Krammer: "Im Fußball ist alles emotionaler"

Grün-weißes Jahrhundertprojekt: Rapids Präsident Michael Krammer auf der Baustelle des 53 Millionen teuren Allianz-Stadions in Hütteldorf.
Zur Hälfte der ersten Amtszeit als Rapid-Präsident spricht Michael Krammer über Fans, Krankl und Transfers.

Michael Krammers Vergangenheit als strategisch denkender Offizier ist auch beim Interview spürbar: In Erwartung der Fragen hat Krammer alle Unterlagen zu den sieben angekündigten Projekten mitgebracht. Wie viel von den Zielen zur Hälfte der ersten Amtszeit als Rapid-Präsident umgesetzt wurde, hat der 54-Jährige im Kopf (siehe unten).

KURIER: Rapid liegt in der UEFA-Klubrangliste auf Platz 121. Haben Sie vor Ihrer Zielausgabe ausgerechnet, wie schwer es wird, in die Top 50 zu kommen?Michael Krammer: Schon. Aber ich habe nicht mit dem Aus gegen Helsinki gerechnet. Es ist noch nicht unrealistisch. Es geht auch um die Symbolik: Wenn wir 2019 55. sind und knapp danach in die Top 50 kommen, ist es okay.

Was war das bisher Positivste und Negativste bei Rapid?

Das Enttäuschendste bisher war eindeutig Helsinki. Beim Positiven sind die knappen Siege mit späten Toren besonders emotional. Es gibt aber auch Kleinigkeiten, wie jemanden, der einen in der U-Bahn anspricht und sagt: "Danke für das neue Stadion". Das gibt so viel Kraft zurück.

Wenn es wie im November drei Niederlagen in Folge gibt, ist für Fans und auch in der Öffentlichkeit aber alles schlecht – Stadion hin oder her. Hat Sie diese Emotion überrascht?

Ich habe gebraucht, um mich an diese Herangehensweise im Fußball zu gewöhnen. Wenn ich mich selbst nur als Fan und nicht als Präsident betrachte, verstehe ich es aber auch. Wenn wir drei Mal verlieren, tröstet mich das Stadion nicht mehr. Dann ist das einfach besch ... eiden.

2013 meinten Sie: ,Trainer Barisic jammert nicht. Er sieht das Glas immer halb voll, er soll auch die Chance bekommen, es ganz voll zu machen.‘ Wie voll wird das Glas im Sommer sein?

Wir haben schon Verstärkungen geholt. Also ziemlich voll – vorausgesetzt, wir schaffen es, für Barisic erstmals eine Mannschaft zusammenzuhalten.

Steigen dadurch die Ansprüche an das Trainerteam?

Die "Ansprüche" nicht, weil unser Trainerteam ohnehin die allerhöchsten Ansprüche an sich selbst stellt und jeden Tag noch besser werden will. Aber die Erwartungshaltung wird sicher höher. Mit dieser muss auch das Trainerteam umgehen können.

Wird es dann heißen: ,Wir wollen Meister werden‘?

Ich finde es besser, wenn wir kommende Saison in jedem Spiel das klare Ziel haben, die drei Punkte zu holen. Wenn dann ein 2:2 wie in Graz rauskommt, wo jede Sekunde der Siegeswille spürbar ist, wäre das auch okay.

Zur Transferpolitik: Ab einer gewissen Summe kann Rapid nicht Nein sagen. Früher wurden mit Transfers Finanzlöcher gestopft. Was würde im Sommer mit den Millionen passieren?

Wir werden alles versuchen, das Team zusammenzuhalten und haben da auch viel mehr positive Argumente als früher. Aber ja, unmoralische Angebote müssten angenommen werden – alles andere wäre fahrlässig. Es würde dann sofort adäquater Ersatz verpflichtet werden. Im besten Fall bleibt dann noch Geld übrig, das in den Nachwuchs und in die Infrastruktur gesteckt werden kann.

Erkennen Sie Parallelen zwischen "Ihrer" Mobilfunkbranche und dem Fußball?

Gleich ist, dass es immer darum geht, die richtigen Strukturen zu schaffen, mit allen Beteiligten möglichst viel zu kommunizieren und mit den richtigen Zielen Begeisterung zu wecken. Zum Unterschied: Mobilfunkkunden sind schon auch emotional – aber im Fußball ist alles zehn Mal emotionaler.

Sie haben zwei Mal Aufregung verursacht. Zuerst 2013, weil Sie vom Wahlkomitee-Leiter selbst zum Präsidentschaftskandidaten wurden ...

Durch die Umstände wurde das Drängen aus der Rapid-Community so groß, dass die Frage der Optik nicht mehr zu stellen war. Absurd war die Behauptung, ich hätte diesen Ablauf geplant. Das ist fast eine Beleidigung.

... zuletzt, weil es vor dem Aufstieg von Geschäftsführer Christoph Peschek nicht die angekündigte öffentliche Ausschreibung gab. Ärgert einen PR-Profi wie Sie diese schlechte Optik?

Ja, es gab keine formelle öffentliche Ausschreibung, aber eine transparente Auswahl. Da war etwa Stefan Singer dabei, der bei den Fans und Mitgliedern so verankert und angesehen ist, dass er nie bei etwas mitmachen würde, für das man sich verstecken muss. Außerdem zeigt Peschek bereits, dass er eine sehr gute Wahl war.

