Auf Tuchfühlung mit dem Krieg um Kobane
Ein Raunen geht durch die Menge, etwas entfernt steigt eine riesige Rauchsäule auf. "Das war ein Treffer", sagt ein Mann mit rotem Palästinensertuch und lächelt, getroffen wurde seine Heimatstadt Kobane. Es war ein Luftangriff der internationalen Allianz gegen den "Islamischen Staat" (IS).
Im Dorf Mexsen haben sich Dutzende Menschen eingefunden – Flüchtlinge, kurdische Aktivisten. Sie beobachten den Krieg auf der anderen Seite der Grenze. Den Krieg um Kobane.
Rauchsäule
Am Himmel dröhnt es gewaltig, immer wieder sind entfernte, kleinere Einschläge zu hören. "Da", sagt ein Mann mit einem Fernglas und deutet auf Kobane. Die Rauchsäule verzieht sich langsam, "das war nahe am Grenzübergang".
Der IS versucht gerade dort vorzustoßen, um die Verteidiger der Stadt von der einzigen Versorgungsader abzuschneiden. Dass es gerade dort raucht, heißt auch, dass dort gekämpft wird.
Davon konnte sich auch eine österreichische Parlamentarierdelegation am Dienstag überzeugen, die vom KURIER-Reporter in das Dorf Mexsen begleitet wurde. SP-Klubobmann Andreas Schieder, Berivan Aslan, eine kurdisch-stämmige Grün-Abgeordnete, sowie die VP-Menschenrechtssprecherin Elisabeth Pfurtscheller zeigten sich tief betroffen von den Kriegshandlungen. Sie forderten unter anderem die Öffnung eines humanitären Korridors, für dessen Schaffung es sogar einen österreichischen Parlamentsbeschluss gibt.
Doch die türkische Regierung zeigt sich diesbezüglich unzugänglich und hat dafür diverse Forderungen gestellt. Was wiederum die Betroffenen erzürnt. "Für humanitäre Lieferungen kann es doch keine Bedingungen geben", wettert Ayse Efendi. Die Kurdin aus Kobane ist für die Selbstverwaltungsbehörde tätig.
Ayse Efendi spricht von einem sehr wichtigen Kapitel in der kurdischen Geschichte nach 35 Jahren Widerstand und Freiheitskampf. Schon alleine der Umstand, dass die kurdischen Verbände in der nordsyrischen Stadt Kobane durchhalten, sei ein Sieg. "Kobane wird nicht fallen." Auch wenn der IS, so der allgemeine Vorwurf von kurdischer Seite, vom türkischen Staat unterstützt werde.
Die Bürgermeisterin der grenznahen Stadt Suruc, Zühal Ekmez, zeichnet das Bild einer Parallelstruktur, die lokale und private Initiativen sowie die staatlichen Maßnahmen bei der Bewältigung der Krise um Kobane trennen würde. Lokale Verwaltungen würden bei der Bewältigung der Lage allein gelassen.
Es ist aber vor allem Misstrauen gegenüber der Regierung in Ankara, das vorherrscht: Man zweifelt an dern Willen, den IS auch wirklich zu bekämpfen. Gefolgsleute des IS rekrutieren in der Region und Berichte über Waffenlieferungen von türkischer Seite aus an den IS machen die Runde – von Tunneln unter der Grenze ist die Rede. All das "mit dem Unglauben, dass türkische Stellen davon nichts wissen".
Märtyrer sterben nicht
Generell prägt Misstrauen in der türkischen Region Urfa dieser Tage das Geschehen: Kurden misstrauen Türken, Türken misstrauen Kurden, und über Arabern liegt der Generalverdacht, mit dem IS in Verbindung zu stehen.
Am Abend wurden in Suruc fünf tote Kurden zu Grabe getragen. "Märtyrer sterben nicht", schrien Tausende – während am Horizont über der Stadt Kobane wieder Rauch aufstieg.
Die ersten zur Verteidigung der seit Wochen belagerten syrischen Grenzstadt Kobane entsandten Peshmerga-Kämpfer sind in der Türkei eingetroffen. Die Kurdenmilizionäre aus dem Irak landeten in der Nacht zum Mittwoch auf einem Flughafen im südtürkischen Sanliurfa, wie ein örtlicher Behördenvertreter sagte. Zur Zahl der Kämpfer machte er keine Angaben, zuvor war aber von mehr als 70 die Rede gewesen.
Einer AFP-Reporterin zufolge brach ihr Konvoi aus drei Bussen nach der Landung unverzüglich zur rund 50 Kilometer entfernten türkisch-syrischen Grenze auf. Begleitet wurden die Peshmerga von fünf Fahrzeugen der türkischen Armee und Polizei. Die Straße wurde eigens für diesen Zweck abgesperrt.
Am Dienstag war zudem ein Militärkonvoi mit 80 weiteren Kurdenkämpfern vom nordirakischen Erbil in Richtung Kobane aufgebrochen. Ein kurdischer Offizier sagte, der Konvoi aus 40 Lastwagen habe Waffen geladen, darunter Artilleriegeschütze und Maschinengewehre.
Die kurdischen Einheiten in Kobane sollen auf diesem Wege erstmals Unterstützung durch ihre Verbündeten aus dem Nordirak erhalten. Unter dem Druck der USA hatte Ankara in der vergangenen Woche erlaubt, dass rund 150 Peshmerga über türkisches Territorium nach Kobane gelangen können.
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