ÖGB erhöht Druck für Steuerreform

Wo bleibt die immer wieder versprochene Steuerreform? SPÖ-Chef Faymann spürt den Unmut der Gewerkschaft, FSG-Chef Katzian und ÖGB-Präsident Foglar machen Druck.
Auch VP-Gewerkschafter und SP-Landeschef Niessl wollen Entlastung schon 2015.

Was vorherzusehen war, ist gekommen. Angesichts des EU-Wahlausgangs für Rot und Schwarz spitzt sich der koalitionäre Streit um die Steuerreform zu. Noch vergangenen Freitag haben SPÖ und ÖVP im Nationalrat einen – unverbindlichen – Antrag eingebracht, bist Ende 2015 ein Entlastungskonzept vorzulegen. Erstellen soll es die "Steuerreformkommission", besetzt mit Politikern und Fachleuten.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hatte schon am Sonntag im KURIER moniert, dass Finanzminister Michael Spindelegger in Sachen Kommission bremse. Nicht länger hinhalten solle er die SPÖ: "Unsere Geduld ist am Ende." Gestern befand Schieder erneut: Es sei "nicht gut", dass die Truppe noch immer nicht werke. "Mein dringender Appell an die ÖVP ist, endlich die Expertenkommission tagen zu lassen. Wir vertun uns nichts, wenn man die Steuerexperten Österreichs einmal nachdenken lässt."

Spindelegger wies das nach der gestrigen Regierungssitzung zurück: "Ich stehe zum Zeitplan "Das werden wir jetzt eintakten." Die Kommission werde "demnächst starten". Inoffiziell heißt es, die SPÖ sei säumig, habe ihre drei Experten noch nicht nominiert. Jene der ÖVP stünden bereits fest.

Grund dafür, dass Schieder & Co. über den Blockierer ÖVP klagen: Der interne Druck auf Kanzler Werner Faymann, die Bürger vor 2016 zu entlasten – und der ÖVP die Reformzusage abzutrotzen, steigt. Vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl bis zum burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl – sie alle drängen auf eine Steuerreform. Teil 1 sollte schon ab Jänner 2015 greifen, sagt Niessl. In den kommenden Monaten müssten Ergebnisse her. Gebe es die nicht, sei "zu überlegen, ob diese Koalition noch sinnvoll ist. Mit Bremsern eine Koalition zu bilden, ist nicht gut für Österreich."

Rot-schwarze Phalanx

Die Gewerkschafter begehren schon seit Langem eine Steuerreform. Am Mittwoch werden sie im ÖGB-Präsidium einen entsprechenden Beschluss fassen. Bis Herbst soll ihr Modell für die politischen Verhandlungen fertig sein. Der Kern: Der Eingangssteuersatz soll von 36,5 auf 25 Prozent sinken, die "kalte Progression" weg; Vermögenssteuern seien einzuführen.

Unangenehm für ÖVP-Finanzminister Spindelegger: Die schwarzen Arbeitnehmervertreter sind mit von der Steuerreformforderungspartie. "Es muss die Entlastung so schnell wie möglich geben. Am besten schon 2015", sagt ÖGB-Vize und FCG-Mann Norbert Schnedl dem KURIER. "Der Druck der Kollegen ist enorm. Die verstehen nicht, dass von einer Lohnerhöhung nichts im Geldtascherl bleibt."

Befürwortet er Vermögenssteuern, gegen die sich seine Mutterpartei verwahrt? "Bei einer Gesamtreform mit Gegenfinanzierung sind alle Steuerarten anzudenken. Da gehören Vermögenssteuern dazu."

Vor der Wahl hatte die SPÖ ein Mobilisierungsproblem, nach der Wahl hat sie keines – was ihre Spitzenvertreter anlangt. Nach dem Motto „Der Kanzler schickt die Soldaten aus“ verteidigten gestern alle roten Regierungsmitglieder Werner Faymann. Just ein Genosse hatte ihn angegriffen. Burgenlands SPÖ-Vizechef Peter Rezar befand im KURIER, Faymann sei schuld am schlechten EU-Wahlergebnis.
Die SPÖ hat ihr Ziel, Erster zu werden, ja verfehlt. Auf nur 24,1 Prozent ist sie am Sonntag gekommen; das zweitschlechteste Wahl-Resultat im Bund in ihrer Geschichte. Für Rezar sind die Ursachen klar: Es mangle an Glaubwürdigkeit; von einer Millionärssteuer werde nur geredet. Seien Vermögenssteuern mit der ÖVP nicht zu machen, müsse Faymann die Koalition mit ihr beenden. Ein Ersatzpartner könnte die FPÖ sein.