Hans Krankl ist immer noch sauer auf Rapid. Werden Sie nochmals auf ihn zugehen?

Spätestens vor der Stadioneröffnung gibt es noch einen Versuch. Weil ich ein unglaublicher Krankl-Fan war und noch immer bin. Er war der Held meiner Jugend, er gehört zur Rapid-Familie unbedingt dazu und ist ein wichtiger Teil dieses Vereins.

Mit Petra Gregorits, der allerersten Frau in einem Rapid-Präsidium, gelang ein wichtiges Zeichen. Wird es auch ein Rapid-Frauenteam geben?

Petra Gregorits brachte sich schon länger bei uns ein, sie ist unglaublich gut vernetzt in der Wirtschaft. Zum Damen-Team: Das wäre unglaublich schön, aber wir schaffen das nur mittelfristig – also nicht vor dem Ende der ersten Amtszeit 2016.

Sie haben einmal gemeint, 2019 wäre für Sie Schluss. Ist das unumstößlich?

Ich muss jetzt Ja sagen – wegen meiner Frau (lacht). Wir haben noch einiges zu erledigen, damit ich mich mit meinem Team 2016 wieder der Wahl stellen kann. Falls es für 2019 einen Nachfolger braucht, wird das ab 2017 vorbereitet, weil es eine geregelte Übergabe bräuchte.

Hat sich Ihr Blick auf das Fan-Thema verändert, weil es komplexer als angenommen ist?

Das Thema Rassismus haben wir komplett rausgehalten, Gewalt fast. Bleibt die Pyrotechnik. Da geht es um Verwaltungsdelikte, die medial überhöht werden. Rapid zahlt an die Polizei pro Spiel 10.000 bis 25.000 Euro für ihren Einsatz. In Deutschland zahlt das der Staat. Ich denke, das wäre schon die Aufgabe der Exekutive, die Pyrotechnik-Regeln auch zu exekutieren – gegen die Person, die das Verwaltungsdelikt begeht.

Sie meinen also, dass Rapid der falsche Empfänger der Pyrotechnik-Strafen ist?

Da geht es um Verwaltungsvergehen von Einzelnen, die wir nicht gutheißen. Aber: Kriegt die ASFINAG eine Strafe, wenn Sie auf der Autobahn 150 gefahren sind? Nein. Wir bemühen uns sehr um dieses Thema – im Dialog mit den Fans, zuletzt in einer Liga-Aufsichtsratssitzung und demnächst auch in einem Termin mit dem Strafsenat. Wir wollen diskutieren, weil wir teilweise die Höhe der Strafen nicht nachvollziehen können.

Sieben Projekte:

Mit sieben Projekten, an denen er sich messen lassen will, startete Michael Krammer im November 2013 als Rapid-Präsident. Wie viel wurde zur Hälfte der ersten Amtszeit abgearbeitet?

1. Organisation: „Alles ist jetzt so aufgestellt wie geplant“, erklärt Krammer. „Mit dem neuen Stadion wird Rapid 2016 eine Kapitalgesellschaft, vermutlich eine AG.“

2. Allianz-Stadion: „Der Bau ist ja offensichtlich auf Schiene, bei der Vermarktung sind wir mittendrin.“

3. Sponsoring „Als Ziel haben wir acht Millionen Euro Sponsorgelder pro Jahr angegeben. Das könnten wir vielleicht sogar schon nächste Saison schaffen.“

4. Mitglieder: 10.000 neue Mitglieder sollen es bis Ende 2016 werden. „Wir liegen im Plan, vor allem, weil es in Verbindung mit Stadion-Aktionen einen Schub geben wird. Wir sind bei 5000 plus.“

5. Transparenz: „Es gab schon viele Schritte in diese Richtung, die absolute Vertrauenskultur ist aber noch nicht erreicht“, gesteht Krammer nach der „Missstimmung beim Auswahlverfahren von Geschäftsführer Peschek“.

6. R@pid-World: „Da passiert extrem viel im Hintergrund“, versichert Krammer. Das Ticketing wurde schon verbessert. Im Herbst geht noch eine neue Homepage online.

7. Internationalisierung: Ex-Präsidiumsmitglied Fisa fädelte eine Kooperation mit Juventus ein, Sportdirektor Müller sah zu wenig Vorteile für Rapid und lehnte ab. Krammer: „Es ist schwieriger als erwartet, einen nachhaltigen Nutzen daraus zu ziehen. Nur bei diesem Projekt liegen wir zur Halbzeit unter 50 Prozent der Zielvorgabe.“

Am 18. November 2013 trat Michael Krammer die Nachfolge von Rudolf Edlinger als Rapid-Präsident an. Der am 17. August 1960 geborene Mobilfunk-Manager arbeitet so wie seine Präsidiumsmitglieder ehrenamtlich. Krammer gilt als ÖVP-nahe, sicherte sich aber auch die Unterstützung der Wiener Stadtregierung.

Ausgebildet wurde der dreifache Vater als Offizier beim Bundesheer, arbeitete später für den ÖAMTC und kam über max.mobil in die Mobilfunkbranche. Nach Stationen bei tele.ring und E-Plus trat der Niederösterreicher als CEO von Orange 2008 über ein Sponsoring in Kontakt mit der Rapid-Führung. Heuer brachte Krammer über seine Firma Ventocom "HoT" auf den Markt.

Kommentare