Erdogan bricht Friedensprozess mit Kurden ab

Vor NATO-Sondertreffen kein "Zurückweichen vor IS- und PKK-Terror". Heftige Kritik an dem Vorgehen der Türkei kommt aus Deutschland.

Der türkische Staatspräsident bleibt vor der von Ankara geforderten Sondersitzung der NATO-Botschafter hart. Es werde kein Zurückweichen vor dem Terrorismus von IS und PKK geben, so Erdogan am Dienstag in Ankara. Außerdem meinte er, dass eine "Sicherheitszone" in Nordsyrien den Weg für die Rückkehr von 1,7 Millionen in der Türkei lebenden syrischen Flüchtlingen ermöglichen könne.

Vor dem Abflug zu einer offiziellen China-Reise sagte Erdogan, er erwarte sich von der NATO die Bereitschaft, die notwendigen Schritte zu unternehmen. Details nannte er aber keine. Zudem hat er den Friedensprozess mit den Kurden offiziell abgebrochen. "Es ist nicht möglich, einen Lösungsprozess fortzuführen mit denjenigen, die die Einheit und Integrität der Türkei untergraben", sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu.

Politiker mit Verbindungen zu terroristischen Gruppen sollten ihre Immunität verlieren und juristisch belangt werden, sagte er Medienberichten zufolge. Er zielt damit offenbar auf Abgeordnete der prokurdischen HDP. Die Partei hatte bei den vergangenen Parlamentswahlen überraschend 13 Prozent der Stimmen bekommen und damit verhindert, dass Erdogans AKP die absolute Mehrheit erreicht.

Sondertreffen der NATO in Brüssel

Auf Antrag der Türkei kommen am Dienstag in Brüssel die Botschafter der 28 NATO-Staaten zusammen. Ankara hat Beratungen nach Artikel 4 des NATO-Vertrags verlangt. Dieser Artikel sieht Konsultationen vor, wenn ein NATO-Mitglied meint, dass die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht ist. Ob es nach dem Treffen eine gemeinsame Erklärung oder eine Mitteilung von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg geben würde, stand im Vorfeld nicht fest.

Anlass für das Treffen ist nach NATO-Angaben der Ernst der Lage in der Türkei nach den Terrorangriffen der vergangenen Tage. Dabei war es zu Dutzenden Toten gekommen. Es gab auch Gefechte mit IS-Kämpfern an der syrisch-türkischen Grenze.

Heftige Kritik kommt aus Deutschland

Deutsche Politiker kritisieren zunehmend die Art und Weise des Vorgehens von Ankara gegen IS-Jihadisten sowie PKK-Anhänger. "Die Türkei sollte sich endlich für eine einheitliche Strategie entscheiden und nicht gleichzeitig den Islamischen Staat und dessen Gegner bekämpfen", sagte der deutsche Politiker Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, der "Welt". Er forderte eine diplomatische Offensive von EU, USA und der Türkei im Nahen Osten, um die Kämpfe zu beenden. "Die Türkei war zuletzt Rückzugsort und Transferland von Kämpfern des Islamischen Staats", sagte Brok. Die türkische Regierung müsse erkennen, dass der IS ihr Hauptfeind sei.

Hollande dankt für Kampf gegen IS

Frankreichs Präsident Francois Hollande hat die "Verstärkung des Engagements der Türkei" gegen die dschihadistische Organisation hingegen begrüßt. Bei einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan habe Hollande ihm für den "kraftvollen Einsatz" gegen die Extremisten in Syrien gedankt, erklärte die französische Präsidentschaft am Montag. Demnach forderten Hollande und Erdogan die syrischen Oppositionskräfte auf, zum Nutzen eines "freien und geeinten Syriens" ihren Dialog zu vertiefen. Die Präsidenten sprachen zudem über den Kampf gegen "alle Formen des Terrorismus".

"Man muss aufpassen, nicht die Ziele zu verwechseln"

Zugleich sieht Hollande aber das Vorgehen Ankaras gegen Anhänger der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) kritisch. "Man muss aufpassen, nicht die Ziele zu verwechseln", warnte der französische Präsident am Montagabend bei einem Essen mit Journalisten in Paris mit Blick auf die türkische Doppeloffensive. Kritiker werfen der Regierung in Ankara seit langem vor, mehr über ein Erstarken der Kurden besorgt zu sein als über den Vormarsch der IS-Jihadisten in Syrien und dem Irak. Sie kritisieren, dass die Regierung die IS-Extremisten zu lange habe gewähren lassen oder sie sogar insgeheim mit Waffen unterstützt habe.

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