"Es sind nicht alle so jung bei uns"

Privat war Kurz schon in New York. Bei der fünftägigen Visite als Minister blieb wenig Zeit,die Aussicht auf die Skyline zu genießen.
Premiere als Außenminister in New York und erster diplomatischer Paarlauf mit Heinz Fischer vor der ganzen UNO-Welt: Der 28-Jährige ist in der Spitzenliga der Politik endgültig angekommen.

Noch vor dem Abflug setzt Sebastian Kurz am Gate eine Neuigkeit in die Welt: Auch Österreich beteiligt sich nun an der internationalen Koalition gegen den IS-Terror. Kurz nachdem die Maschine Dienstag vormittag Richtung New York abhebt, sorgt die Nachricht als Eilmeldung zu Hause für anhaltende Aufmerksamkeit. Eine mediale Punktlandung: Der Kampf gegen den islamistischen Terror steht auch auf der Tagesordnung der UNO-Generalversammlung ganz oben.

In New York warten fünf Tage fast pausenloser Dauerherausforderung auf Kurz, vollgestopft mit offiziellen Auftritten und informellen Meetings.Schon zwei Stunden nach der Landung stehen erste Treffen mit dem irakischen und dem iranischen Staatspräsidenten an.

Politikerkollegen sammeln vor so einem Marathon zu Recht mit ausgestreckten Beinen in der Business Class Kraft. Kurz besteht auf dem Neun-Stunden-Flug darauf, Economy zu sitzen. Sein Büro hat ihm vorsorglich diesmal einen Platz mit etwas mehr Beinfreiheit beim Notausgang organisiert.

Das Erfolgsgeheimnis der seit neun Monaten makellosen Performance von Sebastian Kurz als Außenminister ist nicht nur sein Ausnahmetalent als Kommunikator, sondern auch ein Mitarbeiterstab, der "dem Sebastian" locker im Stil aber hochprofessionell in der Sache zuarbeitet.

Kurz ist sichtlich bemüht, dass das auch so bleibt. Bei einem Besuch der UN-Vertretung in Midtown Manhattan nimmt er sich ausreichend Zeit, um nach einer Dankesrede mit jedem der mehr als ein Dutzend Mitarbeiter persönlich zu plaudern.

Irritation aus dem Iran

"Es sind nicht alle so jung bei uns"
Foto in der UNO GV Halle
Reibungslos auch davor der gemeinsame Medien-Auftritt des UN-Neulings mit Heinz Fischer, als Staatspräsident seit zehn Jahren routinierter Dauergast des UN-Konvents. Hektik kommt davor nur hinter den Kulissen auf: Bei der vorangehenden diskreten Absprache des gemeinsamen Wordings zwischen Fischer und Kurz samt Gefolge. Denn auch ein Reporter der deutschen Bild-Zeitung hat sich überraschend angesagt. Eine vom Iran lancierte Meldung hat den Boulevard in Deutschland alarmiert: Präsident Rohani habe den Österreichern in New York angeboten, umgehend Gas anstelle der mit der Sanktionskeule drohenden Russen zu liefern.

Fischer und Kurz stellen unaufgeregt klar: Null Neues zwischen Wien und Teheran. Soll undiplomatischer formuliert heißen: Das Angebot des Zugriffs auf die reichhaltigen Energievorräte im Iran gehört seit Jahren zum iranischen Repertoire jedes Gesprächs. Solange die Sanktionen gegen Teheran aufrecht sind, kommt iranisches Gas als Lockerung aus dem Würgegriff des russischen Liefermonopols nicht in Frage.

Keine nach außen hin merkbaren Differenzen auch beim verbalen Eiertanz um das österreichische Nationalheiligtum Neutralität. Warum keine automatischen Überflugrechte etwa für britische Bomber am Weg in den Mittleren Osten? Wie passt das zum Beitritt zur Allianz gegen die IS-Mörder? "Militärisch neutral sein, heißt nicht meinungslos sein", sagt Kurz. Und Fischer formuliert ungewöhnlich direkt: "Gegenüber schweren Verbrechen sind wir nicht neutral."

Kurz, 28, tänzelt gemeinsam mit Fischer, 75, übers spiegelglatte diplomatische Parkett als hätte er seit Jahren nichts anderes gemacht und erweckt nicht einmal den Anschein, hinfallen zu können.

Besuch im "Girls Club"

"Es sind nicht alle so jung bei uns"
Arbeitsbesuch UNO Generalversammlung. Bundesminister Sebastian Kurz auf dem Weg zum UNO Hauptgebäude in New Yok. 24.09.2014, Foto: Dragan Tatic
Noch mehr in seinem Element ist Kurz nur, wenn er dort zugange ist, wo er über Nacht politisch erwachsen geworden ist. Er nutzte den New-York-Aufenthalt bei der UNO auch für mehrere Stippvisiten bei Best-practice-Projekten in Sachen Integrationspolitik. In der Lower East Side in Manhattan, wo Banden- und Drogenkriminalität an der Tagesordnung sind, bietet der "Girls Club" mehreren hundert Teenagern in der heruntergekommenen Gegend nicht nur Schutz, sondern auch sinnvolle Beschäftigung nach der Schule: Eine Art Lerncafé wie wir es kennen, aber mit High-Tech-Ausstattung. In den Computerzimmern stehen brandneue Apple-Geräte. Zum Musikmachen lädt modernstes Sound-Equipment ein.

Das 2,5-Millionen-Dollar-Jahresbudget wird zu 90 Prozent von Sponsoren und Kleinspendern gespeist, die öffentliche Hand leistet den kargen Rest. Kurz: "Das ist ein gutes Vorbild auch für uns."

Während dessen arbeitet sein Büro auf den ersten Auftritt vor der UNO hin. Der Ehrgeiz: Nicht unter ferner liefen auf der Rednerliste zu landen. Die Übung ist gelungen: Kurz kommt nach dem deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier und vor der Mittagspause zu Wort.

"Der Erste unter 30"

Kurz nutzt das Aufmerksamkeitsfenster maximal mit einem sehr persönlichen Appell gegen eine Neuauflage des Kalten Krieges im Windschatten des Ukraine-Konflikts: "Ich glaube, ich bin der erste unter 30, der diese Woche das Privileg hat, hier zu reden. Als der Eiserne Vorhang fiel, war ich drei Jahre alt. Ich gehöre zu der Generation, die den Kalten Krieg nicht mehr erlebt hat". Dabei, so Kurz, solle es auch bleiben.

Nach Einzug in die Regierung wollte Kurz lange lieber auf seine Vorhaben als auf sein Alter angesprochen werden. In New York kokettiert er wiederholt damit: "Denjenigen, die mit der Innenpolitik nicht so vertraut sind, darf ich sagen: Es sind nicht alle Minister so jung bei uns", feixt er beim Empfang für Auslandsösterreicher in Big Apple. Denn auch hier ist für alle bald offensichtlich: Der jüngste Außenminister der Welt ist längst in der Spitzenliga der Politik angekommen.

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