Sizilien: Beste Geschäfte mit Flüchtlingen

Flüchtling in Sizilien: Sie wollen in Europa bleiben und keinesfalls zurück.
In den Lagern gibt es ein Netzwerk von Schleppern. Es gibt sogar eine Preisliste.

Ich liebe Europa, in Europa herrscht Meinungsfreiheit, hier gelten die Menschenrechte, ich liebe Italien", ruft ein junger Schwarzafrikaner aus Senegal im Flüchtlingszentrum Mineo Caro in Sizlien, wo derzeit 3200 Menschen auf ihren Asylantrag warten. Egal, ob er in Europa eine Perspektive hat oder nicht, er will bleiben und keinesfalls zurück.

Die meisten jungen Bootsflüchtlinge, die aus Schwarzafrika kommen, sind gebildet, sie lernen innerhalb kürzester Zeit italienisch und reißen sich um die wenigen Computerplätze, die es hier neben einer Bankfiliale von Western Union gibt. Sie dürfen das Lager verlassen. Viele Bauern holen sie als Orangen- und Tomatenpflücker und zahlen dafür zehn Euro pro Tag – ein Viertel des Lohns, den Italiener bekommen würden.

Syrer ziehen weiter

Doch die allermeisten Flüchtlinge, die von Lampedusa nach Catania in Sizilien gebracht werden, vor allem jene die aus Syrien flüchten mussten, lassen sich gleich weiterschleppen, nach Deutschland, Norwegen oder Schweden. Das sind derzeit die drei Länder, die ganz hoch im Kurs stehen.

Nach der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer hat die sizilianische Polizei im April einen internationalen Schlepperring zerschlagen, der Hunderte Migranten nach Italien geschleust haben soll. Insgesamt wurden 24 Personen aus Eritrea, Äthiopien, Ghana und der Elfenbeinküste verhaftet. Die Schlepperorganisation hat ihre Leute in Libyen und Ägypten, für sie arbeiten aber auch Schwarzafrikaner, die in Italien wohnhaft sind. Diese schleusen Flüchtlinge von Sizilien in andere EU-Länder.

Einer der Verhafteten war eine große Nummer in Europas größtem Flüchtlingszentrum Mineo Caro. Ohne Genehmigung der Präfektur darf man das Lager nicht betreten, der KURIER durfte rein, aber nur die Hauptstraße besichtigen, wo Pakistaner einen Bazar betreiben.

Leicht vorstellbar, dass es da nicht nur Hosen und T-Shirts zu kaufen gibt. Häuser durften wir nicht betreten. Der Spiegel lässt Sozialarbeiter zu Wort kommen, die von einem nigerianischen Bordell berichten. 200 Frauen befinden sich offiziell im Lager, nur 50 Kinder. Mit den 404 Reihenhäusern, die für amerikanische Soldatenfamilien gebaut wurden, deren Stützpunkt 2010 geschlossen wurde, verdiente ein Betreiberkonsortium bisher 100 Millionen Euro. Der Tagessatz für einen Flüchtling beträgt 34,60 Euro. In einem abgehörten Telefonat prahlte ein Mafia-Boss: "Mit Flüchtlingen lässt sich mehr Geld verdienen als mit Drogen."

Preisliste der Schlepper

Die italienische Polizei präsentierte unlängst eine Preisliste der Schlepper: Eine Reise aus Äthiopien kostet 4600 Euro, die Fahrt übers Mittelmeer 1400 Euro, das Ausschleusen aus einem Lager wie Mineo allein etwa 370 Euro, die Weiterreise nach Deutschland 1400 Euro. Dafür sparen afrikanische Großfamilien und schicken dann ihren sportlichsten, klügsten und härtesten Sohn auf die Reise. Wenn ihm in Mineo Caro das Geld ausgeht, bekommt er über Western Union Nachschub.

Dutzende Bootsflüchtlinge sind nach Angaben einer Hilfsorganisation bei einem neuen Unglücksfall im Mittelmeer umgekommen. „Überlebende haben uns erzählt, dass viele Migranten von Bord ins Wasser gestürzt seien, demnach könnten es etwa 40 sein“, sagte die Sprecherin von Save the Children, Giovanna Di Benedetto, am Dienstag in der sizilianische Hafenstadt Catania. Auf einem Schlauchboot sei es vor Sizilien zu einem Notfall gekommen. Was genau geschah, sei unklar. Etwa 200 Überlebende waren am Dienstag im Hafen von Catania angekommen.

Vor Ort ist auch eine Delegation der Grünen, um sich ein Bild der Lage der Bootsflüchtlinge vor Ort zu machen. Grünen-Chefin Eva Glawischnig, Michel Reimon und Alev Korun reisten am Dienstag nach Catania. „Man muss legale Einreisemöglichkeiten für Menschen auf der Flucht vor Krieg und Not schaffen. Dublin II muss endlich infrage gestellt werden“, sagte Glawischnig im Gespräch mit der APA. Die Resultate des EU-Flüchtlingsgipfels - die auch mehr finanzielle Unterstützung der EU-Grenzschutzmission Frontext vorsehen - würden „nicht genügen“, betonte die Grünen-Bundessprecherin weiter. Auch müsse die Reichweite des Frontex-Einsatzes, der nur das Gebiet bis 30 Seemeilen vor der Küste umfasse, vergrößert werden: „Wir fordern ein europäisches Mare Nostrum, das bis zu 160 Seemeilen von der Küste die Gewässer kontrolliert.“ Große Hoffnungen setzt Glawischnig auf den Mitte Juli geplanten UN-Gipfel zu Nordafrika: „Wir müssen einen Marshall-Plan für Afrika auf die Beine stellen."

Kommentare