Rom

Italien aus dem Sumpf ziehen

Matteo Renzi setzt sich Schritt für Schritt gegen seinen großen Gegenspieler Berlusconi durch.
Reformer Renzi geht aus der Wahl des neuen Staatspräsidenten gestärkt hervor.

Matteo Renzi hat also auch diese Schlacht fulminant gewonnen. "Sein" Kandidat, Sergio Mattarella, wurde mit überwältigender Mehrheit zum neuen Staatspräsidenten Italiens gewählt. Renzi hat bewusst keinen Kandidaten aus seinem linken Lager gewählt, sondern einen seit Jahrzehnten im linken Flügel der christdemokratischen Democrazia Cristiana beheimateten Politiker.

Italien aus dem Sumpf ziehen
Sergio Mattarella
Der 73-jährige Sizilianer ist – entgegen allen Klischees über die Süditaliener – ein zurückhaltender, schweigsamer, unbestechlicher, aber entschlossener Linkskatholik. Das brachte ihm von seinen Feinden den bösen Spitznamen "Katho-Kommunist" ein. 1980 starb sein Bruder Piersanti, damals Gouverneur von Sizilien, in seinen Armen – von der Mafia erschossen. Gemeinsam mit Romano Prodi gründete Mattarella 1995 das Mitte-Links-Bündnis "L’Ulivo", die einzige Kraft, die zwei Mal Silvio Berlusconi bei Wahlen schlagen konnte.

Für Berlusconi ist Mattarella ein rotes Tuch, weil er sich vehement gegen die Privilegien für Berlusconis Medienimperium einsetzte und gegen eine Aufnahme der Forza Italia Berlusconis in die Europäische Volkspartei kämpfte. Seit vier Jahren war der anerkannte Jurist Verfassungsrichter.

Siegeszug Renzis

Matteo Renzi, der 40-jährige Ministerpräsident und ehemals erfolgreiche Bürgermeister von Florenz, war als "rottamatore", als "Verschrotter", in die nationale politische Arena gestiegen. Verschrotten will er die "alte politische Kaste", auch im eigenen linken Lager. Als eine Art italienische Mischung aus Bill Clinton, Tony Blair und Gerhard Schröder hat er es in kürzester Zeit geschafft, die Mehrheit des linken "Partito Democratico" und dann auch der italienischen Wähler für sich zu gewinnen. Bei den letzten EU-Wahlen hat die Partei unter seiner Führung immerhin spektakuläre 40 Prozent der Stimmen eingefahren – einmalig in diesen Zeiten der Politikverdrossenheit. Renzis Haupt-Slogan: wir müssen Italien aus dem Sumpf ziehen.

Seit knapp einem Jahr im Amt, hat Renzi schon für radikale Reformen gesorgt. Als erste populäre Maßnahme brachte seine Steuerreform zehn Millionen Kleinverdienern 80 Euro Entlastung im Monat. In hartem Kampf mit den in Italien noch immer sehr starken Gewerkschaften lockerte ein Renzi-Gesetz den seit Jahrzehnten geltenden Kündigungsschutz und verbesserte die Gesetzeslage für die inzwischen vielen Millionen von prekären Zeitarbeits-Kräften. Und dann vor allem die Staatsreform. Durch ein Kompromiss-Abkommen mit dem konservativen Gegenspieler Silvio Berlusconi brachte Renzi eine tief greifende Reform der Institutionen auf den Weg, die eigentlich kurz vor Abschluss steht.

Bisher haben Abgeordnetenkammer und Senat gleich viel Gewicht. Ohne die Zustimmung beider Kammern gibt es kein Gesetz. Renzi will den Senat entmachten und auf wenige Kompetenzen, wie etwa in Deutschland, zurechtstutzen.

Die Abgeordnetenkammer soll das wirklich ausschlaggebende Gesetzesorgan sein – womit auch die Zahl der Parlamentarier von derzeit über 900 um fast ein Drittel reduziert würde. Und um das alles abzurunden, steht ein neues, gerechteres Wahlrecht vor der Beschlussfassung. Dabei hat Matteo Renzi Silvio Berlusconi nicht unbeträchtliche Zugeständnisse gemacht, um sich dessen Unterstützung zu sichern.

Konservative Revolte

Aber wegen des neu gewählten Staatspräsidenten Sergio Mattarella wollen große Teile der Berlusconi-Partei auf harten Konfrontationskurs gehen. Dann müsste Matteo Renzi seine tief greifenden Verfassungsreformen mit einer fragilen Mehrheit von ein paar wenigen Stimmen im Senat beschließen – ein äußerst riskantes Unternehmen mit ungewissem Ausgang.

Aber vor eventuellen Neuwahlen muss sich Matteo Renzi am wenigsten fürchten. Berlusconis "Forza Italia" ist heillos zerstritten und gespalten, ihr Chef altersschwach und angeschlagen. Die rechtsextreme Lega Nord, die den französischen Front National zum Vorbild hat, dümpelt bisher unter 10 Prozent. Und die 5-Sterne-Bewegung Beppe Grillos hat durch ihre Frontalopposition und inneren Streit wegen des diktatorischen Vorgehens ihres Anführers so viel an Glaubwürdigkeit und 35 abgesprungene Abgeordnete eingebüßt, dass sie kein relevantes Politgewicht erhalten würde.

Aber der geschickte Taktiker Renzi setzt weiterhin darauf, dass er auch für seine Reformen immer wieder Unterstützung von den gemäßigten Konservativen erhalten kann.

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