Kampf gegen IS-Terror: Eine heikle Mission

Krisen-Akteur Deutschland: Dieses Ziel verfolgt von der Leyen. Der Irak ist die Bewährungsprobe.
Nach langem Hin und Her schickt Deutschland nun doch Waffen in den Irak. Treibende Kraft war eine Frau: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Ihre Politik stellt einen Kurswechsel dar – und ist auch in der Koalition umstritten.

Mittwoch voriger Woche in Berlin: Nach der wöchentlichen Kabinettssitzung trifft Kanzlerin Angela Merkel ihren Vize Gabriel, Außenminister Steinmeier, Finanzminister Schäuble und Verteidigungsministerin von der Leyen zu einem vertraulichen Gespräch. Danach steht fest: Deutschland schickt Waffen für den Kampf gegen die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) in den Nordirak. Wenige Stunden zuvor hatte ein kurzes Video der Welt noch einmal vor Augen geführt, wie barbarisch die Dschihadisten sind: Es zeigt die Enthauptung des US-Journalisten James Foley.

Wie diesem Grauen begegnen? Diese Frage hatte die deutsche Politik seit Wochen beschäftigt. Mit humanitärer Hilfe? Jederzeit. Aber Waffenlieferungen? Diese sind ein Tabubruch, weil per Gesetz verboten. Es gibt aber eine Ausnahme – wenn "besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik" dafür sprechen. Im Fall des Irak wäre das der Stopp des IS-Terrors, bevor dieser am Ende vielleicht sogar Europa erreicht.

Weiß, was sie will

Kampf gegen IS-Terror: Eine heikle Mission
epa04123255 German Chancellor Angela Merkel (R) and Foreign Minister Frank-Walter Steinmeier (L) attend a parliament meeting in the German Bundestag parliament in Berlin, Germany, 13 March 2014. EPA/SOEREN STACHE
Merkel stand Waffenlieferungen dennoch lange ablehnend gegenüber – wie auch zwei Drittel aller Deutschen. Immerhin bergen die Lieferungen Gefahren: Deutschland könnte in den Fokus von Extremisten gelangen, Waffen in die falschen Hände fallen. Und: Die Kurden, die derzeit noch gegen den IS kämpfen, könnten die Waffen später einmal für einen Unabhängigkeitskrieg nutzen, der den Irak erneut destabilisieren würde.Merkel ließ sich dann doch binnen Kurzem von ihrer CDU-Parteikollegin Ursula von der Leyen und deren wichtigstem Mitstreiter Frank-Walter Steinmeier (SPD) überzeugen. Von der Leyen, seit Dezember die erste Frau an der Spitze der Bundeswehr, weiß, was sie will. Und das war zuletzt eben die militärische Unterstützung der kurdischen Peschmerga-Kämpfer – den einzigen Kräften im Nordirak, die es mit dem IS noch aufnehmen können.

Am Mittwoch soll nun entschieden werden, welche Waffen geliefert werden. Die Rede ist von Handfeuerwaffen, aber auch von schwerem Gerät wie "Milan"-Panzerabwehrraketen. Diese können gepanzerte Fahrzeuge in bis zu zwei Kilometern Entfernung zerstören. Hunderte davon hat der IS von der irakischen Armee erbeutet.

Zu Jahresbeginn hatte von der Leyen einen Paradigmenwechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt. Deutschland solle bei Krisen nicht mehr in zweiter Reihe hinter Großbritannien und Frankreich stehen, sondern sich selbst einbringen: "Gleichgültigkeit ist keine Option", sagte sie. Steinmeier stieß in dasselbe Horn.

Bundestag umgangen

Und genau dieser Paradigmenwechsel macht der Opposition und Teilen der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD Sorgen. Sie sehen den Irak als möglichen Präzedenzfall – immerhin schließt von der Leyen mittlerweile auch eine militärische Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen pro-russische Separatisten nicht mehr aus.

Für von der Leyens Kritiker völlig inakzeptabel: Der Bundestag in Berlin sollte bei den Waffenlieferungen in den Irak ursprünglich völlig außen vor gelassen werden. Er muss zwar über ein militärisches Eingreifen deutscher Soldaten abstimmen – nicht aber, wenn Deutschland "nur" Waffen schickt. Nun soll es am 1. September zumindest eine Sondersitzung des eigentlich urlaubenden Parlaments geben, bei der Merkel die Entscheidung der Regierung erläutern will.

Kritik gibt es nicht nur an der Sache, sondern auch an der Verteidigungsministerin persönlich. "Ihr geht es allein darum, Tabus zu brechen und sich zu profilieren", wetterte etwa der Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter.

