"Hören Sie mir jetzt zu?!"

Wutbürger Roland Düringer übergab im Parlament 50.000 Unterschriften von Bürgern für einen Hypo-U-Ausschuss: "Er wird kommen."
Der Hypo-Aktivist hielt eine Brandrede "gegen die Gier" im Hohen Haus.

Er kam mit viel Optimismus ins Hohe Haus. Mit im Gepäck vier prall gefüllte Kisten, darin stapelten sich beachtliche 49.583 Unterstützer-Stimmen für den Hypo-U-Ausschuss. Zwei Stunden später hat Wutbürger Roland Düringer die gesammelten Unterschriften seiner Initiative "Tatort Hypo" übergeben. Mehr noch – auch einen Teil seines Optimismus hat er im Petitionsausschuss zurückgelassen. "Ich bin überzeugt, dass der Hypo-U-Ausschuss sicher kommt. Insgesamt knapp 250.000 Unterschriften kann die Regierung nicht ignorieren." Und meint aber nach einer kurzen Nachdenkpause weiter: "Aber was dabei rauskommt, weiß ich nicht. Denn was ich im Petitionsausschuss erlebt habe, war der Beweis für einen klugen Satz, nämlich, dass die herrschende Dummheit auch die Dummheit der Herrschenden ist."

Düringer stoppte Rede

Einige Abgeordnete tippten SMS, die anderen tratschten oder arbeiteten am Laptop. Das brachte Wutbürger Düringer auf die Palme. Nach fünf Minuten unterbrach er seine Rede. "Das glaube ich jetzt ja nicht, hören Sie mir jetzt zu, oder tratschen Sie lieber?", fragte er in die Runde der Abgeordneten. "Wahrscheinlich ist es hier normal, aber ich bin es gewohnt, dass man zuhört." Düringer sprach wenig über den Hypo-Skandal, der für den Künstler nur ein Symptom ist, sondern mehr über die Versuchung des Geldes. "Früher war Geld ein sinnvolles Tauschmittel, mittlerweile hat man Geld zu einer Ware gemacht, die man sammelt. Die Gier ist salonfähig geworden. Die Bankmanager, die heute im Gefängnis sitzen, waren noch vor Kurzem die Helden des Jahres. Umso gieriger man ist, umso mehr wird einem auf die Schulter geklopft", so Düringer. An diesem Zustand ändert auch das Sondergesetz zur Hypo nichts. Das klinge zwar schön, doch die "wirklich großen Fische kommen damit trotzdem zu ihrem Geld", kritisierte Düringer.

Obwohl bis dato 21 Anträge für einen Hypo-U-Ausschuss von den Regierungsparteien abgelehnt wurden, gab sich die Opposition optimistisch. Der grüne Abgeordnete Werner Kogler ist "sehr zuversichtlich". Die rund 250.000 Unterschriften seien eine "Gelbe Karte" für SPÖ und ÖVP, betonte Rainer Hable, Budgetsprecher von den Neos. Wenn sie der Forderung nach Aufklärung nicht nachkommen, "wird’s eine Rote Karte geben, spätestens bei der Wahl".

Im Gespräch mit dem KURIER erzählt Roland Düringer, Gesicht der Bürgerinitiative "Tatort Hypo", von möglichen Polit-Ambitionen, seinem Leben ohne Supermarkt und warum Politiker nur den Wackeldackel machen.

KURIER: Herr Düringer, was hat sich seit Beginn Ihres Engagements bei "Tatort Hypo" getan?

Roland Düringer: Wir haben fast 50.000 Unterschriften gesammelt. Zusammen mit den anderen Petitionen sind es über 200.000 Unterstützer für einen Hypo-U-Ausschuss. Außerdem hat das System reagiert: Herr Spindelegger hat sich mit einem "Skurrilo" wie mir getroffen, um über die Hypo zu plaudern. Die Regierenden merken also, dass das System ein Ablaufdatum hat. Politiker machen derzeit nur den Wackeldackel für die Vorgaben der Regierung. Ich wünsche mir wirkliche Volksvertreter, die eigenständig denken und handeln.

Es gibt Ihrer Meinung nach keine wirklichen Volksvertreter mehr?

In unserem Parlament sitzen keine freien Volksvertreter, sondern Sklaven. Einerseits durch die Mandatsverteilung, vor allem aber durch den Koalitionsvertrag, wo festgelegt wurde, dass sobald jemand gegen einen Beschluss von oben stimmt, ein Koalitionsbruch begangen wird. Natürlich möchte niemand der Abgeordneten das schwarze Schaf sein. Unser Parlament ist damit abgeschafft. Deshalb gibt es immer mehr Nichtwähler. Ich verstehe nicht, warum die Politik diese ignoriert.

Zu welcher Gruppe gehören Sie? Wähler oder Nichtwähler?

Ich gehöre zu der Gruppe, die nicht bereit ist das kleinere Übel zu wählen. Ich habe eine leichte Allergie auf das System. Das ist wie ein Milchallergiker: Der geht auch nicht in die Milchbar und bestellt den Shake, mit dem er den geringsten Ausschlag bekommt.

Das heißt, Sie gehen nicht wählen...

Genau. Wir überlegen nun, wie man ungültige Stimmen gültig machen kann. Eine Möglichkeit wäre eine Liste bei der nächsten Wahl. Es wäre keine Partei, sie soll nicht auf Stimmenfang gehen. Protest-Nichtwähler könnten aber ihre Stimme sichtbar machen.

