20 Jahre nach Bosman ein neuer Präzedenzfall?

Der Fall Heinz Müller könnte die Fußballwelt nachhaltig verändern.
Ex-Mainz-Goalie Heinz Müller gewann den Prozess gegen seinen alten Arbeitgeber. Dies könnte den Fußball nachhaltig verändern.

Die Ära des modernen Fußballs wurde im Jahre 1995 eingeläutet, als der Europäische Gerichtshof dem belgischen Fußballprofi Jean-Marc Bosman Recht gab und es Profi-Fußballspielern damit fortan ermöglichte, in der Europäischen Union nach Ende des Vertrages ablösefrei zu einem anderen Verein zu wechseln. Außerdem brachte das wohl berühmteste Urteil der jüngeren Fußballgeschichte die bestehenden Einschränkungen für Ausländer in den europäischen Ligen zu Fall.

Auslösender Moment für den Rechtsstreit vor rund 20 Jahren war die Schadensersatzklage Bosmans bezüglich einer zu hoch angesetzten Ablösesumme seines damaligen Arbeitgebers RFC Lüttich. Der Belgier sah sich in seiner Eigenständigkeit als Arbeitnehmer eingeschränkt, zog vor die höchste Instanz und gewann.

Müller gegen Mainz

Eingeschränkt - und zwar in seiner Berufsausübung - sah sich auch Heinz Müller, seines Zeichens Spieler des FSV Mainz 05 in den Jahren 2009 bis 2014. Müller hatte im Sommer 2012 seinen Vertrag mit dem Klub von Nationalspieler Julian Baumgartlinger um zwei Jahre verlängert. Nachdem der Routinier zu den Amateuren abgeschoben worden war, klagte er - sobald sein Vertrag keine Gültigkeit mehr hatte - beim Arbeitsgericht Mainz auf „Feststellung des Fortbestandes als unbefristetes Arbeitsverhältnis”.

Wie heute bekannt wurde, wurde dem 36-Jährigen in der vergangenen Woche in erster Instanz Recht gegeben.

Befristete Verträge im Profifußball rechtswidrig?

Verträge von Fußballern sind üblicherweise befristet. Dies beruht jedoch auf keinerlei gesetzlicher Grundlage, sondern lediglich auf der sogenannten „Branchenüblichkeit” nach der die Vereine in Sachen Spielerverträgen vorgehen. Das Arbeitsgericht Mainz veröffentlichte am Dienstag eine Erklärung zu besagtem Urteil und berief sich dabei auf Paragraf 14 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge. „Es gibt nach dem Gesetz nur zwei Möglichkeiten für eine Befristung: Entweder eine Gesamtdauer von maximal zwei Jahren oder weil ein Sachgrund dafür vorliegt”, sagte Gerichtssprecherin Ruth Lippa. Im Falle Müllers war die Höchstbefristungsdauer bereits überschritten, da der Tormann bei den Mainzern bereits von 2009 bis 2012 einen Dreijahres-Vertrag unterschrieben hatte.

Weiters wies Lippa darauf hin: „Einen Sachgrund haben wir auch nicht für gegeben erachtet. Die Erklärung des Gerichts lautet also: „Die Eigenart der Arbeitsleistung als Profifußballspieler rechtfertigt als solche nicht eine Befristung des Vertrags.“

Urteil mit potentiell weitreichenden Folgen

Das „Mainzer Urteil“ könnte die gängige Praxis von befristeten Verträgen im Profifußball ins Wanken bringen. Harald Strutz, seines Zeichens Rechtsanwalt und Präsident des FSV Mainz 05, äußerte sich dazu am Dienstag: „Das ist ein Thema, das eine weitreichende Bedeutung wie das Bosman-Urteil haben könnte – wenn es von den nächsthöheren Instanzen bestätigt wird. Und es wird definitiv in ein Berufungsverfahren gehen.“

Weiters verwies Strutz auf die Selbstschutz-Funktion von befristeten Spielerverträgen für die Vereine: „Wenn wir jeden Spieler mit einem unbefristeten Vertrag ausstatten würden, hätten wir ja 50, 60 Profis im Kader.” Im Fall Müller bestand außerdem - aufgrund dessen fortgeschrittenen Alters von 34 Jahren - für Mainz das Risiko einer „Ungewissheit der Leistungserwartung“, so der Präsident.

Potential für Präzedenzfall

Während die Mainzer klarstellen, gegen das Urteil vorgehen zu wollen, unterstreicht Lippa die mögliche Tragweite der erstinstanzlichen Entscheidung des Mainzer Gerichts: „Das Urteil kann durchaus eine Bedeutung über diesen Einzelfall hinaus haben. Natürlich können sich ein Verein und ein Spieler jederzeit auf einen Drei- oder Vierjahresvertrag einigen, jedoch nur, wenn der Spieler ausdrücklich die Flexibilität eines solchen befristeten Vertrags haben will. Aber auch solche Einigungen müssen auf dem Boden des Gesetzes erfolgen.“

Ob das Urteil auch in der zweiten Instanz der „Branchenüblichkeit“ des Vorgehens des Mainzer Fußballklubs standhalten wird, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch jetzt schon, dass sich so mancher Fußballer Gedanken über seine Vertragssituation machen wird. Für Heinz Müller bleibt zu hoffen, dass, wenn er auch in der nächsten Instanz als Sieger aus dem Rechtsstreit hervorgeht, zeitnah seine Entschädigung erhält.

Jean-Marc Bosman hatte da weniger Glück. Ganze neun Jahre nach Beginn des Prozesses erhielt der Belgier knapp 800.000 Euro Entschädigung für sein vorzeitiges Karriereende.

Stefan Gamlich

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