Ukraine: Sanktionsliste empört

Kiew wollte Journalisten ins Visier nehmen. Kritik von allen Seiten.

Die Entscheidung des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, wegen des Konflikts im Osten seines Landes neben hunderten Russen auch mehrere westliche Journalisten auf die Sanktionsliste zu setzen, hat einen Sturm der Entrüstung losgetreten. Unter den Betroffenen ist auch ein deutscher Journalist, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Liste hervorgeht.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen warf Kiew am Donnerstag einen "absurden und kontraproduktiven Angriff auf die Informationsfreiheit" vor.

Neben ranghohen russischen Politikern wie Verteidigungsminister Sergej Schoigu sowie prorussischen Rebellenführern steht auf der Liste auch der Name des früheren Chefredakteurs der deutschen Wochenzeitung "Rheinischer Merkur", Michael Rutz, der gelegentlich als freier Autor für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" sowie für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt. Ebenfalls aufgelistet waren drei in Moskau arbeitende BBC-Mitarbeiter, die inzwischen wieder von der Liste genommen wurden, sowie mehrere spanische Journalisten, von denen zwei in Syrien vermisst werden.

Kiew hatte im vergangenen Jahr schon zahlreiche Russen und Aufständische mit Sanktionen belegt, die für die Krise im Osten und die Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim verantwortlich gemacht werden. Diese Liste wurde allerdings nie veröffentlicht. Auf der erweiterten Liste stehen neben 400 Einzelpersonen auch 90 Firmen, die als "aktuelle oder potenzielle Bedrohung für die nationalen Interessen, die nationale Sicherheit und die territoriale Integrität der Ukraine" angesehen werden. Die Liste wurde am Mittwoch von Poroschenko gebilligt.

Pressefreiheit

"Es handelt sich um einen beschämenden Angriff auf die Pressefreiheit", erklärte Andrew Roy, der für den ausländischen BBC-Dienst zuständig ist, am Donnerstag. Die Sanktionen seien "absolut unangemessen und unerklärlich". Die Reporter ohne Grenzen erklärten, zwar gebe es einen "Informationskrieg hinsichtlich der Ukraine", aber Journalisten und Bloggern im Namen der nationalen Sicherheit die Arbeit zu verbieten, sei "unangemessen und unverhältnismäßig".

Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, rief die Regierung auf, ihre "Sanktionen gegen Medien zu überdenken". Auch der Kreml reagierte empört: Die Sanktionen gegen Journalisten verstießen "gegen das Prinzip der Redefreiheit", sagte ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, sprach von einer "falschen Entscheidung". Poroschenko habe "einen großen Fehler gemacht" und müsse diesen "sofort korrigieren".

Auch in der Ukraine selbst sorgten die Sanktionen gegen Journalisten für Unverständnis. "Das sind keine Maßnahmen, die in einem demokratischen Staat getroffen werden sollten", sagte die ukrainische Medienexpertin Natalia Ligatschewa. Ohne Begründung seien nicht nur russische, sondern auch ausländische Journalisten betroffen. "Inwiefern sind sie gefährlich?", sagte sie. Auch die ukrainische Vizeinformationsministerin Tetjana Popowa sagte, sie habe beim Geheimdienst SBU um eine Erklärung gebeten.

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