Vor Wahlen: Erdogan droht offen Journalisten

Erdogan droht Journalisten
Für die Veröffentlichung kritischer Berichte würden Redakteure „schwer bezahlen“, so der türkische Präsident.

Wenige Tage vor den Parlamentswahlen droht der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan einer kritischen Zeitung, dass deren Berichterstattung Konsequenzen haben würde. Die Berichterstattung der regierungskritischen „Cumhuriyet“ grenze an Spionage, sagte Erdogan bei einer Rede am Sonntag, wie türkische Medien am Montag berichteten. Die Journalisten, welche über eine angebliche Waffenlieferung des türkischen Geheimdienstes MIT an syrische Extremisten berichtet hätten, würden dafür „schwer bezahlen“, er werde sie nicht durchkommen lassen, so Erdogan. Der Chefredakteur der „Cumhuriyet“, Can Dündar, verteidigte in der Montagsausgabe des Blattes seine Berichterstattung. „Wir sind keine Staatsbeamten, wir sind Journalisten“, schrieb Dündar. Die Zeitung habe lediglich Bilder derjenigen veröffentlicht, die mit ihrer Arbeit die Republik verteidigen würden.

Die „Cumhuriyet“ hatte am Freitag berichtet, der türkische Geheimdienst MIT habe Rebellengruppen dabei unterstützt, Waffen an Rebellengruppen ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien zu schmuggeln. Das Blatt veröffentlichte Fotos vom Jänner 2014, auf denen Granaten auf einem Lastwagen des Geheimdienstes bei Adana nahe der syrischen Grenze entdeckt worden waren.

Ermittlungen laufen

Zusätzlich war auf der Internetseite der „Cumhuriyet“ ein Video veröffentlicht worden, dass die Staatsanwaltschaft in Adana bei der Durchsuchung des Lastwagens zeigte. Der Lastwagen war im Auftrag der Staatsanwaltschaft in Adana gestoppt worden, die dann feststellte, dass dieser voll beladen mit Waffen in Begleitung von MIT-Agenten auf dem Weg nach Syrien war. Offiziell hatte es sich um eine Lieferung humanitärer Hilfsgüter gehandelt. Nach der Aktion wurden die beteiligten Staatsanwälte und Soldaten ihrer Posten enthoben.

Nach Veröffentlichung der Bilder und des Videos in der „Cumhuriyet“ leitete die Staatsanwaltschaft in Istanbul umgehend Ermittlungen gegen die Zeitung ein. Gegen Dündar wird unter anderem wegen Verbreitung von Terrorpropaganda und Spionage ermittelt. Die Bilder und das Video dürfen nicht mehr gezeigt werden.
Dündar gehört zu den prominentesten, regierungskritischen Journalisten der Türkei. Die „Cumhuriyet“ hat regelmäßig Ärger mit der islamisch-konservativen AKP-Regierung. So hat das Blatt als einziges Printmedium in der Türkei nach dem Anschlag auf das Pariser Satiremagazin „Charlie Hebdo“ Mohammed-Karikaturen abgedruckt. Premier Ahmed Davutoglu hatte die Aktion zuvor kritisiert, die Pressefreiheit erlaube nicht die Beleidigung religiöser Werte. Nun drohen zwei Journalisten der „Cumhuriyet“ bis zu viereinhalb Jahre Haft. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft wirft den beiden vor, mit dem Zeigen der Karikatur den öffentlichen Frieden gestört und den Propheten sowie die religiösen Gefühle der Menschen in der Türkei verunglimpft zu haben.

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