Bankgeheimnis abschaffen: ÖVP rudert zurück
Das Ende des Bankgeheimnisses in seiner ursprünglich geplanten Form dürfte schon wieder passe sein. VP-Klubchef Reinhold Lopatka versicherte am Dienstag nach weiter anhaltender innerparteilicher Kritik, dass die Vorlage in der vorliegenden Fassung nicht umgesetzt werde. Die SPÖ reagierte verärgert. Klubchef Andreas Schieder vermisst Handschlag-Qualität des Koalitionspartners.
Niessl hat Bedenken
Doch nun hat auch ein Spitzenroter Bedenken. Der wahlkämpfende burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl sagt zum KURIER: „Es muss darum gehen, die Steuerhinterzieher und Geldwäscher, die den Staat im großen Stil betrügen, zu erwischen. Es kann nicht darum gehen, die hart arbeitenden Menschen, die ihr mühsam Erspartes für die Pension oder für die Pflege zusammenhalten, unter Generalverdacht zu stellen.“
Ohne Sanktus eines Richters sollte kein Finanzbeamter auf ein Konto sehen dürfen: „Der Richter ist die beste Variante. Das muss aber der Justiz- mit dem Finanzminister diskutieren, vielleicht findet man etwas Vergleichbares. Missbrauch darf es nicht geben.“ Klubchef Schieder äußerte sich dazu nicht.
ÖVP-Skepsis
Den Stein ins Rollen gebracht hatte der im Wahlkampf-Modus laufende steirische VP-Obmann Hermann Schützenhöfer, der vergangene Woche mit dem Nein "seiner" Abgeordneten im Nationalrat gedroht hatte, sollte die Möglichkeit zur einfachen Konto-Einschau wie geplant kommen. Übers Pfingstwochenende folgten Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), ÖAAB-Obfrau Johanna Mikl-Leitner und Justizminister Wolfgang Brandstetter mit Skepsis gegenüber der Vorlage des Finanzministeriums.
Diese ist spätestens seit Dienstag nicht mehr Parteilinie der ÖVP. Bei dem Begutachtungsentwurf handle es sich lediglich um "den Wunsch der Spitzenbeamten des Finanzministeriums", sagte Klubchef Lopatka bei einer Pressekonferenz und ergänzte, es sei eben nur eine "Variante", die im Zuge der Begutachtung noch nachjustiert werde.
Änderungen gewünscht
Dass die Fraktionsspitze nun einlenkt, überrascht insofern nicht, als auch am Dienstag aus mehreren Ländern der Wunsch nach Änderungen laut wurde. Eine Einsichtnahme in ein Konto dürfe es grundsätzlich nur unter bestimmten Bedingungen geben, auszuschließen seien "Automatismus und Willkür", meinte etwa Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Sein Salzburger Amtskollege Wilfried Haslauer (ÖVP) erkannte im Begutachtungsentwurf "Änderungsbedarf", etwa in der Frage der Konteneinschau. Genauso sehen das die Landesparteichefs im Burgenland, in Wien und in Kärnten.
Die SPÖ freut die Debatte wenig. Klubchef Schieder richtete der ÖVP im Gespräch mit der APA aus: "Man muss in einer Koalition zu dem stehen, was ausverhandelt worden ist." Immerhin handle es sich um einen "Entwurf des ÖVP-Finanzministers, der einstimmig beschlossen wurde". Es gehe nicht, dass die Volkspartei zu jedem einzelnen Punkt der Steuerreform nachverhandeln wolle.
Als möglicher Kompromiss galt zuletzt, dass ein richterlicher Beschluss als Voraussetzung für eine Konteneinsicht etabliert wird. Schieder lehnt dies ab, da im Entwurf klargestellt sei, dass es nur bei begründetem Verdacht zu einer Einschau kommen könne. Anders sieht das freilich der dem Wahlsonntag entgegeneilende burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ). Er würde die Einbeziehung eines Richters oder einer Einrichtung, "die Missbrauch garantiert ausschließt", bevorzugen.
Verfassungsmehrheit
Ganz ohne eine Regelung dieser Art dürfte es letztlich nicht gehen, denn auch die Grünen, deren Zustimmung die Koalition für die Verfassungsmehrheit benötigt, sind mittlerweile auf diese Linie eingeschwenkt. Vizeparteichef Werner Kogler meinte am Dienstag, für Grenzfälle brauche es eine gerichtsähnliche Instanz. Die übrigen Oppositionsparteien lehnten am Dienstag das Defacto-Ende des Bankgeheimnisses ein weiteres Mal überhaupt ab.
Bis die Sache parlamentarisch noch einmal durchgesprochen wird, dauert es allerdings. Team Stronach und NEOS haben zwar am Dienstag wie angekündigt ihren Antrag auf Sondersitzung des Nationalrats zu Bankgeheimnis und gläsernen Kassen eingebracht, stattfinden wird das außertourliche Plenum aber erst Montag übernächster Woche.
Geht es nach Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), sollen Finanzbeamte künftig "bei begründetem Verdacht" auf Steuerhinterziehung in Konten schauen dürfen – ohne Richter-Sanktus. Ganz ohne Kontrolle wird es aber nicht gehen, das zeichnet sich ab.
Nicht nur die Neos wettern gegen das Vorhaben, auch die steirische ÖVP und Justizminister Wolfgang Brandstetter stoßen sich, wie berichtet, an den Plänen. Sie stellen die Relationen infrage: Bei mutmaßlichen Terroristen müsse etwa ein Richter die Erlaubnis erteilen, ehe Polizei und Justiz Konten überprüfen können.
Auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig stellt klar, dass ihre Partei den Schelling-Plänen nur zustimmen wird, wenn bei Finanzstrafverfahren "ein Rechtsschutz eingeführt wird, der jenem im gerichtlichen Strafverfahren entspricht". Das könne etwa durch einen Senat oder einen Rechtsschutzbeauftragten gewährleistet werden, heißt es in der Öko-Partei. Schelling braucht deren Stimmen für eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament.
Pröll warnt Schelling
Gegenwind kommt auch aus Niederösterreich. Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) hat "massive Bedenken", weil mit dem geplanten Gesetz "alle Österreicher unter Generalverdacht gestellt" würden. Er rät dem Finanzminister "dringend, seine Vorgangsweise zu überdenken".
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