Polen und Russland streiten über Befreiung

Der 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz wird von polnisch-russischen Spannungen überschattet.

Der jüngste Anlass für Ärger: Gregorz Schetyna, Historiker und Außenminister Polens, sagte vergangene Woche: "Ukrainer haben Auschwitz befreit." Denn es seien damals, an diesem 27. Jänner, nicht sowjetische, sondern ukrainische Soldaten gewesen, die die Tore geöffnet und das Lager befreit hätten. Laut russischer Nachrichtenagentur RIA sieht man das auch im Amt des ukrainischen Präsident Petro Poroschenko so. Demnach soll der Vize-Leiter von Poroschenkos Kanzlei gesagt haben: "Ukrainer spielten eine wichtige Rolle bei der Befreiung von Auschwitz und von Europa."

Tatsächlich waren unter den Soldaten der Roten Armee, die vor den Toren von Auschwitz kämpfte und die zum Großverband "Erste Ukrainische Front" gehörte, viele Ukrainer. Doch die Sowjetunion und ihre Rote Armee bestand aus vielen Völkern. Der Panzerfahrer, der das Tor öffnete, aber war Anatoli Schapiro – ein ukrainischer Jude.

Lawrows Ärger

"Jeder Versuch, hier mit Nationalismus zu zündeln ist frevelhaft und zynisch", empörte sich der russische Außenminister Sergej Lawrow. Dies sei ein Beleg für die "antirussische Hysterie". Die polnische Regierung gilt seit der Ukraine-Krise neben Litauen als schärfster Kritiker Russlands.

Das russische Medienecho fällt entsprechend harsch aus: "Polen will uns heute den Sieg nehmen", schrieb die Rossijskaja gaseta, das Amtsblatt der Regierung. Zuvor hatte der Kreml bereits bekannt gegeben, dass der russische Staatspräsident Wladimir Putin nicht zu den Gedenkfeiern nach Auschwitz reisen würde. Begründung: Er habe keine offizielle Einladung erhalten. An Putins Stelle werden nun der russische Botschafter in Polen sowie Putins Präsidialamtschef nach Auschwitz kommen.

Das polnische Außenministerium wiederum verwies darauf, dass der "Internationale Auschwitz-Rat" für die Organisation verantwortlich sei. Dieser habe die entsprechenden Staaten informiert, aber keine direkten Einladungen an Premiers oder Staatschefs verschickt. Bei den diesjährigen Feierlichkeiten sollen die verbliebenen ehemaligen Lagerinsassen im Vordergrund stehen, nicht die Politiker. 300 Auschwitz-Überlebende werden aus aller Welt zu den Gedenkfeiern anreisen.

Persönliche Einladung

Eines aber ärgert Moskau offensichtlich besonders: Polens Premierministerin Ewa Kopacz hat den ukrainischen Präsidenten Poroschenko vergangenen Montag persönlich nach Auschwitz eingeladen.

Doch auch Moskau provozierte Warschau. "So hat man eben damals Außenpolitik betrieben", umschrieb Wladimir Putin im vergangenen November den "Ribbentrop-Molotow-Pakt" – der regelte die Aufteilung Polens zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion im Jahr 1939. An der Weichsel war man angesichts dieses Kommentars des Kremlherrn äußerst empört.

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