"Wir führen den Hammer"

"An der geballten Kraft von Arbeiterkammer und ÖGB kommt niemand vorbei", hieß es im Wiener Austria Center, wo rund 5000 Betriebsräte auf die "Lohnsteuer-Kampagne" eingeschworen wurden.
Der ÖGB inszeniert seine Steuer-Kampagne als Show, bei der nicht nur Foglar "das Herz aufging".

Es gibt Tage, da wirkt er irgendwie grimmig, der Erich Foglar: Die Stirn in Sorgenfalten geworfen, zeigen seine Mundwinkel scharf nach unten. Und der Blick? Der ist taxierend, kritisch.

Es gibt aber auch andere Tage. Solche, an denen der Gewerkschaftspräsident einem zur Begrüßung freundschaftlich auf die Schulter klopft; an denen er viel und ausgelassen lacht; an denen er sich gibt wie, nun ja, wie eben gestern, im Wiener Austria Center.

"Mia geht des Herz auf!", posaunte der ÖGB-Boss im breiten Werkzeugmacher-Dialekt vom Podium. Foglar war prächtig gelaunt, und es war nicht schwer zu erraten, warum: Der ÖGB hatte in die Bundeshauptstadt geladen, um Belegschaftsvertreter auf die "Lohnsteuer runter!"-Kampagne einzuschwören. Der Andrang war noch größer als beim ÖGB-Kongress, der nur alle vier Jahre stattfindet. 5000 Betriebsräte und Personalvertreter drängten ins Austria Center. Freie Sitzplätze gab es nicht, man stand in den Gängen, vor den Türen.

Das Interesse an Thema und Kampagne, das war der eine Grund für Foglars Laune.

Ein anderer war wohl die Art, wie die ÖGB-Maschinerie ihre Forderung nach einer Lohnsteuer-Entlastung vorbrachte – oder genauer: Wie der Kampagnenleiter des ÖGB, Willi Mernyi, das Ziel einer Steuersenkung inszenierte: Perfekt gemachte Image-Filme, mit dramatischer Musik und leicht verständlichen Zahlen, flimmerten über die überdimensionale Leinwand. Die eingeblendeten Ziffern zeigen auf einen Blick: In Österreich wird Arbeit dramatisch hoch und Vermögen dramatisch niedrig besteuert.

Mit Feuereifer und Selbstironie zeigt Mernyi seinen Gewerkschaftskollegen, dass es keine 20 Sekunden braucht, um auf der neuen Homepage auszurechnen, wie viel sich Arbeiter im Jahr sparen würden – vorausgesetzt, die Regierung baut auf das Steuerreform-Modell des ÖGB.

Vor einigen Jahren wäre bei einer solchen Veranstaltung wohl einfach verlesen worden, dass 688.759 Menschen für die ÖGB-Kampagne unterschrieben haben. Nicht so heute: Zeremonienmeister Mernyi zelebriert die Zahl und stellt drei Mitarbeiter aus der ÖGB-Poststelle ins Rampenlicht.

Poststelle? Wie? Was?

"Das sind die drei Kollegen, die jede Unterschrift einzeln gezählt haben", sagt Mernyi. Und plötzlich ist alles klar: Wir lassen uns als Gewerkschaft nicht nachsagen, wir würden Unterschriften doppelt verbuchen.

Panikorchester

Unsauber? Unehrlich? Das sind hier die anderen – womit wir bei Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer wären. Über sie bzw. deren "Mittelstandskampagne" hat man im Austria Center nichts Gutes zu sagen.

Schon gar nicht Rudi Kaske. Der frisch gewählte Boss der Arbeiterkammer wettert gegen das "Panikorchester der Millionäre" und sichert den mehr als 5000 Zuhörern zu, was sie ohnehin wissen: Auch die Arbeiterkammer will mächtig Druck machen. "An der geballten Kraft von AK und ÖGB kommt niemand vorbei, wir führen den Hammer", sagt Kaske – und hat zwei Spots mitgebracht, die ab heute im Fernsehen zu sehen sein sollen – "Gerechtigkeit muss sein!"

Amerikanisch

Die Moderation, die Video-Einspielungen, dazu die Inszenierung der eigenen Funktionäre: Das alles wirkt an diesem Donnerstag sehr professionell, ja, es erinnert beinahe an amerikanische Wahlveranstaltungen.

Dazu gehört auch die abschließende Rede Foglars, die gespickt ist mit Bildern und Zahlen, die hängen bleiben. "Laut einer Studie der Bank of Switzerland gib es in Österreich 33 Euro-Milliardäre", sagt er. "Diese 33 Menschen hatten im Vorjahr ein Vermögen von 119 Milliarden Euro, im Jahr davor waren es 109 – also um zehn Milliarden weniger. Unsere Steuerreform kostet ein bisserl mehr als die Hälfte." Mehr muss man zu "fairen Vermögenssteuern" nicht sagen. Nach einer Viertelstunde ist das Referat zu Ende. "Aber unsere Kampagne", sagt er, "ist erst vorbei, wenn das Parlament die Steuersenkung beschlossen hat." Der Saal steht, alles klatscht, und Erich Foglar? Richtig, er lächelt.

ÖGB und AK haben ein Modell für eine Steuerreform im Ausmaß von 6 Milliarden Euro vorgelegt, das Arbeitnehmern zwischen 400 und 3100 Euro pro Jahr bringen soll. Die Vorschläge zur Gegenfinanzierung sind vage: 2 Milliarden durch Vermögenssteuern; 2 Milliarden durch Reformen, Streichung von Förderungen und Ausnahmen im Steuersystem etc.; 1 Milliarde durch Kampf gegen Steuerbetrug; 1 Milliarde durch Konsum- und Konjunkturbelebung.

Kommentare