Munition lieferte von der Leyen ihren Gegnern jüngst selbst. Auf die Frage der Wochenzeitung Die Zeit, ob man angesichts der russischen Unterstützung für die ukrainischen Separatisten und Katars Unterstützung für den IS die Fußball-Weltmeisterschaften in den beiden Ländern 2018 und 2022 nicht absagen solle, sagte sie: "Wo auch immer gespielt wird: Deutschland schickt schießendes Personal."

Ursula von der Leyen

Von der Leyen wurde 1958 als Tochter von Niedersachsens Ex-Ministerpräsident Ernst Albrecht geboren. Die studierte Ärztin, die mit ihrem Mann sieben Kinder im Alter von 15 bis 27 Jahren hat, trat 1990 der CDU bei. 2003 bis 2005 war sie Ministerin in Niedersachsen, 2005 bis 2009 Bundesfamilienministerin bis 2013 Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Seit Dezember ist sie Verteidigungsministerin.

Er ist der meistgesuchte Brite: „Dschihadi John“. Der Kämpfer des „Islamischen Staats“ (IS) enthauptete den US-Journalisten James Foley vor laufender Kamera. „Dschihadi John“, der dabei mit Londoner Akzent sprach, gilt als Anführer einer Gruppe Briten, bekannt als „Beatles“, die in Syrien Gräueltaten verüben.

Laut der Sunday Times, die sich auf Regierungsquellen beruft, haben britische Geheimdienste den Mann nun identifiziert. Es handle sich um einen 23-jährigen Londoner. Einzelheiten hätten die Quellen nicht genannt. Der Zeitung zufolge könnte der frühere Rapper Abdel-Majed Abdel Bary „Dschihadi John“ sein. Der gebürtige Ägypter hatte mit seiner Familie vor 21 Jahren Asyl in Großbritannien erhalten. Sein Vater soll Kontakt zu Osama bin Laden gehabt haben. 2013 ging Abdel-Majed Abdel Bary zum IS nach Syrien. Jüngst posierte er auf einem Twitter-Foto mit dem Kopf eines seiner Opfer.

Zweiter Verdächtiger

Auch ein zweiter Brite kommt als Mörder infrage: Abu Abdullah al-Britani, ein Computer-Hacker, der laut Daily Mail vor zwei Jahren eine Haftstrafe verbüßte, weil er in eine Cyber-Attacke auf den britischen Ex-Premier Blair verwickelt gewesen war. Nach seiner Entlassung soll er dem IS durch Hacker-Angriffe auf Banken Geld verschafft haben.

Auch mit Foley wollten die Islamisten ursprünglich Geld verdienen. Sie forderten Lösegeld – was die US-Regierung ablehnte. Ein anderer amerikanischer Journalist hatte mehr Glück. Peter Theo Curtis ist nach fast zwei Jahren Geiselhaft in Syrien freigelassen worden. Das bestätigte die nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice am Sonntag. CNN zufolge wurde die Freilassung offenbar privat eingefädelt. Laut Welt am Sonntag kam gestern auch ein seit einem Jahr entführter 27-jähriger Deutscher frei.

Der IS finanziert sich durch Raub, Plünderungen und den Verkauf von Rohöl – aber auch durch Spenden aus dem Ausland. Saudi-Arabien und Katar werden in diesem Zusammenhang oft genannt. Katar distanzierte sich nun vom IS. "Seine Ansichten, Methoden und Ziele sind für uns abstoßend", sagte Außenminister Khaled al-Attiyah.

Die UNO schlägt indes Alarm: Im Nordirak drohe in der Stadt Amerli ein Massaker an bis zu 20.000 Menschen. Die "unsagbar leidende Bevölkerung" habe fast keine Lebensmittel und kein Wasser mehr, so der UN-Sondergesandte Mladenow. Die irakische Regierung müsse sofort einschreiten. Die Hilfsgüter, die Österreich am Donnerstag in den Nordirak geschickt hatte, wurden laut Außenministerium bereits dort verteilt. Es handelt sich um Medikamente und medizinische Geräte, mit denen 100.000 Menschen drei Monate grundlegend versorgt werden können.

Flughafen erobert

In Syrien rückte der IS gestern weiter vor: Nach tagelangen Gefechten mit über 500 Tote und zahlreichen Verletzten eroberten die Dschihadisten einen strategisch wichtigen Militärflughafen. Der Airport Al-Tabka war die letzte Bastion des Regimes von Diktator Assad in der Provinz Al-Rakka, der Hochburg des IS im Osten Syrien. Assads Luftwaffe hatte das Gebiet zuletzt massiv bombardiert – ohne Erfolg.

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