Kobane: Schützenhilfe auf dem Weg
Es ist ein Zug, den die türkische Führung anscheinend lieber im Stillschweigen hinnimmt, als ihn medial an die große Glocke hängen zu wollen. Am Samstag wurden einige Hügel auf der türkischen Seite der Grenze nahe der umkämpften Stadt Kobane geräumt. Dort hatten sich vor allem auch TV-Teams und Pressefotografen postiert. Die Berichte über die Räumung kamen praktisch zeitlich mit der Meldung aus dem kurdischen Nordirak, dass sich am Sonntag 150 kurdische Peschmerga-Kämpfer auf den Weg nach Kobane machen wollten. Später wurde seitens der kurdischen Behörden in Erbil dementiert – weil es sich um einen Gegenstand von strengster Geheimhaltung handle. Die türkische Regierung hat der kurdischen Bruderhilfe aber zugestimmt. Insgesamt sollen 200 Peschmerga aus dem Irak über die Türkei nach Kobane reisen dürfen. Eine Bilderflut davon allerdings – und so könnte man die Räumung der Hügel bei Kobane interpretieren – will man in Ankara aber nicht unbedingt sehen.
Und auch die Freie Syrische Armee (FSA) will laut Angaben der Regierung in Ankara 1300 Kämpfer nach Kobane schicken. Über eine genaue Route über türkisches Gebiet werde verhandelt, hieß es seitens Ankaras. Mit der FSA aber, die anders als die kurdischen YPG-Milizen in Kobane weniger die eigene Selbstverwaltung als den Sturz Assads im Fokus hat, dürfte Ankara weniger Probleme haben. Die YPG stehen der FSA-Schützenhilfe wiederum skeptisch gegenüber. Denn die Allianz mit der FSA bringt den stillschweigenden Nichtangriffspakt der YPG mit den Assad-Truppen in Gefahr.
Hilfe aber, und so viel ist klar, wird in Kobane dringend benötigt. Seit Tagen wechseln gegenseitige Offensiven einander ab. Am Samstag hieß es, YPG-Kämpfer hätten den strategisch wichtigen Tell-Schair-Hügel im Westen Kobanes zurückerobert. Letztlich aber sind die Verteidiger Kobanes ihren Angreifern nach wie vor personell sowie materiell weit unterlegen und nach wie vor schwer in der Defensive – wenn auch nicht mehr aussichtslos.
Ganz anders steht es um Kurden, die im Sinjar-Gebirge im Irak von IS-Verbänden eingeschlossenen sind – die meisten davon Angehörige der religiösen Minderheit der Jessiden. Wie viele Menschen sich in dem Gebirge verstecken, ist nicht klar. Wochenlang war das isolierte Gebirge umstellt gewesen, seit einigen Tagen läuft eine Offensive des IS gegen kurdische Milizen, die das Gebiet verteidigen. Zahlreiche Dörfer um den Berg wurden bereits vom IS eingenommen. Ein letzter Versorgungskorridor soll jetzt gekappt worden sein.
So klar hat der deutsche Inlandsgeheimdienst die Mechanismen des Zulaufs zu Islamisten noch nie beschrieben. Sein Präsident Hans-Georg Maaßen erklärte im rbb, der radikal-islamische Salafismus sei vor allem "für Menschen in Umbruchsituationen attraktiv". Daher erlägen ihm "vor allem Jugendliche mit den ,vier M‘: männlich, muslimisch, Migrationshintergrund und Misserfolge in der Pubertät, Schule oder sozialen Gruppe". Die Zugehörigkeit zu Salafisten vermittle ihnen "das Gefühl einer Avantgarde, vom Underdog zum Topdog zu werden". Maaßen bekräftigte, dass in Deutschland 6300 Personen zu diesen Gruppen zählen, es könnten heuer noch 7000 werden. "450 überwiegend Jugendliche" seien in den Syrien-Krieg gezogen, "sieben bis zehn als Selbstmordattentäter". 150 seien von da zurückgekommen, wiederholte Maaßen früher genannte Zahlen.
Zuletzt hatte die Bundesanwaltschaft ein Netzwerk des "Islamischen Staates" enttarnt. Laut Focus hatte ein in Deutschland lebender Tunesier in abgehörten Telefonaten gesagt: "Wir haben Zweigstellen in Deutschland, die dem IS unterstellt sind." Der nun verhaftete Mann habe Kämpfer nach Syrien geschleust.
Es gibt aber auch Gegenbewegungen. In Österreich etwa stellte ein Netzwerk Jugendlicher verschiedenster Konfessionen ein Video gegen religiösen Extremismus ins Internet.
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