Der kubanische Tiger und seine Fesseln

Kuba ist im Aufbruch.
Österreichische Unternehmen ringen in Havanna um die Teilhabe an Kubas Wirtschaftsliberalisierung.

Im Jahr 1980, als immer mehr Kubaner ihr Land verließen und in kleinen Booten die gefährliche Reise ins 150 Kilometer entfernte Florida wagten, riss Fidel Castro die Geduld. Wer wollte, konnte das Land über den Hafen Mariel verlassen, und gleichzeitig öffnete der Staatschef die Gefängnisse, um den Amerikanern auch verurteilte Verbrecher zu schicken. Der regimetreue Sänger Pablo Milanes schrieb bald darauf das Lied "Yo me quedo" : "Ich bleibe hier. Wo wirst du wohnen, welcher Nachbar wird mit dir reden, welcher Freund wird nach dir suchen?"

Milanes lebt inzwischen mit seiner spanischen Frau im galizischen Vigo, und Mariel steht nicht mehr für Flucht aus Kuba, sondern für die Zukunft des Landes, und die soll mehr mit Kapitalismus als mit Sozialismus zu tun haben.

Der kubanische Tiger und seine Fesseln
'La Taberna de la Muralla-Salm', eine von der Österreischischen Firma Salm ausgerüstete Brauerei in der Altstadt Havannas.
So wie in China die wirtschaftliche Öffnung mit Sonderwirtschaftszonen begonnen hat, soll der Containerhafen Mariel, eine halbe Stunde westlich von Havanna, als "Spezialzone" entwickelt werden. Es locken die zentrale Lage mit schnellen Seeverbindungen nach Nord- und Südamerika, Steuervorteile, vor allem aber das Versprechen, dass Projekte schnell umgesetzt werden. Gesucht werden Investoren aus den Bereichen Hitech, Lebensmittelverarbeitung, erneuerbare Energie und Infrastruktur.

Rasche Genehmigung

Beim kubanisch-österreichischen Wirtschaftsforum im historischen Hotel Nacional lobt der Vizepräsident der Wirtschaftskammer, Christoph Matznetter, dass die Kubaner mit einem sogenannten One-Stop-Shop in Mariel ihre Bürokratie umschiffen wollen und die Genehmigung von Projekten in nur 60 Tagen garantieren. "Kuba ist ein junger Tiger, der aus den Fesseln befreit wird", hofft der Sozialdemokrat. Infrastrukturminister Alois Stöger bremst im Gespräch mit dem KURIER den Enthusiasmus: "Es wird auch auf die Finanzierung von Projekten ankommen, da müssen wir flexibler werden." Aber Stöger betont, dass österreichische Unternehmen nicht nur bei der Produktion, sondern auch bei Vertriebsketten in Kuba erfolgreich sein können. Stöger traf hier sieben Minister, Bundespräsident Fischer soll bei seinem Besuch Anfang März neue Verträge unterzeichnen.

Der kubanische Tiger und seine Fesseln
Besichtigung einer Tabak-Plantage im Öko-Schutzgebiet Val de Vinales
Die Aufbruchstimmung hat viele Österreicher nach Havanna gebracht, darunter einige Weltmarktführer. So Marlon Rechberger, der für die Kärntner Green One Tec im mexikanischen Guadalajara thermische Flachkollektoren produziert. Diese erzeugen mit der Kraft der Sonne heißes Wasser, das auch zur Kühlung von Räumen in Schulen oder Hotels verwendet wird.

Oder Beat Agostini, der von Havanna aus Trodat-Trotec vertritt, den größten Hersteller von Stempeln weltweit. Diese mit Laser produzierten Stempel werden bereits seit 2002 in Kuba endgefertigt. Agostini lobt die Kubaner als verlässliche Partner. "Wenn das Embargo der Amerikaner fällt, wird das hier eine Eigendynamik auslösen", ist er sicher. Gut, dass bereits jetzt österreichische Unternehmen etabliert sind, wie auch die Wiener Salm Brauerei. Der Juniorchef des Familienbetriebs, Albert Welledits, hat bereits drei Brauereien in Kuba aufgebaut und liefert das Malz aus Wien, drei weitere wurden nun vereinbart.

Schwarzmarkt

Der kubanische Tiger und seine Fesseln
Justizminister Brandstetter in Havanna mit Dekanin der Jurfak Mayda Goite
Eine Dynamik hat die schrittweise Liberalisierung bereits ausgelöst. Immer mehr gut ausgebildete Kubaner verlassen das Land oder arbeiten hier in Bereichen, wo sie besser verdienen. So sind alle Restaurants inzwischen privat und bieten frischen Fisch, Langostinen und Steaks, die aber in keinem Geschäft zu kaufen sind. Der Schwarzmarkt bietet dafür alles, kann aber keine Grundlage für eine moderne Wirtschaft sein. Das gilt auch für das Währungssystem, das zwei Geldscheine verbreitet. Wer etwas Ordentliches kaufen will, braucht konvertible Pesos. Kubaner, die sich etwas leisten wollen, müssen nebenbei arbeiten, im Idealfall im Tourismus. So ist auch ein Markt für Wohnungen und Häuser entstanden.

Ein Haus in der Altstadt symbolisiert den Umbruch: Neben dem Schild mit einem Hinweis auf den Aufpasser der Partei CDR – "Komitee zur Verteidigung der Revolution" – steht "se vende" – zu verkaufen. Preise für Wohnraum steigen rasant.

Österreich will hier bei der Einführung der Digitalisierung der Justiz mithelfen, also auch bei Grund- und Firmenbuch. Ein Memorandum darüber wurde unterzeichnet. Durchaus nicht uneigennützig, wie Justizminister Wolfgang Brandstetter betont, Rechtssicherheit helfe auch unseren Unternehmen.

"Gut, dass ich noch jung bin"

Beim Besuch der Universität wird klar, wie sehr dieses Land zwischen Vergangenheit und Zukunft hin- und hergerissen ist. Die Studenten der juristischen Fakultät sind stolz, dass sie schon in Spanien waren, und freuen sich auf Kontakte zu anderen Ländern. Die will auch Rektor Gusto Cobreiro intensivieren. Aber genau so gerne spricht er vom wichtigsten Studenten der Uni, Fidel Castro, der vor 70 Jahren Jus inskribierte. "Hier hat man mich zum Revolutionär gemacht" steht auf dem Bild.

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Besuch des Brauerei 'La Taberna de la Muralla-Salm, eine von der Österreischischen Firma Salm ausgerüstete Brauerei in der Altstadt Havannas. Im Bild v.li.: Albert Welledits, O.Salm & Co GmbH, Helmut Brandstätter, Kurier
Die oft gut ausgebildeten Kubaner wollen von Castros Revolution natürlich nichts wissen. Sie wollen als Ärzte nicht unbedingt nach Venezuela oder Brasilien gehen müssen, um mehr Geld zu verdienen, wie das jetzt viele machen, oft auf Vermittlung des Staates, der dabei viel Geld verdient. Sie wollen im Land arbeiten und leben. Das wird ein weiter Weg und die Alten in der Partei müssen mehr zulassen als Sonderwirtschaftszonen, sagt ein Student. "Gut, dass ich noch jung bin."

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