, genauso wie die Sorgen, dass die Springerinnen auf den Bakken keine gute Figur machen. „Das Niveau ist deutlich gestiegen“, erklärt Iraschko, die heute zu den alten Damen dieser jungen Sportart gehört. Dass sie mit 29 Jahren immer noch abhebt, hat vor allem mit der öffentlichen Akzeptanz und Unterstützung zu tun, die ihr Sport erfährt.

Die Aufnahme ins WM-Programm (2009) war der erste Schritt aus der Bedeutungslosigkeit. Die Einführung des Weltcups, bei dem Siegerinnen dank Sponsoren wie der OMV 3000 Schweizer Franken Prämie winken, war ein weiterer Schritt ins Scheinwerferlicht. Und der neue Mixed-Teambewerb, mit dem am Freitag in Lillehammer offiziell der Weltcup eröffnet wird (16.30 Uhr, live ORF eins), verleiht den Springerinnen zusätzlich Flügel. „Ich glaube nicht, dass ich sonst noch dabei wäre“, gesteht Iraschko. Denn bis vor Kurzem hatte sie im Sommer gearbeitet, um sich ihr Hobby finanzieren zu können. „Jetzt komme ich mir wie ein Profi vor.“

Inzwischen sind die Amateur-Adlerinnen in der Minderzahl. Tendenz fallend, zumal auch Firmen wie Red Bull mittlerweile auf die Springerinnen fliegen und unter anderem auch Österreichs Nr. 2, Jacqueline Seifriedsberger, auf die Sprünge helfen.

Iraschko und Seifriedsberger sind Fixstarterinnen im Mixed-Bewerb, bei dem pro Team je zwei Damen und zwei Herren über die Schanze müssen. Während im alpinen Skisport der Teambewerb um Anerkennung und Teilnehmer kämpft und in Fachkreisen nur verächtlich „Er-und-Sie-Lauf“ genannt wird, hat die nordische Familie die neue Disziplin schon jetzt lieb gewonnen. „Wir sprechen damit neue Länder an“, sagt FIS-Direktor Walter Hofer. „Zwei Damen und zwei Herren bekommen einige Nationen schnell zusammen.“ Beim Testwettkampf im Zuge des Sommer-GP waren sogar 20 Teams im Einsatz – eine Teilnehmerzahl, die in einem reinen Männer-Teamspringen undenkbar wäre.

Schon allein deshalb blicken die Skispringer, egal, ob Weiblein oder Männlein, gespannt auf die Weltcup-Premiere in Lillehammer. Trainer und Athleten sind sich schon jetzt sicher, dass die Entscheidung über Sieg und Niederlage Frauensache ist. Iraschko prophezeit: „Es wird an den Mädels hängen, weil bei uns die Streuung größer ist als bei den Herren.“

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