Die Politik ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.

Sie wollen also beim nächsten Urnengang antreten?

So weit sind wir nicht. Aber es wäre eine Möglichkeit, um etwas zu ändern. Für die Hypo erwägen wir eine Volksabstimmung. Politiker möchte ich nicht werden, dafür müsste ich meine persönliche Freiheit aufgeben.

"Die Hypo ist ein Symptom für die Krankheiten Macht und Geldgier", haben Sie mal gesagt. Wie haben Sie das gemeint?

Die Politik ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Wir sind schnell bereit, uns über die gierigen Politiker aufzuregen. Aber wie agieren wir selbst, wenn wir im All-Inclusive-Urlaub sind? Verhalten wir uns da nicht gierig? Warum agiert die Politik so? Weil sie gesellschaftliche Rahmenbedingungen vorfindet, in denen sie so handeln kann.

Ich esse Fleisch. Die logische Konsequenz ist: Tiere halten, Tiere töten.

Sie selbst verzichten seit Anfang 2013 auf einige Dinge. Wie lebt es sich denn ohne Handy, ohne Internet?

Ich hab ein Internet! Es gibt Gerüchte, dass ich im Wald lebe. Das stimmt nicht. Ich habe aber keine Bankomatkarte, gehe seit 1,5 Jahren in keinen Supermarkt mehr. Ich will schließlich keine Banken finanzieren, wenn ich mir ein Apferl kauf, sondern einen Bauern mit Apfelbaum. Umso kleiner die Struktur ist, desto eher habe ich als Konsument Einfluss auf den Produzenten. Ein anderes Beispiel: Ich esse Fleisch. Die logische Konsequenz ist: Tiere halten, Tiere töten.

Sehen Sie sich als Wutbürger?

Nein, ich bin nicht wütend, die Gesellschaft verändert sich positiv. Wir durchleben gerade einen dringenden Wertewandel. Der Konsumwahn hat die letzten Jahrzehnte bestimmt, wird nun aber hinterfragt. Wir können uns den ja auch ökologisch nicht mehr leisten. Ich würde mir außerdem wünschen, dass der Konkurrenzgedanke zwischen den Menschen einem Kooperationsgedanken weicht. Ich bin noch so erzogen worden, dass ich Sport mache, nicht um mich zu bewegen, sondern um einen Wettkampf zu gewinnen. Das ändert sich endlich.

Noch eine Bankenrettung lassen wir uns nicht gefallen.

Das Hypo-Debakel macht Sie nicht wütend?

Seit Beginn der Causa ist viel Positives passiert, siehe die vielen Unterschriften. Klar ist: Die Hypo wird nur der erste Fall sein. Nächstes Mal werden die Bürger aber gleich protestieren. Noch einmal lassen wir uns das nicht gefallen.

Dass Österreich die Inhaber von Hypo-Anleihen rasieren will, hält der Internationale Währungsfonds (IWF) für keine gute Idee: Die Regierung sollte „noch einmal überdenken“, ob sie die Kärntner Landeshaftungen mittels Sondergesetz ausradiert, sagte IWF-Manager Bas Bakker bei der Präsentation des alljährlichen Länderberichts in Wien.

Einzelfall hin oder her: Investoren hätten bisher darauf vertraut, dass diese Garantien in Österreich sicher sind. Zieht die Regierung den Schuldenschnitt bei Nachranganleihen im Wert von 890 Millionen Euro durch, werde diese Sicherheit bei allen Länderhaftungen infrage gestellt. Positiv vermerkt der IWF, dass eine Hypo-Abbaulösung gefunden und die Insolvenz vermieden wurde.

Ins Lamento über die hohen Steuern stimmen auch die Washingtoner Finanzexperten ein. Der IWF kritisiert, dass die „kalte Progression“ die Österreicher in immer höhere Steuerstufen rutschen lässt, und die Arbeitseinkommen überproportional stark besteuert sind. Nicht nur, dass weniger im Geldbörsel bleibt: es trage dazu bei, dass gering qualifizierte Arbeitskräfte schwerer Jobs finden und Teilzeitarbeit boomt.

Zwist über Spartempo

Die Arbeitskosten sollen also sinken. Eine sinnvolle Steuerreform lasse sich aber nur gegenfinanzieren, wenn der Staat seine Ausgaben reduziert. Eingespart könne bei Förderungen, teuren Infrastrukturprojekten, im Gesundheitswesen und durch ein höheres Pensionsantrittsalter werden. Höhere Öko- oder Grundsteuern wären zwar auch möglich, würden aber zu wenig einbringen.

Die Frage, ob und wie rasch Österreich seine Schulden abbauen soll, sei mit IWF-Chefökonom Olivier Blanchard angeregt diskutiert worden, sagte Nationalbankchef Ewald Nowotny. Der IWF will nämlich, dass der Schuldenberg rascher abgetragen wird – rund 3 Milliarden Euro pro Jahr sollen eingespart werden, damit Österreich ab 2018 dauerhaft einen strukturellen Budgetüberschuss von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erzielt. Ab 2014 weise Österreich nämlich die höchste Schuldenquote aller europäischen Triple-A-Länder auf, warnt der IWF.

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