Sie sei empört ob dieser Aussagen, tat Infrastrukturministerin Doris Bures kund. Die SPÖ kämpfe gegen Rechtspopulisten – und dann denke einer der Ihren über eine Liaison mit den Blauen nach. „Fehlgeleitet und unangebracht“ sind Rezars Äußerungen für Sozialminister Rudolf Hundstorfer: „Nach einer Wahl, bei der die hochgesteckten Wahlziele nicht zur Gänze erreicht wurden, muss man nach den Gründen suchen; das darf aber nicht in plumper Polemik enden.“

Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl verwahrt sich gegen „hysterisches Herumgrölen“. In Sachen Wahlresultat sagt er: „Ich glaube nicht, dass der Kanzler schuld ist.“ Alle müssten sich „an der Nase nehmen“. Es sei verabsäumt worden, die europäische Politik zu erklären: „Das war ein Fehler.“

Auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl weist Landsmann Rezar wegen des Kanzler-Tadels zurecht („Das ist nicht in Ordnung“). Er erhöht aber den Druck auf Faymann puncto Steuerreform (siehe Bericht oben). Im Bund ist die FPÖ für ihn zwar keine Alternative zur ÖVP, in seinem Land aber schon. Eine Mitgliederbefragung schwebt Niessl vor – darüber, „ob wir mit allen im Landtag vertretenen Parteien Koalitionsgespräche führen sollen“. Vor der Landtagswahl im Frühjahr 2015 solle das vonstatten gehen.
Zwei Jung-Rote sind in Sachen FPÖ nicht eines Sinnes mit Rezar, was dessen Kritik an Faymann anlangt schon. Wie er orten sie ein „Glaubwürdigkeitseproblem“ der SPÖ. Über Umverteilung werde gesprochen, gehandelt werde nicht, klagen die Nationalratsabgeordnete Daniela Holzinger und SJ-Chefin Julia Herr. Notfalls sei dieser Regierungsbund „zu sprengen“.

Nur 1500 Stimmen trennen die SPÖ in Tirol von den Grünen, die am Montag nach Auszählung der Wahlkarten auf den zweiten Platz katapultiert wurden. Aber die Optik ist fatal. Denn dazwischen liegt die FPÖ auf Platz drei. Die Sozialdemokraten müssen sich in Tirol somit erstmals bei einem landesweiten Urnengang mit Rang vier begnügen. Während Parteichef Gerhard Reheis Zugewinne in allen Bezirken herausstreicht und nicht von einem Abrutschen sprechen will, sieht Nationalrat Max Unterrainer wenig Grund zum Jubeln. „Man kann nicht zur Tagesordnung übergehen. Platz vier ist Platz vier.“

Die Stimmen von Martin

Dem landesweiten Plus von 3,4 Prozent fehlt es aus Sicht des 50-Jährigen vor allem aus einem Grund an Strahlkraft: „Es waren 21 Prozent Stimmen von Hans-Peter Martin zum Verteilen da. Es ist uns nicht gelungen, die zu holen. Das waren einmal SPÖ-Wähler.“ Unterrainer stellt auch die Wahlkampfstrategie infrage. Es sei zu hinterfragen, ob es genügt, sich nur auf die Kernwähler zu konzentrieren.
Vor einem Jahr hat Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) die Regierungszusammenarbeit mit der SPÖ zugunsten von Schwarz-Grün beendet. Der langjährige Juniorpartner hat seither nicht mehr in die Spur gefunden und ist mit Grabenkämpfen beschäftigt. Reheis übergibt bei einem Parteitag im Juni das Kommando. Als Nachfolger hat er den Gewerkschafter Ingo Mayr nominiert. Unterrainer spielt mit dem Gedanken, gegen ihn anzutreten.

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