Asyl: Mitterlehner sieht EU gefordert

Asyl: Mitterlehner sieht EU gefordert
Grenzkontrollen laut Vizekanzler keine Lösung.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht angesichts der "Art Völkerwanderung", die auf Europa zukomme, vor allem die EU gefordert. In der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast" am Samstag kritisierte er aber auch, dass mit dem Thema Asyl in den letzten Landtagswahlkämpfen "gespielt" worden sei, und zwar "teilweise frivol".

Es brauche Solidarität in der EU, forderte Mitterlehner eine Quote zur Aufteilung von Flüchtlingen auf die Mitgliedstaaten, auch müsse man die Kooperation mit afrikanischen Staaten forcieren. Dass das Thema Asyl aber vor Wahlen so sehr "missbraucht" werde, habe er sonst nirgends gesehen, sagte Mitterlehner. Grenzkontrollen sieht der Vizekanzler nicht als Lösung: Man werde nicht überall in Europa "Mauern und Zäune" errichten können. Man müsse das Problem systematisch unter Beteiligung aller Betroffenen lösen, betonte Mitterlehner.

Die jüngsten Vorstöße von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), in dem er sich in Österreich Bezirksquoten zur faireren Verteilung der Asylwerber und die Öffnung von Schulen und Studentenheimen wünschte (der KURIER berichtete), werde man kommende Woche diskutieren, erklärte Mitterlehners Sprecherin.

Details zum Plan Werner Faymanns - Max. 500 Flüchtlinge pro Bezirk

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache warf der Regierung indes vor, mit ihrer Asyl-Politik "das Tor für illegale Einwanderer immer weiter" aufzumachen. Die quotenmäßige Verteilung von Asylwerbern - "die Mehrheit sind Wirtschaftsflüchtlinge" - auf ganz Österreich sei "weder fair noch löst sie das wirkliche Problem", meinte er zu Faymanns Vorschlag.

Diskussionen sind jedenfalls vorprogrammiert, denn eine Bezirksquote würde je nach Region unterschiedliche Folgen haben: Für die 80 Bezirke und 15 Statutarstädte soll es nach Vorstellung des Kanzlers wie bei der Quote der Bundesländer entsprechend der Bevölkerungszahl einen Aufteilungsschlüssel geben. Laut Daten des Bundeskanzleramts (Stand 17. Juni, rund 39.000 Personen in Grundversorgung) gibt es in jedem Bundesland Bezirke, die die angenommene Quote übererfüllen und welche, die darunter liegen.

Von 0 bis 421 Prozent

Das allerdings teils deutlich, in beide Richtungen: Vor allem in Niederösterreich weist das Kanzleramt einige Bezirke mit über 200 Prozent Quotenerfüllung aus. An der Spitze findet sich mit 421 Prozent erwartungsgemäß Baden, wo die chronisch überfüllte Erstaufnahmestelle Traiskirchen liegt, aber auch Lilienfeld (337 Prozent), St. Pölten (270 Prozent) oder Waidhofen an der Ybbs (245 Prozent) haben hohe Werte. Wien kommt auf 110 Prozent.

Demgegenüber gibt es mit der burgenländischen Freistadt Rust einen Nuller, und auch sonst liegen laut Kanzleramt einige unter 20 Prozent: Eisenstadt-Umgebung (13 Prozent), Jennersdorf (15 Prozent), in Niederösterreich Bruck an der Leitha (neun Prozent), Gänserndorf (zwölf Prozent), Korneuburg (13 Prozent), Mistelbach (17 Prozent), Waidhofen an der Thaya (zwölf Prozent) und Zwettl (18 Prozent).

Widerstand gegen Mikl-Leitner-Plan

Unterdessen setzten nach einem Treffen am Freitag in St. Pölten die ersten Diskussionen darüber ein, wo genau in den vier besonders säumigen Bundesländern Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ihre Bundesquartiere platzieren will. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) kündigte gleich einmal per Aussendung rechtlichen Widerstand an, sollte es das schon länger in Betracht gezogene ehemalige Postgebäude in der Derfflingerstraße treffen. Auch der oberösterreichische FPÖ-Landesrat Manfred Haimbuchner deponierte sein "Nein".

Im Innenministerium nannte man allerdings am Samstag weiterhin keine konkreten Pläne. Ein Sprecher verwies einmal mehr darauf, dass man zuerst mit regionalen Verantwortlichen und Bürgermeistern sprechen wolle.

Aktuell schaut es laut Innenministerium übrigens danach aus, dass man übers Wochenende zumindest keine neuen Zelte für die Flüchtlinge braucht.

