Politiker im Unruhestand

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Sie wären im Pensionsalter. Ans Aufhören denken sie aber nicht. Warum Fischer, Häupl, Pröll & Co Terminstress dem Müßiggang vorziehen.

Diese Woche ging es bei Josef Pühringer besonders rund. Nicht nur die obligaten Polit-Termine hatte der oberösterreichische Landeshauptmann zu erledigen. Es gab auch solche privater und halbprivater Natur. Den 65er beging der ÖVP-Mann vergangenen Donnerstag. Bei einem "Er Lebe Hoch" in seinem Büro im Linzer Landhaus – und "bei einem gemütlichen Beisammensein mit der Familie".

Das Gros der Österreicher ist mit 65 längst im Ruhestand; im Schnitt wird hierzulande mit knapp 59 Jahren in Pension gegangen. Für Pühringer ist Rente keine Thema. Anfang Oktober ist er beim Parteitag mit 99,4 Prozent Zuspruch als schwarzer Landeschef bestätigt worden; bei der Landtagswahl im kommenden Jahr wird er neuerlich Spitzenkandidat sein. Sein Wiener SPÖ-Gegenüber Michael Häupl will es ebenfalls noch einmal wissen. Der Bürgermeister und Landeshauptmann in Personalunion wurde im September 65 – und ist seit 20 Jahren im Amt. 2015 ist er erneut Frontmann der Stadt-Roten.

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Josef Pühringer (geb. 1949) ist seit 1973 in der Politik. 1995 wurde er erstmals Landeshauptmann von Oberösterreich. Im Frühjahr hat er bekannt gegeben, 2015 wieder ÖVP-Spitzenkandidat zu sein

Warum tun sich Häupl und Pühringer das an – angesichts der Alternative, politikfrei die Seele baumeln zu lassen? "Weil ich von breitem Vertrauen getragen bin – und mir die Arbeit noch immer Freude macht. Jeden Tag fällt mir etwas Neues ein", sagt Pühringer, der seit März 1995 Landeshauptmann ist, dem KURIER. "Abgesehen davon: Ich hatte nie vor, Frühpensionist zu werden."

Andere Langzeit-Politiker argumentieren ähnlich. Auch Erwin Pröll (67), der seit 22 Jahren Niederösterreich absolut regiert, spricht von "Freude", von "Auftrag und Verpflichtung aus Wahlen". Zudem glaube er, "dass man mit über 60 noch etwas arbeiten soll, wenn man gesund ist". So hält es auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (65). Im Februar führt er den ÖVP-Wirtschaftsbund in die Kammerwahl: "Meine Freunde haben mich gebeten, wieder als Präsident anzutreten. Das werde ich gerne tun." Überdies: "Es sollte nicht üblich sein, mit 59 Jahren in Pension zu gehen."

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Michael Häupl (geb. 1949) werkt seit zwei Jahrzehnten als Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien. Wie Pühringer wird Häupl, der derzeit mit den Grünen regiert, erneut für die Stadt-SPÖ kandidieren

Arbeit als Privileg?

Dass das viele nicht freiwillig machen, sondern von Chefs als "zu alt und zu teuer" verabschiedet werden, gesteht Pröll zu: "Ich halte es für einen Fehler, Menschen frühzeitig in Pension zu schicken. Dabei geht viel an Expertise und Erfahrung verloren."

Sein Parteifreund Pühringer relativiert: "Ich bedaure, dass in manchen Bereichen der Wert der Erfahrung nicht erkannt wird. Wir machen aber jene mehr Sorgen, die das möglichst frühe Pensionsalter als besonderes Lebensziel ansehen." Pühringers Landsmann Leitl tut kund: "Pension ist für mich ein Fremdwort." Er redet von "unterschiedlichen Lebensphasen"; und hat eine Weisheit parat: "So lange der Mensch strebt, ist er gesund, sonst geht er zugrund."

Könnte es auch sein, dass die Landeshauptleute nicht abdanken, weil es keinen adäquaten Nachfolger gibt? Nein, heißt es da wie dort. Pröll: "Gott sei Dank gibt es in meiner Gesinnungsgemeinschaft viele Hoffnungsträgerinnen und -träger."

