Massiver Truppen-Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine

Russisches Militärgerät in Matweew Kurgan.
Moskau zieht an der Grenze zur Ukraine starke Verbände zusammen - mit welchem Ziel ist nicht klar.

Die russische Kleinstadt Matweew Kurgan nahe der Grenze zur Ukraine wird dieser Tage zur militärischen Drehscheibe – und damit zum Ort, an dem sich Russlands Militäraufmarsch an der Grenze zur Ukraine am offensichtlichsten zeigt. Seit einer Woche häufen sich Berichte über massive Truppenbewegungen in der Region Rostow, die an von pro-russischen Milizen kontrollierte Gebiete in der Ukraine grenzt.

Laut Reuters trafen in Matweew Kurgan binnen vier Tagen Züge mit mindestens 26 Kampfpanzern, 30 Uragan-Raketenwerfern, Dutzenden LKW, Rad-Schützenpanzern und Panzerhaubitzen sowie Personal ein. Von der Stadt sei das Militärgerät von mindestens zwei solchen Zügen in die Kuzminsky-Basis verlegt worden – rund 50 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Von dort berichtete Reuters, Nummernschilder sowie Insignien seien von Fahrzeugen weitgehend entfernt worden. Auch Uniformierte um das riesige Feldlager trugen mehrheitlich keine Abzeichen. Ebenso berichtet Reuters, ein großer Abschnitt eines Feldwegs von der Kuzminsky-Basis zu einem kleinen Grenzübergang zur Ukraine sei ausgebaut und für schwere Fahrzeuge passierbar gemacht worden.

Massiver Truppen-Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine
Dass Russland zumindest Waffen in die Ostukraine liefert, ist offensichtlich, betrachtet man das Arsenal der pro-russischen Milizen: Da finden sich Fahrzeuge, Luftabwehreinheiten oder auch Handfeuerwaffen, die ausschließlich von Russlands Armee benutzt werden.

Drehscheibe

Entlang der Grenze besteht heute ein Netzwerk an Feldlagern. Die Kuzminsky-Basis spielt dabei eine entscheidende Rolle. Bereits mehrfach hatte die Investigativ-Plattform Bellingcat von Soldaten in der Kuzminsky-Basis fotografierte Fahrzeuge – die Fotos wurden in sozialen Medien verbreitet – später in der Ukraine lokalisiert. Bellingcat benutzt dabei vor allem Geodaten sozialer Netzwerke und sonstige offene Daten.

Auch in Aussagen von russischen Soldaten war die Kuzminsky-Basis immer wieder genant worden. So hatte ein Soldat angegeben, im Sommer 2014 in dem Lager trainiert worden zu sein, ehe man ihn direkt an die Grenze entsandt hatte, wo er Grad-Raketenwerfer abzufeuern hatte – ob auf ukrainisches Gebiet, konnte er nicht bestätigen. Berichte über Artilleriebeschuss von der russischen Seite der Grenze aus hatte aber auch Bellingcat bestätigt. Im Februar 2015 wurde Berichten zufolge das 5. Panzerbataillon von Kuzminsky nach Debalzewe verlegt, um dort die Kesselschlacht zu entscheiden.

Das russische Komitee der Soldatenmütter bestätigte, dass die Region Rostow als Drehscheibe für russische Aktivitäten in der Ukraine dient. Walentina Melnikowa, Vorsitzende der Organisation, spricht von groß angelegten Verlegungen in die Region. Soldaten sei gesagt worden, dass sie in die Ukraine gehen würden. Zuvor hätten sie Verschwiegenheitsklauseln unterzeichnen müssen.

Russland weist derartige Berichte vehement zurück. In Kampfgebieten festgenommene russische Bürger hatte Moskau bisher konsequent als "Freiwillige" oder "beurlaubte Soldaten" bezeichnet. Freiwillige gibt es in der Tat. Zuletzt aber hatten zwei junge Russen, die in der Region Lugansk von ukrainischen Einheiten gefangen genommen wurden, gegenüber der OSZE angegeben, aktive Angehörige der russischen Armee zu sein und auf regulären Befehl gehandelt zu haben.

Geheime VerlusteDieser nicht erklärte Krieg fordert auch Opfer auf der eigenen Seite – Opfer, die es nicht geben darf, weil sonst ja der Krieg offiziell wäre. Russlands Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Donnerstag einen Erlass, wonach "Informationen über Verluste des Verteidigungsministeriums und über Soldaten, die in Friedenszeiten im Rahmen von Sondereinsätzen fallen" der Geheimhaltung unterliegen. Das betrifft etwa das Komitee der Soldatenmütter, aber vor allem Medien, denen es nach russischem Recht verboten ist, Informationen zu verbreiten, die der Geheimhaltung unterliegen. Über Russlands Verluste zu sprechen, ist damit also verboten.

Der ehemalige tschechische Generalstabschef Petr Pavel, der im Juni Chef des militärischen NATO-Ausschusses wird, schlägt Alarm. Russland könnte in nur zwei Tagen die drei baltischen Republiken besetzen. „Und wir wären nicht imstande, in dieser Zeit zu reagieren“, sagte Pavel laut Medien bei einer Sicherheitskonferenz am Mittwoch in Prag. Denn es sei unrealistisch, dass die Parlamente der 28 NATO-Staaten innerhalb von 48 Stunden entsprechende Entscheidungen treffen könnten. Moskau dagegen sei sehr wohl in der Lage, binnen Stundenfrist zu entscheiden.

Das Resümee des Generals: „Die heutige NATO-Allianz ist nicht ausreichend auf einen Krieg vorbereitet. Unsere selbstmörderischen Tendenzen beginnen sich schon in dem Maße zu zeigen, dass es uns warnen sollte.“

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