Parlament beschließt Sonderstatus für Ostukraine

Die umkämpfte Region im Osten des Landes soll autonom werden.
Selbstverwaltung, Amnestie für Separatisten, Kommunalwahlen geplant. EU und Ukraine ratifizieren Assoziierungsabkommen. Russland reagiert mit Truppenaufstockung.

Im Ringen um Frieden in der Ostukraine hat das Parlament in Kiew ein Gesetz über den Sonderstatus der Konfliktregion sowie eine Amnestie für die Separatisten beschlossen. Damit sollen die Selbstverwaltungsrechte der Regionen Donezk und Lugansk gestärkt werden, teilte Präsident Petro Poroschenko am Dienstag mit.

Poroschenko hatte dem Parlament einen Gesetzesentwurf übermittelt, der unter anderem Kommunalwahlen am 7. Dezember in Teilen der umkämpften Regionen vorsieht. Das Autonomiegesetz ist Teil des Anfang September zwischen der Staatsführung und den prorussischen Separatisten im Osten des Landes vereinbarten Friedensplans. Die prorussischen Separatisten haben das Gesetz mit Zurückhaltung aufgenommen. Wenn dies eine Unabhängigkeit der Region Donbass bedeute, würde er das Gesetz begrüßen, sagte Separatistenführer Alexander Sachartschenko am Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax.

Russland hingegen hat eine Aufstockung seiner Truppen auf der Halbinsel Krim angekündigt. Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte Itar-Tass und anderen russischen Nachrichtenagenturen am Dienstag, der Schritt sei angesichts der Eskalation der Ukraine-Krise und dem Aufmarsch von "ausländischer Soldaten" an der Grenze von besonderer Dringlichkeit.

Assoziierungsabkommen

Das Europaparlament hat kurz davor mit breiter Mehrheit das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Ukraine ratifiziert. Für das Abkommen stimmten am Montag in Straßburg 535 Abgeordnete, 127 votierten dagegen, 35 enthielten sich. Die Umsetzung des Freihandelspakets in diesem Abkommen soll nach Gesprächen mit Russland erst ab 2016 in Kraft treten.

"Wir erleben einen historischen Moment", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Das EU-Parlament organisierte eine Liveschaltung mit dem ukrainischen Parlament, welches zeitgleich das Abkommen ratifizierte. Dies sei ein einmaliger Vorgang in der Geschichte. Das EU-Parlament habe die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine immer verteidigt, "und wir werden das weiterhin tun", sagte Schulz.

Poroschenko fordert rasches Inkrafttreten

Poroschenko sagte: "Die Ukrainer haben gegen Janukowitsch gestimmt und gegen die Ausrichtung nach Osten." Ohne die Ukraine gebe es kein geeintes Europa. Der Text des Abkommens sei unverändert geblieben. Poroschenko sagte, er fordere die ukrainische Regierung auf, dieses Abkommen am Mittwoch in Kraft treten zu lassen.

"Wir haben nicht das Recht, noch länger zu warten", sagte der ukrainische Präsident. Nach Ende 2015 könnten europäische Produkte in den ukrainischen Markt kommen. Die Ukraine hatte ein entsprechendes Abkommen bereits im vergangenen November unterzeichnen wollen. Der damalige Präsident Viktor Janukowitsch stoppte das Vorhaben aber auf Druck Russlands. Die Kehrtwende löste die gegenwärtige politische Krise in der Ukraine aus. Der politische Teil des Assoziierungsabkommens sieht vor, dass Ukrainer - sofern bestimmte rechtliche, organisatorische und politische Voraussetzungen erfüllt sind - auch ohne Visa in die EU reisen dürfen.

Politiker landet im Müll

In Kiew wurde am Dienstag - nach der Abstimmung in der Rada - ein Politiker attackiert. Der Vorwurf: Der Parlamentarier Vitali Schurawski sei zu Russland-freundlich und ein Vertrauter Janukowitschs. Wütende Demonstranten griffen Schurawski an und warfen ihn kopfüber in einen Müllcontainer. Schurawski versuchte, sich zu befreien, doch wurde von den Männern gehindert. Die Szene wurde mitgefilmt und verbreitete sich via YouTube hundertfach.

Das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine sollte bereits im November 2013 unterzeichnet werden. Die Weigerung des damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch löste lang anhaltende Proteste aus, die zum Sturz der Moskau-freundlichen Führung führten. Der erste Teil des Pakts der EU mit der Ukraine wurde am 21. März 2014 unterzeichnet, das ganze Abkommen beim EU-Gipfel am 27. Juni.

Darin werden unter anderem die Respektierung demokratischer Grundrechte, die freie Marktwirtschaft, die europäische Integration und eine enge Kooperation in der Außenpolitik, in Justiz- und Grundrechtsfragen festgeschrieben. Der politische Teil des Abkommens sieht auch vor, dass Ukrainer bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ohne Visum in die EU reisen dürfen.

Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Ukraine soll mit Verzögerung Anfang 2016 in Kraft treten. Es sieht einen fast 100-prozentigen Verzicht beider Seiten auf Zölle für Handelswaren vor. Die Ukraine passt ihre Vorschriften an die der EU an, um den Handel zu vereinfachen. Die Ansiedlung von Unternehmen wird erleichtert, der freie Kapitalverkehr garantiert. Auch im Energiebereich ist eine enge Zusammenarbeit vorgesehen.

Russland fürchtet, dass das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen zwischen der Ukraine und der EU den Handel zwischen Moskau und Kiew beeinträchtigen könnte.

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