Spielfeld: "Unschöne Szenen will keiner"

Vize-Polizeichef Komericky: „Der Zaun ist eine Erleichterung, um die kontrollierte Einreise zu garantieren.“
Steiermarks Vize-Polizeichef Manfred Komericky über die schwierige Grenzsicherung im Richtwert-Streit.

Die Nervosität ist spürbar. Nach wochenlangen Bauarbeiten läuft an der Grenze in Spielfeld der Probetrieb für das Grenzmanagement an. Eines ist klar: Dieses Mal darf es keine Pannen geben. Aber wie gehen die Polizisten mit den neuen Richtlinien der Regierung um? Fürchten Sie, dass sie die Grenze mit Wasserwerfern sichern müssen, wenn die Obergrenze überschritten ist? Steiermarks Vize-Polizei-Chef Manfred Komericky hofft, dass es zu keinen unschönen Szenen kommt.

KURIER: Herr Komericky, die Regierung hat eine Obergrenze für Flüchtlinge festlegt. Wie das exekutiert werden soll, lässt noch viel Raum für Interpretationen. Wissen Sie nun, wie der Asylgipfel Ihre Arbeit ändern wird?

Manfred Komericky: Die Dinge, die für uns Polizisten relevant sind, sind ganz klar. Die Zeiten, wo wir aus humanitären Gründen viele Ankommende ohne nachhaltige Kontrolle weitergeleitet haben, sind vorbei. Jetzt wird jeder kontrolliert – und nicht jeder Ankommende wird automatisch aufgenommen. Früher war das in dem Trubel kaum möglich. Diese Maßnahmen sind ein Weg, um gewisse Kapazitäten nicht zu überschreiten.

Fallen Ihnen die Zurückweisungen nicht schwer?

Alle, die zurückgewiesen werden, müssen in Slowenien keine Verfolgung fürchten. Sie werden auch versorgt, müssen nicht frieren oder hungern. Wir Polizisten haben dadurch kein Problem, eine Zurückweisung auszusprechen.

Glauben Sie, wird die angepeilte Obergrenze halten?Oder sehen Sie es als eine Richtlinie?

In der Realität wird es sich um eine Richtlinie handeln. Ich denke, dass es bei der momentanen Gesetzeslage sehr schwer sein wird, die Grenzen für Asylwerber dichtzumachen, wenn die Zahl X erreicht ist. Eines ist auch klar: Der unerlaubte Grenzeintritt ist nur eine Verwaltungsübertretung. Für die Polizei heißt das, sie muss sich bei der Wahl der eingesetzten Mitteln nach der Verhältnismäßigkeit richten.

Zum Einsatz von Wasserwerfer kann es also nicht kommen?

Aus meiner Sicht wäre der Einsatz von Wasserwerfern bei der derzeitigen Rechtslage ein eher starkes Signal und nahezu Ultima Ratio.

Über das Signal eines Zauns wurde viel diskutiert. Wie sieht der Polizist im Einsatz den Zaun?

Der Zaun erleichtert uns die Vollziehung der kontrollierten Einreise enorm. Man kann über einen Zaun denken wie man will. In der Praxis ist der Zaun ein gewisses Hindernis. Er verhindert die erste Konfrontation. Der Polizist und der Ankommende stehen sich dadurch nicht gleich "face to face" gegenüber. Das entschärft die Situation.

Johanna Mikl-Leitner will eine Art Pufferzone errichten, wenn der Richtwert erreicht ist. Wir kennen alle noch die Bilder vom Grenzzaun in Ungarn, wo die Flüchtlinge Steine auf die Polizisten warfen. Wird es solche Szenen in Österreich geben?

Die Flüchtlingen wissen natürlich, dass in der Masse ihre Stärke liegt. Wenn die Sicherheit der Kollegen gefährdet ist und die Regierung die Grenzen aus Kapazitätsgründen schließt, dann müssen wir entschlossen handeln. Wir werden nicht zurückweichen, nur weil wir attackiert werden.

Es könnte zu unschönen Szenen kommen?

Unschöne Szenen will keiner. Ich hoffe, dass die Maßnahmen der nächsten Monate den Flüchtlingen eines zeigen: Gewaltaktionen zu setzen ist sinnlos.

Welche Bilder gehen Ihnen nicht mehr aus dem Kopf?

