Rangnicks Abgang: Die Bilanz eines Trendsetters

Sportchef Ralf Rangnick hat sich am Freitag aus Salzburg verabschiedet.
Der Red-Bull-Sportchef leitete eine neue Ära in Salzburg ein – mit Hochs und Tiefs.

Nach drei Jahren ist sie also nun zu Ende, die turbulente Ära von Sportchef Ralf Rangnick bei Red Bull Salzburg. Der 56-Jährige bleibt aber nicht nur Sportchef bei RB Leipzig, sondern übernimmt auch gleich das Traineramt beim deutschen Red-Bull-Klub. Dass er deshalb in Salzburg nicht mehr zumindest mitredet, glaubt zwar niemand, aber offiziell ist der Deutsche jedenfalls nicht mehr für Österreichs Doublegewinner verantwortlich.

Der KURIER blickt zurück auf drei Jahre mit vielen Highlights, aber auch einigen negativen Begleiterscheinungen.

+ Die Spielweise

Es war Lob von höchster Stelle. "Ich bin in meiner Karriere noch nie auf eine Mannschaft getroffen, die mit so einer hohen Intensität gespielt hat", meinte Bayern-Coach Pep Guardiola nach einer 0:3-Testspielpleite in Salzburg. Rangnick brachte eine neue Art von Fußball nach Österreich: Offensivpressing, Attackieren im Schwarm, blitzschnelles Umschalten – diese Spielweise sorgte in Europa für Aufsehen. Besonders eindrucksvoll wurde Rangnicks Philosophie im Europa-League-Spiel in Amsterdam umgesetzt: Österreichs Meister degradierte eine Ajax-Mannschaft, die kurz zuvor Barcelona geschlagen hatte, zu Statisten und gewann nach einer sensationellen ersten Spielhälfte mit 3:0.

- Die Champions League

Red-Bull-Vorstand Volker Viechtbauer hatte es bei Rangnicks Präsentation vor drei Jahren extra betont: International sei es das Ziel, in der Champions League mitzuspielen. Drei Versuche gab es, drei Mal ist man gescheitert. Das ist der Negativrekord für einen Salzburger Sportchef. Die Blamage gegen Düdelingen 2012 kann man noch irgendwie als Betriebsunfall einordnen, geschuldet einer turbulenten Vorbereitung und der Umstellung auf eine völlig neue Spielphilosophie, auch wenn das alles gegen einen Klub aus Luxemburg keine Ausrede sein darf. Aber schon das Ausscheiden gegen Fenerbahce war ein Selbstfaller. Der türkische Vizemeister hatte zwar eine prominent besetzte Mannschaft, war aber mitten in der Vorbereitung gestanden und kurz danach gegen Arsenal chancenlos. 2014 folgte die Selbstdemontage gegen Malmö, die nie passieren hätte dürfen. Das Scheitern alleine auf den Mane-Eklat zu schieben, ist zu billig. Erstens war der Senegalese im Heimspiel noch dabei, in dem man es sich mit einem mageren 2:1-Sieg selbst schwer machte. Zweitens war das Versagen beim 0:3 im Rückspiel so kollektiv, dass die Gründe vielfältiger waren als nur die Absenz eines Spielers.

+ Die Europa League

34 Punkte von 36 möglichen Punkten in zwölf Gruppenspielen – im kleineren Europacup zeigte Salzburg europäische Qualität. Renommierte Gegner wie Standard Lüttich, Celtic Glasgow oder Dinamo Zagreb wurden dominiert, auch weil die Salzburger ohne Angst vor Gegentoren das aggressive Offensivspiel aufziehen konnten. Dies gelang in den K.-o.-Spielen nach der Gruppenphase nur gegen Ajax, weil die Niederländer sich überhaupt nicht auf Salzburg einstellen konnten. FC Basel und FC Villarreal agierten da schon wesentlich cleverer und beendeten die Salzburger Europa-League-Träume.

- Die Zuschauerzahlen

Zwar lockte Salzburg mehr Fans in die Red-Bull-Arena als in den Saisonen vor der Ära Rangnick. Aber mit einem Zuschauerschnitt in der Bundesliga von knapp über 10.000 liegt man noch immer klar unter dem Zuspruch der ersten Jahre der Ära Red Bull – trotz attraktivem Fußball. Das wurmte Rangnick. Aber auch er hatte mit seinen Aussagen und Handlungen einen Teil dazu beigetragen, dass sich das Interesse in Grenzen hielt. Viele Fans reagierten verschnupft, als sie zumindest unterschwellig suggeriert bekamen, dass ihr Klub bald nicht mehr im Zentrum der Welt von Red Bull stehen wird.

+ Die Titelsammlung

Die Bilanz mit vier von sechs möglichen Titeln in Österreich kann sich sehen lassen – kein anderer Salzburger Sportchef war so erfolgreich wie Rangnick. Dass es auch in Österreich alles andere als einfach ist, ein Double zu verteidigen, wie es Salzburg in diesem Jahr geschafft hat, beweist die Historie. In 80 Jahren, in denen der ÖFB-Cup ausgetragen wurde, ist das davor nur gerade einmal zwei Mal gelungen. Besonders das zweite Double ist bemerkenswert, musste doch die Mannschaft während der Saison umgebaut werden, nachdem mit Mane, Kevin Kampl und Alan drei absolute Topspieler gegangen waren.

- Die Transferpolitik

Können Sie sich noch an Jodel Dossou, Yussuf Otubanjo, Zymer Bytyqi oder Robert Zulj erinnern? Das waren Neuzugänge in der Ära Rangnick, die alle nicht mehr in Salzburg sind. Die Topeinkäufe Mane, Kampl und Naby Keita überstrahlen zu vieles, was nicht funktioniert hat. Bei nicht wenigen Transfers wäre es auch für den Deutschen besser gewesen, auf ein altes Sprichwort zu hören: Weniger ist oft mehr.

+ Die Transferbilanz

Die ist finanziell gesehen sensationell. Erstmals lukrierte ein Bundesligist eine zweistellige Millionensumme für einen Spieler. Das, was von vielen Experten schlicht für unmöglich erachtet worden war, gelang Rangnick sogar drei Mal – bei Mane, Kampl und Alan. Über 42 Millionen Euro wurden auf dem Transfermarkt eingenommen. Aufgrund von Prämien könnte diese Summe sogar noch steigen. Demgegenüber stehen Ausgaben von rund 27 Millionen Euro (ohne die Leipzig-Leihgaben Bruno und Sabitzer). Rangnick erwirtschaftete also, anders als seine Vorgänger, einen Transferüberschuss.

- Die Pressearbeit

Was ein Giovanni Trapattoni oder ein Huub Stevens nicht brauchten, hatte Rangnick – einen externen Kommunikationsberater. Es gab deshalb völlig neue Rahmenbedingungen in der Medienarbeit. Was davor jahrelang nicht Usus war, wurde institutionalisiert. Interviews, aber auch Aussagen bei Kamingesprächen, mussten von Rangnicks Beratern, die bei diesen Terminen oft gar nicht dabei waren, authorisiert werden. Die Aussagen wurden in Deutschland planiert. Die Authentizität der Orginal-Zitate ging dadurch verloren. Und mehr noch: Auch andere Textteile (Fragen, Überleitungen etc.) wurden umformuliert. Mit Oliver Mintzlaff ist übrigens ein Ex-Rangnick-Medienberater seit genau einem Jahr Vorstandsvorsitzender bei RB Leipzig, mit Benjamin Ippoliti soll ein weiterer in diesem Sommer neuer Pressesprecher beim deutschen Zweitligisten werden.

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