Türkei verlegt Panzer an die Grenze zu Syrien
Tag für die Tag wird die Türkei ein kleines Stückchen weiter in den Konflikt im Nachbarland Syrien hineingezogen. Nachdem in den vergangenen Tagen mindestens zwei Artilleriegeschosse aus Syrien kommend auf der türkischen Seite der Grenze einschlugen, erwiderte die türkische Armee mit schweren Geschützen das Feuer nach Syrien hinein. Am Montag verlegte die Türkei Panzer und gepanzerte Fahrzeuge an die heikle Grenze.
Die Granaten aus Syrien waren bei den Gefechten zwischen der Dschihadisten-Miliz "Islamischer Staat" (IS) und Verbänden syrischer Kurden um die Grenzstadt Kobane abgefeuert worden. In Kobane schlugen am Montag 17 Granaten ein, mindestens drei Menschen starben. Da die Kurden keine schwere Waffen besitzen, müssen die Geschosse wohl von den IS-Truppen gestammt haben. Ob der IS absichtlich über die Grenze feuerte, war nicht zu ermitteln. Eine Granate landete dicht neben einem Lager für syrische Flüchtlinge in der Türkei.
Zwischenfälle dieser Art häufen sich und zeigen, wie prekär die Lage an der türkisch-syrischen Grenze ist, wo in den vergangenen zehn Tagen mehr als 160.000 Menschen in die Türkei geflohen sind. Insgesamt hat die Türkei bereits mehr als 1,6 Millionen Syrer aufgenommen.
Trotz der Gefahr an der Grenze und trotz der Drohung des IS mit Anschlägen in der Türkei weigerte sich Ankara wochenlang, sich an der internationalen Allianz gegen die Dschihadisten zu beteiligen. Erst vor wenigen Tagen verkündete Präsident Recep Tayyip Erdogan eine radikale Kehrtwende: "Die Bedingungen haben sich geändert", erklärte er. Die Freilassung der fast 50 türkischen Geiseln, die drei Monate in IS-Gewalt waren, hätten die Türkei handlungsfähiger gemacht.
Nun verlangt Erdogan eine Ausweitung der Angriffe der internationalen Allianz in Syrien. Ein Flugverbot über Teilen von Syrien und die Einrichtung von Pufferzonen auf syrischem Boden sind weitere türkische Forderungen. Das Parlament soll am 2. Oktober über ein Entsendegesetz für einen Einsatz der Armee in Syrien beraten. In der Pufferzone sollen laut türkischer Regierung syrische Bürgerkriegsflüchtlinge versorgt werden können, ohne dass sie die Grenze zur Türkei überqueren.
Kurdenpolitiker argwöhnen, dass die Zonen auch dazu dienen könnten, die kurdischen Autonomiebestrebungen in Nordsyrien zu unterbinden.Zudem sollten in den militärisch gesicherten Gebietsstreifen neue Kampfverbände der syrischen Opposition gegen Syriens Präsidenten Bashar al-Assad ausgebildet werden, berichtete die türkische Zeitung Evrensel.
Denn Erdogans Hauptfeind in Syrien ist nicht der IS, sondern nach wie vor das Assad-Regime. Lange hatte die Türkei radikale Gruppen wie den IS im Grenzgebiet gewähren lassen, weil sie sich von diesen Milizen einen raschen Sturz des syrischen Präsidenten versprach. Jetzt will sie die Anti-IS-Koalition für dieses Ziel nutzen.
Erdogan und andere türkische Regierungspolitiker argumentieren, die Unterdrückung durch das Assad-Regime in Syrien und die Benachteiligung der sunnitischen Muslime im Irak hätten den IS erst so stark gemacht, wie er heute ist. Diese Wurzeln der IS-Macht müssten beseitigt werden. Und dazu will Erdogan offenbar auch seine Armee einsetzen.
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