Asyl: Mitterlehner sieht EU gefordert
Untergebrachte Flüchtlinge im Vergleich zur vom Bundeskanzleramt vorgeschlagenen Bezirksquote - Bezirkskarte Grafik 0723-15-Asyl.ai, Format 88 x 68 mm

Liste mit den Quoten aller Bezirke: Asyl-Datentabelle

Dieses Forum wurde geschlossen.

Was wir in Europa fordern, werden wir jetzt in Österreich umsetzen: Klare Regeln und eine faire Verteilung von Flüchtlingen", kündigt Bundeskanzler Werner Faymann an. Mit einem Sechs-Punkte-Plan, der dem KURIER vorliegt, will der Kanzler den innerösterreichischen Konflikt um die Unterbringung von Asylwerbern lösen. Die zentralen Punkte sind:

Faire Verteilung auf Bezirke

Den 80 Bezirken und 15 Statutarstädten kommt eine größere Rolle zu. Wie bei der Bundesländer-Quote ist entsprechend der Bevölkerungszahl ein Aufteilungsschlüssel vorgesehen. In den meisten Bezirken wären dies 100 bis 500 Personen (siehe Karte). Der ORF-Report hat erhoben, dass 68 Prozent aller österreichischer Gemeinden keinen einzigen Asylwerber aufgenommen haben. In der Karte sind sie gelb markiert (Menschen in Betreuungsstellen des Bundes, wie Bad Kreuzen, Thalham, Reichenau, Traiskirchen und Wien sind in der Gemeindestatistik nicht erfasst; Anm.)

Asyl: Mitterlehner sieht EU gefordert

Steuerungsgruppe

Technisch soll auf Bezirksebene eine Steuerungsgruppe eingerichtet werden, die für Beratung und asylpolitische Fragen zuständig ist. Der Bezirkshauptmann, Gemeinde-Vertreter, soziale Organisationen, Kirchen, private Initiativen sollen die Steuerungsgruppe bilden.

Öffnung von Heimen

1500 Plätze sollen kurzfristig im Sommer in Bundesschülerheimen zur Verfügung stehen. Auch Studentenheime und Internate werden für Flüchtlinge geöffnet.

Private Unterbringungen

Weiters sollen Wohnungsbörsen eingerichtet und private Unterkünfte gesucht werden, um unbürokratisch Betroffene unterzubringen. Auch während der Kriege in Ex-Jugoslawien habe dies gut funktioniert.

Keine unbegründete Grundversorgung

Eine Maßnahme ist, anerkannte Asylberechtigte, die eine volle Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung haben, nicht länger unbegründet in der Grundversorgung zu halten, die vier Monate gilt. Sehr oft sind anerkannte Asylberechtigte aber ein Jahr oder länger in der Grundversorgung.

Rückübernahme-Abkommen erweitern

Geplant ist auch, Personen, denen nach höchstgerichtlicher Überprüfung keine Gefahr in ihrem Herkunftsstaat droht, rasch in ihre Heimat zu überstellen. Dies scheitert oft an fehlenden Rückübernahme-Abkommen. Im Bundeskanzleramt heißt es, das Außenministerium soll daher mit weiteren Staaten Rückübernahme-Abkommen schließen. Deutschland etwa habe viel mehr Abkommen als Österreich.

Konkretisiert werden sollen die Pläne nächste Woche. Montagmittag trifft die Regierung mit Vertretern sozialer Organisationen und NGOs zusammen, Mittwochnachmittag mit den Landeshauptleuten.

Faymann ist mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner übereingekommen, bei den Gipfelgesprächen nächste Woche "gemeinsame Aktivitäten" zu setzen. Der Kanzler habe mit dem Vizekanzler über die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bezirke gesprochen. "Es ist die Aufgabe aller politisch Verantwortlichen, hier Lösungen zu finden und sich nicht um dieses Thema herum zu drücken", erklärt Faymann.

Eine am Freitag veröffentlichte Umfrage der Volkshilfe kommt zu dem Schluss, dass die Mehrheit der 1000 Befragten, nämlich 64 Prozent, dafür ist, dass Österreich "schutzbedürftigen Menschen Asyl gewähren" soll.

Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger appelliert an die Ortschefs, "beherzter" bei der Unterbringung vorzugehen. "Zwei Drittel der Gemeinden haben keinem einzigen Flüchtling Herberge gegeben." Dabei reagiere die Bevölkerung auf Quartiere für Schutzsuchende mit einer "Welle von Solidarität", weiß Fenninger.

Liste mit den Quoten aller Bezirke: Asyl-Datentabelle

Kommentare