Mit dem Feriencharter in den Krieg
Türkische Städte in der Nähe der syrischen Grenze erfreuen sich bei einigen Ausländern einer auffälligen Beliebtheit. Misstrauische Polizeibeamte haben da so ihren Verdacht, aber beweisen können sie meistens nichts. Selbst wenn er stark annehme, dass ein Ausländer nur in die Stadt gekommen sei, um sich im nahen Syrien der Dschihadisten-Gruppe "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen, sei er machtlos, sagte ein Beamter in der Großstadt Gaziantep, 60 Kilometer nördlich der Grenze, der Zeitung Hürriyet vor einigen Tagen. "Du kontrollierst seinen Pass und siehst, er kommt aus England. Und er sagt, er wolle sich in Gaziantep die Sehenswürdigkeiten anschauen. Wie willst du ihn da festnehmen?"
Mit ihrer 911 Kilometer langen Grenze zu Syrien ist die Türkei in drei Jahren Bürgerkrieg beim Nachbarn zum wichtigsten Transitland für ausländische IS-Kämpfer geworden. Kritiker im In- und Ausland werfen der Regierung in Ankara vor, die Aktivitäten des IS im Grenzgebiet lange toleriert zu haben, weil sie sich von den Extremisten einen Beitrag zur raschen Entmachtung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad versprach. So konnte sich der IS über die Türkei mit neuen Kämpfern und Waffen versorgen.
Haltung geändert
Inzwischen hat Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Haltung geändert: Er unterstützt jetzt die internationale Offensive gegen den IS in Syrien, weil die Gruppe mehr und mehr zu einer Bedrohung auch für die Türkei wird. Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York nannte Erdogan den IS erstmals eine "blutige Terrororganisation". Die Türkei wolle an vorderster Front gegen den westlichen Nachschub für die IS-Truppen kämpfen, sagte er.
Ausländische Dschihadisten kommen über zwei Hauptrouten an die syrische Grenze. Entweder fliegen sie nach Istanbul und nehmen eine weitere Maschine oder einen Fernbus Richtung Südosten, oder sie besteigen einen Charterjet in den Ferienort Antalya und nehmen von dort aus den Bus.
Unter dem Eindruck der wachsenden Kritik aus dem Ausland hat die Türkei ihre Kontrollen verschärft. Vizepremier Yalcin Akdogan sagte jetzt, seit dem Beginn des syrischen Bürgerkrieges vor drei Jahren seien rund 1000 Ausländer als potenzielle IS-Kämpfer abgeschoben worden. Allein seit Mai waren es mehr als 100. Rund 6000 Personen stehen laut Akdogan auf einer schwarzen Liste der türkischen Zollbehörden und werden gleich nach der Ankunft wieder nach Hause geschickt. An besonders betroffenen Flughäfen wie dem von Istanbul suchen Sondereinheiten der Sicherheitsbehörden nach möglichen IS-Extremisten unter den Ankommenden.
Die Teilnahme der Türkei an der Allianz gegen den IS könnte den Nachschub für die Extremisten bald erheblich erschweren. Ankara dringt auf die Einrichtung von militärisch gesicherten Schutzzonen auf syrischem Boden, die laut Zeitungsberichten bis zu 25 Kilometer tief in das Nachbarland hineinreichen und vor allem der Versorgung von Flüchtlingen auf syrischem Boden dienen sollen. Würde der Plan umgesetzt, hätten es Dschihadisten schwerer, von der Türkei aus durch den Korridor hindurch zum IS zu gelangen. Video aus IS-Hauptstadt Rakka auf KURIER.at
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