"Besenrevolte" gegen das römische Chaos

Müll, wohin man blickt, auch vor dem Konstantin-Bogen in Rom
Müll und Staus.Ein Mafia-Netzwerk hat Rom regiert; Bürgermeister Marino muss aufräumen.

Endlose Staus, überquellende Müllberge, unzuverlässige Öffis – die Probleme in der italienischen Hauptstadt steuern gemeinsam mit der Rekordhitze auf einen Höhepunkt zu. Roms Bürgermeister Ignazio Marino war vor zwei Jahren angetreten, um den "kranken Patienten" zu heilen. Der Chirurg aus Genua geriet allerdings immer stärker in Bedrängnis. Nun lanciert Marino einen Relaunch seiner Stadtregierung. Die Stadtratsposten für Verkehr, Schule und Sport werden neu besetzt.

Hätte er vorab gewusst, wie schwer sein Amt wird, wäre er vielleicht nicht hier, gestand Marino bei einer Kundgebung auf dem Kapitol. Oppositionsparteien fordern täglich seinen Rücktritt.

Bis vor wenigen Wochen fuhr der 60-Jährige mit seinem Elektrorad in die Arbeit. Doch ein Brief mit Patronenhülsen – ein Warnsignal der Mafia – setzte der Freiheit ein Ende. Marino stockt gerade seine Leibwächtergarde auf. Frau und Tochter verbringen den Sommer lieber weit weg von infernalischer Hitze und Verkehrschaos.

Vom einstigen "Dolce Vita" ist in der 3,5-Millionen-Metropole wenig übrig: Rekordverdächtige 660 Kilo Müll produziert jeder Römer pro Jahr. Massentourismus, überfüllte Mülldeponien und fehlende Recyclingstrategie verstärken das Problem.

"Mafia Capitale"

Der Korruptionsskandal "Mafia Capitale" stellt Marino vor die größten Herausforderungen. Das Netz aus Bestechung, Erpressung, Geldwäsche wuchs unter seinem postfaschistischen Vorgänger Gianni Alemanno ins Unermessliche. Ende 2014 flog das Mafia-Netzwerk auf. 80 Personen, darunter zahlreiche Lokalpolitiker, wurden verhaftet. Mafiöse Unternehmer hatten sich die Gunst von Politikern erkauft und lukrative Aufträge – etwa bei Müllversorgung und Flüchtlingsbetreuung – erhalten.

Proteste über Roms "großen Verfall" bestimmen die Schlagzeilen. Erboste Leser schicken Schandbilder vom Niedergang ihrer Stadt an Corriere della Sera und La Repubblica. Der Twitter Account "Roma fa schifo" (Rom ist zum Kotzen) zählt über 35.000 Follower. Schauspieler Alessandro Gassmann rief zur "Besenrevolte" auf: "Schluss mit Klagen! Jeder Bewohner kann vor seiner Haustüre sauber machen. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen."

Wer auf Metro, Bus und Straßenbahn angewiesen ist, wird auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Überfüllte U-Bahnwaggons ohne Klimaanlage, die kürzlich sogar mit offenen Türen losfuhren, und wilde Streiks stehen an der Tagesordnung. Bürgermeister Marino entließ schließlich das Management der ineffizienten Nahverkehrsgesellschaft Atac. Private Partnerunternehmen sollen es besser machen. Der römische Flughafen Fiumicino bereitet Reisenden nach dem Terminal-Großbrand im Mai nach wie vor Kopfschmerzen. Knapp 40 Prozent der Flüge fallen täglich aus.

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