Der kubanische Tiger und seine Fesseln
Im Jahr 1980, als immer mehr Kubaner ihr Land verließen und in kleinen Booten die gefährliche Reise ins 150 Kilometer entfernte Florida wagten, riss Fidel Castro die Geduld. Wer wollte, konnte das Land über den Hafen Mariel verlassen, und gleichzeitig öffnete der Staatschef die Gefängnisse, um den Amerikanern auch verurteilte Verbrecher zu schicken. Der regimetreue Sänger Pablo Milanes schrieb bald darauf das Lied "Yo me quedo" : "Ich bleibe hier. Wo wirst du wohnen, welcher Nachbar wird mit dir reden, welcher Freund wird nach dir suchen?"
Milanes lebt inzwischen mit seiner spanischen Frau im galizischen Vigo, und Mariel steht nicht mehr für Flucht aus Kuba, sondern für die Zukunft des Landes, und die soll mehr mit Kapitalismus als mit Sozialismus zu tun haben.
Rasche Genehmigung
Beim kubanisch-österreichischen Wirtschaftsforum im historischen Hotel Nacional lobt der Vizepräsident der Wirtschaftskammer, Christoph Matznetter, dass die Kubaner mit einem sogenannten One-Stop-Shop in Mariel ihre Bürokratie umschiffen wollen und die Genehmigung von Projekten in nur 60 Tagen garantieren. "Kuba ist ein junger Tiger, der aus den Fesseln befreit wird", hofft der Sozialdemokrat. Infrastrukturminister Alois Stöger bremst im Gespräch mit dem KURIER den Enthusiasmus: "Es wird auch auf die Finanzierung von Projekten ankommen, da müssen wir flexibler werden." Aber Stöger betont, dass österreichische Unternehmen nicht nur bei der Produktion, sondern auch bei Vertriebsketten in Kuba erfolgreich sein können. Stöger traf hier sieben Minister, Bundespräsident Fischer soll bei seinem Besuch Anfang März neue Verträge unterzeichnen.
Oder Beat Agostini, der von Havanna aus Trodat-Trotec vertritt, den größten Hersteller von Stempeln weltweit. Diese mit Laser produzierten Stempel werden bereits seit 2002 in Kuba endgefertigt. Agostini lobt die Kubaner als verlässliche Partner. "Wenn das Embargo der Amerikaner fällt, wird das hier eine Eigendynamik auslösen", ist er sicher. Gut, dass bereits jetzt österreichische Unternehmen etabliert sind, wie auch die Wiener Salm Brauerei. Der Juniorchef des Familienbetriebs, Albert Welledits, hat bereits drei Brauereien in Kuba aufgebaut und liefert das Malz aus Wien, drei weitere wurden nun vereinbart.
Schwarzmarkt
Ein Haus in der Altstadt symbolisiert den Umbruch: Neben dem Schild mit einem Hinweis auf den Aufpasser der Partei CDR – "Komitee zur Verteidigung der Revolution" – steht "se vende" – zu verkaufen. Preise für Wohnraum steigen rasant.
Österreich will hier bei der Einführung der Digitalisierung der Justiz mithelfen, also auch bei Grund- und Firmenbuch. Ein Memorandum darüber wurde unterzeichnet. Durchaus nicht uneigennützig, wie Justizminister Wolfgang Brandstetter betont, Rechtssicherheit helfe auch unseren Unternehmen.
"Gut, dass ich noch jung bin"
Beim Besuch der Universität wird klar, wie sehr dieses Land zwischen Vergangenheit und Zukunft hin- und hergerissen ist. Die Studenten der juristischen Fakultät sind stolz, dass sie schon in Spanien waren, und freuen sich auf Kontakte zu anderen Ländern. Die will auch Rektor Gusto Cobreiro intensivieren. Aber genau so gerne spricht er vom wichtigsten Studenten der Uni, Fidel Castro, der vor 70 Jahren Jus inskribierte. "Hier hat man mich zum Revolutionär gemacht" steht auf dem Bild.
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