Höchste Flüchtlingszahl seit Prager Frühling

70.000 Asylanträge werden heuer erwartet - Österreich an der Spitze bei Anträgen pro Kopf.

Heute, Dienstag, will Johanna Mikl-Leitner beim Ministerrat auf den Tisch klopfen: Von der gesamten Regierung fordert sie im KURIER-Gespräch einen „Schulterschluss in der Asylpolitik“, um innerhalb Österreichs und in der EU stärker aufzutreten (mehr dazu hier).

Was wenig daran ändern wird, dass sich die Quartiersuche für Flüchtlinge - und die Diskussionen rund um das Thema - in den kommenden Wochen noch schwieriger gestalten dürfte. Denn das Innenministerium hat seine Prognose für das laufende Jahr weiter nach oben revidiert. Erwartet werden 70.000 Asylanträge und damit so viele Flüchtlinge wie seit dem Sowjet-Einmarsch in der CSSR nicht mehr.

Zielland Nummer eins

Bisher war das Innenressort von 50.000 Anträgen ausgegangen. Doch die steigende Zahl an Ansuchen in den vergangenen Wochen hat die Prognosen nach oben schnellen lassen. Wie das Ministerium gegenüber der APA bekannt gab, war Österreich im Mai mit Schweden bereits Zielland Nummer eins in Europa auf die Bevölkerungszahl gerechnet.

Alleine vergangene Woche wurden 1781 Anträge gezählt. Zusammengezählt waren es im vergangenen Monat in Österreich 6.240. Gesamt sind in den ersten fünf Monaten 2015 bereits 20.620 Asylanträge eingetroffen.

Ob in jüngerer Vergangenheit mehr Flüchtlinge zu versorgen waren, ist nicht eindeutig feststellbar. Die Statistiken des Innenressorts, die bis ins Jahr 1980 zurückgehen, zeigen kein Jahr, in dem es auch nur annähernd 70.000 Anträge gab.

Spitzen gab es etwa 1981 mit gut 34.500 Ansuchen, 2002 mit rund 39.300 Anträgen oder 2003 mit knapp 32.400, doch an die sich nun abzeichnenden Zahlen kam kein Jahr heran. Allerdings wurden beispielsweise in den 1990er-Jahren (begonnen mit 1992 bis 1998) gesamt rund 90.000 Bosnier aufgenommen, ohne dass diese einen Asylantrag stellen mussten.

Definitiv eine größere Anzahl an Flüchtlingen zu versorgen war nach der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands durch die Sowjetunion, als 1956/1957 rund 180.000 Menschen aus dem Nachbarland nach Österreich kamen, sowie nach dem Einmarsch der "Warschauer Pakt"-Staaten in der Tschechoslowakei, als im Jahr 1968 etwa 162.000 Menschen die Flucht über die Grenze antraten.

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