Nachhilfe belastet Familien

Die Grundschüler Lisa-Marie (M), Benjamin (l) und Lea (r) lesen im Nachhilfeunterricht im Lernzentrum Schwerin am 08.03.2013 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) in einem Schulbuch. Jeder vierte Schüler in Deutschland schafft statistisch gesehen den Lehrstoff nur noch mit fremder Hilfe im teuren Nachmittagsunterricht. Mit zunehmendem Bedarf gründen sich immer mehr kleine private Lerninstitute. Foto: Jens Büttner/dpa (zu dpa-Umfrage ?Nachhilfe schon für Erstklässler gefragt? vom 09.03.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Drei Viertel der Eltern lernen mit ihren Kindern für die Schule.

Schule ist für Familien immer noch einer der größten Stressfaktoren: Ein Drittel der Eltern lernt täglich am Nachmittag mit den Kindern, 75 Prozent mindestens einmal pro Woche. Das zeigt das aktuelle „Nachhilfebarometer“ der Arbeiterkammer (AK). Damit aber nicht genug: Zusätzlich gaben österreichische Familien für bezahlte Nachhilfe heuer 109 Mio. Euro aus. Vergangenes Jahr waren es noch 101 Mio. Euro. Am meisten wenden die Wiener für die schulische Unterstützung auf: 40 Mio. Euro - eine Menge Geld.

Nachhilfe belastet Familien

„Die Lernbelastung der Familien lässt nicht nach“, zieht AK-Präsident Rudolf Kaske bei einer Pressekonferenz Resümee. Es gelte das Motto: „Alles wird gut, aber derzeit ist nix besser.“ Das Problem sei dabei nicht das gelegentliche Unterstützen der Kinder, meinte die Leiterin der AK-Abteilung Bildungspolitik, Gabriele Schmid. „Ab und zu Vokabel Lernen macht vielleicht sogar Spaß.“ Es könne aber nicht sein, dass die Verantwortung für den Lernerfolg der Kinder in die Wohnzimmer der Familien abgewälzt werde, so Kaske.

Volksschule

Am häufigsten lernen die Eltern von Volksschülern mit ihren Kindern: 56 Prozent tun dies täglich, 19 Prozent zwei- bis dreimal und zehn Prozent einmal pro Woche. Besser sieht es an den Ganztags-Volksschulen aus: Aber auch hier helfen 23 Prozent der Eltern jeden Tag. „Das ist immer noch viel zu viel“, so Schmid. Der Bund sollte die Mittelvergabe an die Länder deshalb stärker mit Qualitätskontrollen verknüpfen.
In der AHS-Unterstufe, den Haupt- und Neuen Mittelschulen sind jeweils rund 30 Prozent der Eltern täglich mit den Kindern am Lernen, der gleiche Prozentsatz unterstützt die Kinder zwei- bis dreimal pro Woche. In den Oberstufen reduziert sich dieser Prozentsatz dann deutlich - jeweils ein Viertel ist aber auch hier mindestens einmal pro Woche als Nachhilfelehrer aktiv. „Die elterliche Unterstützung wendet sich da schon ins Finanzielle“, so Schmid. Rechnet man die elterliche Lernhilfe in Vollzeitäquivalente um, kommt man auf rund 48.000 Beschäftigte.
Bezahlte Nachhilfe nehmen zwölf Prozent der Familien in Anspruch. Am höchsten ist der Prozentsatz hier bei AHS-Oberstufenschülern (26 Prozent), gefolgt von den Jugendlichen an berufsbildenden höheren Schulen (BHS) mit 19 Prozent und den AHS-Unterstufenschülern mit 16 Prozent. Die Ausgaben belaufen sich dabei über alle Schularten gerechnet auf durchschnittlich 666 Euro im Jahr: Die höchste finanzielle Belastung gibt es auch hier bei den AHS-Oberstufenschülern (865 Euro), gefolgt von den BHS (701 Euro) und den AHS-Unterstufen (695 Euro). Besonders stark nachgefragt wird Nachhilfe in der Mathematik (60 Prozent), gefolgt von den Fremdsprachen (44 Prozent).

80 Prozent erfolgreich

Das häufig gehörte Argument, Schüler bräuchten Nachhilfe, weil sie an der falschen Schule sitzen, will man bei der AK nicht gelten lassen: "Bei 80 Prozent der Nachhilfeschüler ist der Extra-Unterricht erfolgreich. Das heißt: Die Schüler sind in der Lage, den Stoff zu bewältigen." Ein besonderes Armutszeugnis sei es, wenn Lehrer Eltern anraten, Nachhilfe zu nehmen. Lernen hat in der Schule stattzufinden", sagt Kaske.

Dass Nachhilfe nötig ist, liege aber nicht nur an den Lehrern, die Probleme hätten, den Stoff zu vermitteln: "Vielen Schülern fehlen die Grundlagen. Es wäre vor allem im Fach Mathematik besser, sich dafür mehr Zeit zu nehmen. Die Lehrplan gibt vor, dass er den Stoff durchpeitscht", sagen die Experten in der AK.

Doppelt benachteiligt sind laut Kaske Kinder von Eltern, die selbst nur geringe Schulabschlüsse haben: Diese könnten einerseits den Kindern nicht helfen, sich aber umgekehrt auch bezahlte Nachhilfe seltener leisten.
Lösungsansätze sieht die AK etwa im Ausbau des Förderunterrichts an den Schulen. Dieser werde aufgrund komplizierter und bürokratischer Vorgaben zu selten angeboten. So müsse etwa an den AHS eine gewisse Gruppengröße erreicht werden, dazu müssten dafür auch noch ausreichend Lehrer-Unterrichtsstunden und ein Raum zur Verfügung stehen, so Schmid. Auch eine qualitativ hochwertige Ganztagsschule könne Familien entlasten. In Ganztagsvolksschulen müssen 23 Prozent de Eltern ihre Kinder außerhalb der Schule unterstützen. In Schnitt sind es an allen Volksschulen 56 Prozent.
Für das „Nachhilfebarometer“ wurden im März und April von IFES österreichweit 3.000 Haushalte mit 5.060 Schulkindern befragt.

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