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Erwin Pröll (geb.1946) wurde 1992 Landeshauptmann von Niederösterreich. Seither regiert er dort als einziger Landeschef Österreichs mit absoluter Mehrheit. Die Amtsperiode des ÖVPlers endet 2018

Leitl & Co sind nicht nur überdurchschnittlich lange berufstätig, sie scheinen auch außergewöhnlich robust zu sein. "Meine Aufgaben sind anstrengend, aber ich fühle mich nicht überlastet", sagt Bundespräsident Heinz Fischer, der am 9. Oktober 76 geworden ist, dem KURIER. Landeshauptmann Pröll sekundiert: "Ich kenne keinen Stress, bei mir gibt es nur die Notwendigkeit von Disziplin, um manche 7-Tage-Woche oder manche 14-Stunden-Tage zu bewältigen." Von "eher mehr Arbeitspensum als früher, weil die Zeiten schwieriger sind", spricht Pühringer: "Bei mir ist die 40-Stunden-Woche schon am Mittwochabend erreicht." Ebenso ergeht es Leitl: "Ich arbeite 100 Stunden pro Woche. Meine 89-jährige Mutter sagt immer: ,Bua, du bist wie a Kerzn, die an beiden Enden brennt‘."

Angst vor Machtverlust?

Allesamt beteuern, nicht noch dort zu sein, wo sie sind, weil sie von der Macht nicht lassen können. "Ich werde genau am 8. Juli 2016 um die Mittagszeit ,loslassen‘", sagt der Bundespräsident, der seit zehn Jahren in der Hofburg gastiert – und nach der zweiten sechsjährigen Periode nicht mehr kandidieren darf. "Ich habe keine Angst, dass ich unter Machtentzug leide", sagt Pühringer. Pröll formuliert es so: "Wer vor Wahlen Versprechen abgibt, hat sie einzulösen. Macht oder Kraft hängen in meinem Fall vom Vertrauen meiner Wählerinnen und Wähler ab – und sind nur geliehen. Wer das weiß, kann auch damit umgehen, sie eines Tages nicht mehr zu haben." Für Wirtschaftskämmerer Leitl kommt "Macht" von "machen können. Insofern stellt sich die Frage des Loslassens nicht."

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Christoph Leitl (geb. 1949) war Abgeordneter, Landesrat und Landesvize in Oberösterreich. Seit dem Jahr 2000 ist der ÖVP-Mann Wirtschaftskammerpräsident. Für dieses Amt kandidiert er 2015 wieder

Wenn es einmal so weit ist, werde er keinen "Pensionsschock" bekommen, meint Pühringer: "Ich glaube nicht, dass ich vereinsame. Ich habe mir Freundeskreise bewahrt. Außerdem gibt es so viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Ein weggesperrter Sonderling werde ich sicher nicht werden." Sein niederösterreichisches Pendant Pröll versichert: "Angst ist in meinem Leben nie Begleiter gewesen. Nichts zu tun zu haben, wird mir nicht passieren." Pühringers ehemaliger Landeshauptmann-Stellvertreter Leitl hat ein weiteres Rezept gegen den Rentenkoller. Er setzt darauf, seine jugendlichen Ideale zu bewahren: "Man kann in jeder Phase des Lebens aktiv sein. Wasser kommt in den Wein der Jugend, aber bitte immer nur so viel Wasser, dass der Wein noch herausschmeckt."

Und wie geht es der Familie der Herren, die nach wie vor rund um die Uhr werken? Gut, erklärt Fischer, der zweifacher Vater und Großvater ist: "Auch meine zweite Kandidatur und die Konsequenzen dieser Kandidatur waren und sind mit meiner Frau abgesprochen."

Landeschef Pröll vermeldet ebenfalls, damit kein Problem zu haben: "Meine Frau und meine vier Kinder kennen mich Zeit ihres Lebens als Politiker. Sie sind mit in dieses Leben hineingewachsen. Sie wissen, dass mich meine Arbeit glücklich macht – und sind mit mir darüber glücklich."

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Heinz Fischer (geb.1938) war SPÖ-Abgeordneter, SPÖ-Klubchef, Wissenschaftsminister und Erster Nationalratspräsident. Seit 2004 residiert er in der Wiener Hofburg, 2010 wurde er im Amt bestätigt

Wie und wann spannen die rastlosen Nicht-Rentner aus? Pühringer und Fischer zieht es in die Natur, Leitl, der täglich zwischen Linz und Wien pendelt, tritt einen Tag in der Woche kürzer: "Ich bin ein Fan des Sonntag. Der beginnt mit dem Kirchgang, hernach geht es ins Wirtshaus, dann bin ich mit der Familie und meiner Mutter zusammen. Der Sonntagabend endet nicht zu spät mit einem guten Glaserl Wein. Am Montag geht es nämlich um halb sechs wieder an die Arbeit."

Porträt Michael Häupl:

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