Da existieren mehrere Bilder, die mich beschäftigen. In erster Linie die Änderung der Einstellung in der Gesellschaft. Zuerst gab es eine abwartende Haltung, die dann in die Willkommenskultur überging. Nun sind sogar die hilfsbereiten Menschen an einem Punkt angelangt, wo sie große Zweifel bekommen, ob wir es schaffen, die Flüchtlinge zu integrieren. Wir stehen vor einer Herkulesaufgabe, und die Stimmung ist am Kippen. Deswegen müssen wir jetzt handeln. In den letzten Jahrzehnten lebten wir mit der Gewissheit, dass die Polizei auftretende Probleme zu lösen versucht. Doch dieses Gefühl bröckelt nach meiner Wahrnehmung, insbesondere nach Köln. Wenn Europa es nicht schafft, die Außengrenzen zu sichern, und die Solidarität nicht ausreicht, um die Flüchtlinge gerecht zu verteilen, halte ich es für legitim, dass die Bundesregierung nun handelt. Da sonst die Menschen ihre Sicherheit selbst in die Hand nehmen werden. Das ist eine gefährliche Entwicklung, die den Frieden im Land gefährdet.

Die Einladungskultur von Angela Merkel sehen Sie kritisch?

Ja, durchaus. Weil die Menschen mit falschen Hoffnungen gekommen sind. Beim Verhalten der Flüchtlinge fragte ich mich sehr oft: Was erwarten sich die Menschen von unserem Land? Bei vielen hatte ich den Eindruck, dass sie dachten, dass sie nun in ein Land kommen, wo Milch und Honig fließen. Kaum einem dürfte bewusst sein, dass es auch hier für sie nicht leicht sein wird. Die Ernüchterung kommt ja jetzt schon, weil sie wochenlang in Großquartieren auf ihr Asylverfahren warten müssen.

"Asyl à la carte" muss unterbunden werden?

Ich habe rein menschlich Verständnis dafür, dass sich die Menschen den besten Platz für ihre Familie aussuchen. Aber mittlerweile gefährdet die Anzahl der Flüchtlinge den sozialen Frieden im Land. Wenn es um den Schutz des Lebens geht, dann ist dieser auch in Laibach oder Zagreb gewährleistet.

Die Polizei in Spielfeld stand in der Kritik. Wollen Sie mit dem neuen Grenzmanagement das Image wieder aufmöbeln?

Da wäre fast zu billig, so zu denken. Im Herbst habe ich mich schon etwas geärgert, dass meine Kollegen, die bis zur Erschöpfung arbeiteten und aus den Umständen in Spielfeld das Beste machten, viel Kritik hinnehmen mussten. Das war eine Ungerechtigkeit. Die Polizei musste damals viele Dinge in der Verhältnismäßigkeit lösen. Die Entscheidung war damals, die Menschen nicht aufzuhalten. Das war aufgrund der herrschenden Umstände auch richtig.

Sie haben selbst zwei Kinder, die beide Polizisten wurden. Wenn einer der beiden sich nach Spielfeld versetzen lassen will, würden Sie diese Entscheidung unterstützen?

Die Situation in Spielfeld war sehr belastend. Die Bilder bekommt man schwer aus dem Kopf. Die Polizisten waren einer enormen Drucksituation ausgesetzt. Sie durften den Überblick, die Ordnung nicht verlieren. Das ist extrem schwierig, wenn du in mitten von Tausenden Menschen stehst, die eines wollen – weiterkommen. Viele meiner Kollegen waren nach den Diensten psychisch leer. Es war schwierig, die Balance zu halten. Denn wir waren immer wieder mit Situationen konfrontiert, wo wir im Sinne der Verhältnismäßigkeit wegschauen mussten, obwohl wir normalerweise polizeilich eingreifen würden. Das ist eine sehr große psychische Belastung, die man nicht unbedingt machen muss.

Der zweifache Vater hat eine steile Karriere im Polizeiapparat hingelegt. Bevor er 2012 Vize-Polizeichef in der Steiermark wurde, war der 55-jährige Offizier Chef der Cobra-Süd. Komericky agierte auch als Sicherheitschef von Ex-Landeshauptmann Franz Voves während des steirischen Wahlkampfes im Jahr 2010. Innerhalb der steirischen Landespolizei-Direktion ist der Generalmajor der einzige „Rote“.

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