Faymann beharrt auf Reichensteuer

Werner Faymann
Schwieriges Steuerreform-Finale: SPÖ und ÖVP sind sich weiterhin in vielen Punkten uneinig.

Viel Zeit haben Rot und Schwarz nicht mehr, um in Sachen Steuerreform handelseins zu werden. Am 17. März soll sie stehen. Vier Mal, jeden zweiten Samstag, hat die Polit-Truppe getagt. Bis zum Finale wollen Kanzler, Vizekanzler & Co. jedes Wochenende beraten.

Vergangenen Samstag ging es um die Entlastung von Kleinstverdienern (siehe unten), um die ermäßigte Mehrwertsteuer, die da oder dort erhöht werden soll (bei Blumen und Tickets) – und um Steuerbetrugsbekämpfung. Eine Milliarde Euro wollen SPÖ und ÖVP dadurch lukrieren. Es wäre Teil der Gegenfinanzierung der Steuerreform mit einem Volumen von fünf bis sechs Milliarden.

Streitpunkt Gegenfinanzierung

Bei den Tarifen sind sich SPÖ und ÖVP schon nahe, aber nicht bei der Gegenfinanzierung. ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat sich im KURIER erneut gegen Vermögenssteuern verwahrt. SPÖ-Kanzler Werner Faymann beharrt darauf: "Wir sind mit der Hauptforderung – es muss netto mehr übrig bleiben – in die Verhandlung gegangen und haben gesagt, es sollen die Reichsten, Stichwort Erbschaften und Schenkungen über eine Million Euro, auch ihren Beitrag leisten. Derzeit sieht es nicht so aus, als könnte man sagen: Wir haben genug Geld, wozu sollen die Reichen noch etwas beitragen? Also werden wir noch darüber reden."

Die schlechte Wirtschaftslage ändere nichts an den Reformvoraussetzungen, befindet Faymann via KURIER: "Im Gegenteil. Sie unterstreicht, dass wir höhere Kaufkraft brauchen, damit sich die Menschen wieder etwas leisten können. Wir müssen einiges ausgleichen. Das Geschäft mit Südeuropa und dem Osten ist für alle schwächer geworden, wir sind nur näher dran. Daher ist es für uns schwieriger als für andere."

Keine Privatisierung

Dass nach Standard & Poor’s die Rating-Agentur Fitch Österreich von der Topnote Triple-A auf AA+ zurück gestuft hat, beunruhigt Faymann nicht: "Österreichs Zinsen für Staatsanleihen sind niedrig wie noch nie. Wir haben stabile Finanzen, sind einem ausgeglichenen Budget nahe. In dem Bereich mache ich mir wenig Sorgen. Schwieriger ist die Situation, wenn man auf Russland blickt. Dort haben viele heimische Unternehmen viel verloren; das schadet Österreich, wirkt negativ auf Arbeitsplätze."

Sollte die ÖVP die Post weiter privatisieren wollen, um Geld für die Steuerreform zu holen, dann ist das mit der SPÖ nicht zu machen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer sagte dem KURIER: "Für uns steht ein weiterer Verkauf nicht zur Debatte. Das Unternehmen arbeitet gut, liefert Dividenden. Wir hätten beim Verkauf einen Einmalerlös. Die Dividenden würden aber geschmälert."

Sollen auch jene Menschen, die wegen ihres geringen Einkommens (bis zu 11.000 Euro brutto im Jahr) keine Lohnsteuer zahlen, entlastet werden? Die SPÖ wollte das von Anfang an, die ÖVP zunächst nicht. Nun soll es für die Schlechtverdiener ebenfalls etwas geben. Die Roten drängten darauf, die Negativsteuer von 110 auf 450 Euro jährlich zu erhöhen. Auch Pensionisten sollten fortan eine solche Steuergutschrift bekommen: maximal 110 Euro. Rund 500 Millionen Euro würde das in Summe kosten.
Den Schwarzen schweben niedrigere Krankenversicherungsbeiträge für die Kleinstverdiener vor. Rund 350 Millionen Euro würde das ausmachen (inklusive Pensionisten). Finanziert werden könnte das durch höhere Beiträge für Besserverdiener, meint die ÖVP – womit die Höchstbeitragsgrundlage von derzeit 4650 Euro im Monat weiter angehoben würde.

Kräftige Steigerung

Um wie viel wäre mehr zu zahlen, um in Summe auf 350 Millionen zu kommen? Ein Finanz-Experte sagte dem KURIER, dass eine Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage um 100 Euro den Kassen jährlich rund 120 Millionen einbringt. Also müsste die Erhöhung grob gesprochen 300 Euro im Monat ausmachen, um das gesamte Volumen der Beitragssenkung für Menschen mit Kleinsteinkommen zu finanzieren. Das ist politisch wohl nicht durchzubringen – vor allem bei der ÖVP-Klientel. Der Vorteil geringerer Sozialversicherungsbeiträge ist für Margit Schratzenstaller vom Wifo: „Sie werden automatisch wirksam, müssen nicht – wie die Negativsteuer – im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung beantragt werden.“ Der Nachteil: „Die Einnahmenausfälle der Krankenkassen müssen kompensiert werden. Sonst hieße das Leistungskürzung. Das kann wohl nicht die Zielsetzung sein.“

Skepsis und Warnung

Die Kassen sind, nach mehreren Jahren im Plus, wieder im Minus. Im Hauptverband der Sozialversicherungsträger wird mit einem Defizit von 128,9 Millionen Euro für 2015 gerechnet. Im Vorjahr gab es ein 83 Millionen-Plus. Nicht nur deshalb ist man in der Sozialversicherung ob des Rufs nach niedrigeren Krankenversicherungsbeiträgen für Geringverdiener skeptisch. Es wird auch darauf verwiesen, „dass Hochverdiener schon jetzt eine elf Mal höhere Prämie als Kleinverdiener bei gleicher Versorgungsleistung zahlen. Die Solidargemeinschaft sollte nicht überfordert werden.“

Ein bisher kaum beachtetes Spezialproblem bei der Senkung von Kassenbeiträgen ist der Umgang mit geringfügig Beschäftigten. Die zahlen ja keine Sozialversicherung, also kann ihnen nichts erlassen oder etwas rückerstattet werden. Da in dieser Gruppe auch 168.000 Pensionisten sind, die im Ruhestand geringfügig beschäftigt sind, überlegen die Steuerreform-Verhandlern, wie man auch diese Menschen entlasten könnte.

Kommentare