Schöttel: "Anbiedern? Das hasse ich"

Rapid-Trainer Peter Schöttel spricht im KURIER-Interview Klartext.

Eine in jeder Hinsicht aufregende Herbstsaison geht für Rapid in Wiener Neustadt zu Ende. Vor den eineinhalb Jahren in Hütteldorf trainierte Peter Schöttel ebenso lange den Gegner. "Drei Jahre ohne Unterbrechung in der Bundesliga – das macht mich stolz", sagt der 45-jährige Wiener. Über die anstehende Vertragsverlängerung und den gesuchten Sportdirektor hat Rapid mit dem Rekordspieler "nicht gesprochen". Im KURIER-Interview spricht Schöttel über Populismus, Kritik und Fehler.

KURIER: In Wiener Neustadt endet der intensivste Herbst Ihrer bisherigen Trainerkarriere. Wie haben Sie Ihn erlebt?
Peter Schöttel: Der Spielrhythmus mit 33 Partien in 22 Wochen war heftig. Wenn etwas schiefläuft, ist es schwierig, den Fehler im Training zu beheben. Weil du entweder regenerieren musst, oder schon wieder eine Spielvorbereitung ansteht. Und gerade in der Phase mit den schwersten Gegnern hatten wir die meisten Verletzten.

Wie belastend war es für Sie selbst physisch und psychisch?
Du kannst bei Rapid 24 Stunden alles diskutieren. Ich habe es geschafft, nicht in diesen Sog zu geraten. Auch wenn ich mir den ganzen Tag Gedanken mache, habe ich danach gut geschlafen. Sonst brennst du aus.

Die Kritik war teils heftig. Wie sind Sie damit umgegangen?
Du brauchst ein dickes Fell, aber mich kann bei Rapid nichts mehr überraschen. Ein Problem war es eher für meine Mutter, die ja alles liest. Ich kann jetzt besser verstehen, warum manche Trainerkollegen im Lauf der Zeit in der Öffentlichkeit nicht mehr so freundlich wirken oder sich zurückziehen.

Was meinen Sie konkret?
Ich merke schon, wenn sich wer abwendet. Besonders stört mich, dass aus der zweiten und dritten Reihe bei Rapid manche gar nicht wertschätzen, was wir Trainer tun. Die Geschlossenheit hat uns früher stark gemacht. Da gehören neben der Mannschaft und den Fans auch jene dazu, die mit 'guten Tipps' gerne beratend zur Seite stehen und dadurch mitverantwortlich sind für die schlechte Stimmung.

Hat Sie die Krise verändert?
Aus einer Krise gibt es für die Mannschaft und den Trainer am meisten zu lernen. Mir war wichtig, auch im Gegenwind meinen Weg weiterzugehen. Aber ich bin anders als früher. Ich tanze nicht mehr auf jedem Kirtag und lasse mich auch nicht einteilen. Ich versuche viel Zeit mit jenen zu verbringen, denen ich voll vertrauen kann.

Wie beurteilen Sie die Situation bei Rapid im Moment?
Schwierig und gefährlich: Es stehen alle in der Kritik, also versuchen alle, da irgendwie wieder gut rauszukommen. Grundsätzlich sollte jeder vor seiner eigenen Tür kehren – bei mir ist das der sportliche Bereich.

Wie stehen Sie zur anhaltenden Kritik der organisierten Fans?
Nach dem Platzsturm gab es keine Unterstützung, das ist dann immer besser geworden. Jetzt gibt es den Wunsch nach Revolution. Ich lehne persönliche Attacken auf einzelne Personen total ab. Aber ich stehe zu 100 Prozent dazu, dass wir uns über die Strukturen im Verein Gedanken machen müssen.

Sie haben während der Krise gemeint: 'Wir sind Dritter und da gehören wir jetzt auch hin'. Darf ein Rapid-Trainer so realistisch sein?
Das ist nur ehrlich, ich bin kein Märchenerzähler. Rapid hat ein großes Problem, weil die Erwartungshaltung viel zu hoch war. Als wir Zweiter wurden und niemand hat sich gefreut, wusste ich, dass der Herbst schwierig wird. Ich will die Fans nicht anlügen. Die Augen vor der Realität verschließen und an alle anbiedern? Das hasse ich mehr als alles andere.

Aber ist Rapid in seiner Struktur nicht doch ein sehr populistischer Verein?
Ja, klar. Deswegen ist es nicht schlecht, wenn einer sehr realistisch ist. Das tut bei Rapid weh, aber nur so kann es Fortschritt geben. Die Spieler kriegen von mir die volle Wahrheit und auch öffentlich werde ich immer knapp an der Wahrheit dran sein. Natürlich wollen wir Erster werden. Die Spieler wissen, dass sie alle schlagen können. Aber sie sind keine Versager, weil sie Dritter sind. Wir sind jünger, billiger und österreichischer geworden. Wer objektiv ist, sieht die gute Entwicklung. Die kann bei uns eben nie schnell genug gehen.

Wenn Ihnen die fehlende Emotion vorgeworfen wird ...
... sage ich, dass es bei und um Rapid schon so viel Emotion gibt. Die ist auch ganz wichtig, aber wir dürfen uns davon nicht treiben lassen. Jetzt möchte ich aber auch etwas sagen, was ich schätze an diesem Verein, der mir so wichtig ist.

Gerne.
Es hat noch nie jemand gemeint, "Das darfst du so nicht sagen". Ich würd’ es mir aber eh nicht verbieten lassen (lacht).

Noch ein Vorwurf: Rapid spielt nicht attraktiv genug. Wirklich schön anzusehen war es nur, solange Ildiz fit und in Form war. Was sagt das über die Bedeutung eines früheren Innsbruck-Reservisten aus?
Ildiz war von Beginn an sehr dominant und hat im Sommer den großen Unterschied in unserer Spielweise ausgemacht. Dann kamen körperliche Probleme und die Gegner haben viel mehr auf ihn geachtet. Wir werden reagieren und ein zweites Spielsystem einüben.

Druck haben Sie auch, weil noch kein Derby gewonnen wurde. Der Frühjahrsauftakt gegen die Austria bekommt also einen besonderen Stellenwert.
Wegen den Derbys bin ich froh, dass wir 2012 abhaken können. 2013 wird ein neues, besseres Kapitel folgen. Aber grundsätzlich finde ich ein Derby als Auftakt am 17. Februar, also mitten im Winter, nicht passend. Auch wenn wir eine Rasenheizung haben.

Was ist neben den Derbys noch schiefgegangen?
Wir hatten nach den Europacup-Reisen grobe Probleme. Optimal war auch nicht, wie wir aus den Länderspiel-Pausen gestartet sind. Das müssen wir ändern. Vielleicht mit einem Testspiel in der Pause. Vielleicht wurde da von uns auch der Druck zu lange rausgenommen.

Sie setzen auf einen sehr menschlichen Umgang. Brauchen manche Spieler demnach mehr Druck?
Ich will die Spieler zum Mitdenken und zur Eigenverantwortung animieren. Für den Großteil passt das. Mir fallen aber drei, vier ein, die damit nicht umgehen können und scheinbar einen autoritäreren Führungsstil brauchen.

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