Irakische Armee durchbrach IS-Belagerung

Irakische Truppen nahe Bagdad.
Die Offensive gegen den IS geht weiter: Streitkräfte haben eine von den Dschihadisten eingenommene Ölraffinerie zurückerobert.

Einen Tag nach der Rückeroberung der Stadt Baiji haben die irakischen Streitkräfte die Belagerung der größten Ölraffinerie des Landes durch IS-Milizionäre durchbrochen. Sicherheitskräfte hätten das Haupttor der Raffinerie erreicht, sagte am Samstag der Gouverneur der Provinz Salaheddin, Raad al-Juburi. Drei Armeeoffiziere bestätigten die Angaben.

Seit Monaten harrten irakische Sicherheitskräfte in der Anlage aus und mussten sich mehrfach den Angriffen von Kämpfern der Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat erwehren. Die Raffinerie nördlich von Baiji produzierte einst 300.000 Barrel Öl am Tag und konnte so im Alleingang die Hälfte des landesweiten Ölbedarfs abdecken. Die IS-Miliz hatte seit Beginn ihres Eroberungsfeldzugs im Irak Anfang Sommer gezielt Öl- und Gasfelder eingenommen, um sich auch über den Verkauf von Rohstoffen zu finanzieren. Die gleiche Strategie wendeten die radikalsunnitischen IS-Kämpfer im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien an, wo sie ebenfalls weite Gebiete kontrollieren.

Wichtiger Erfolg

Die Rückeroberung von Baiji am Freitag wurde als wichtiger Erfolg für die irakischen Streitkräfte gewertet, die dem Vormarsch des IS im Sommer nichts entgegenzusetzen hatten. Die Kontrolle über Baiji, 200 Kilometer nördlich von Bagdad, erleichtert es der Armee womöglich, die vom IS kontrollierte Stadt Tikrit von den übrigen Gebieten in der Hand der Milizen zu isolieren.

Die Hubschrauber fliegen zu hoch, um sie treffen zu können. Ihre Last lassen sie aus sicherer Höhe fallen: Fassbomben, die ganze Wohnblöcke in Schutt legen. Manchmal sind es eine Handvoll, manchmal Dutzende an einem Tag – Alltag in Aleppo, einer Stadt, die nach drei Jahren Krieg in Ruinen liegt. Zu einer "Stadt des Todes" ist Aleppo geworden, wie Aktivisten sagen. Geteilt in zwei Hälften – im Osten syrische Rebellenverbände, im Westen die syrische Armee.

"Es gibt noch Revolutionäre, aber es ist längst nichts anderes als ein Krieg", so die syrische Bloggerin Razan Ghazzawi über das, was sich in Syrien abspielt. Und in diesem Krieg hätten die Syrer vor allem eines herausgefunden: Dass es einen Haufen Probleme zwischen sozialen und ethnischen Gruppen gibt und immer gab. Probleme, die sich jetzt in beispiellosem gegenseitigen Hass und Rassismus entladen würden.

Und während in den kurdischen Gebieten Selbstverteidigungseinheiten mit US-Luftunterstützung gegen den IS kämpfen, fallen immer mehr Fassbomben auf den Osten Aleppos – quasi im Windschatten des US-Kampfes gegen den Terror. Im ganzen Land hat die syrische Luftwaffe eine zuvor nicht dagewesene Kampagne von Luftangriffen gestartet.

Die Freie Syrische Armee (FSA), an sich Hoffnungsträger des Westens im Kampf gegen den IS und Assad, wird dabei langsam, aber sicher im ganzen Land zwischen den Fronten zerrieben – unterversorgt, schlecht ausgerüstet, von außen nur mäßig unterstützt und letztlich in interne Streitigkeiten zwischen Säkularen und Religiösen mehr und mehr zersplittert.

Eingekesselt

Der von Rebellen gehaltene Teil Aleppos steht knapp davor, von Regimetruppen eingekesselt zu werden. Die einzige Straße aus der Stadt liegt zum Teil bereits in der Reichweite von Scharfschützen der Armee. Weiter nördlich wiederum gibt es auf breiter Front Kämpfe zwischen FSA-Verbänden und dem IS. Versuche des IS, in Aleppo selbst breit Fuß zu fassen, scheiterten bisher weitgehend. Aber der El-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front ist mehr und mehr präsent. Sollte sich aber wiederum El Kaida mit dem IS verbünden, wie jetzt berichtet wurde, würde Al-Nusra unter IS-Kommando fallen – mit wohl fatalen Folgen für die FSA nicht nur in Aleppo, sondern auch in Gebieten im Süden Syriens.

Seit zwei Jahren harren die FSA-Verbände in den von ihnen gehaltenen Vierteln in Aleppo aus. Mit Al-Nusra gab es wie auch anderswo eine lose militärische Kooperation, die vor allem aber auch wegen ideologischer Differenzen mehr schlecht als recht funktionierte.

Seit zwei Jahren hat sich am Frontverlauf in der Stadt kaum etwas geändert. Stellungskrieg in Wohngebieten. Dabei zieht es die Menschen gerade jetzt vor allem an die Front: Denn dort explodieren weniger Fassbomben. Zu groß ist das Risiko für die Armee, eigene Verbände zu treffen. "Es gibt kaum Strom, die Versorgung mit Wasser ist etwas besser", erzählt Ismail. Er ist bei den White Helmets aktiv, einer Organisation, die vor allem eines tun: Menschen nach Luft- oder Artillerieangriffen aus Trümmern bergen und erstversorgen. All das in einer Region, in der alle staatlichen Strukturen zusammengebrochen sind, es kein Bergegerät gibt und die medizinische Versorgung miserabel ist. "Aufbau ziviler Strukturen" nennt Ismail das optimistisch. Hunderte Aktivisten sind in Syrien für die White Helmets aktiv. "Ich will mich nicht ums Kämpfen kümmern, ich will mich um Menschen kümmern", sagt er. Ziviler Widerstand also. So wie ihn auch die Bloggerin Razan Ghazawi für sich gewählt hat. Sie lebt mittlerweile in der Türkei. Syrien ist zu gefährlich geworden. In der allgemeinen Verrohung des Konflikts verlieren gerade solche Leute an Boden.

Der Aufstieg der Islamisten resultiere aus dem zögerlichen Verhalten des Westens, moderate Gruppen zu unterstützen, ist Razan Ghazawi überzeugt. Die Moderaten wie sie sagt, seien vom Westen betrogen worden. Und die quasi Arbeitsteilung zwischen der internationalen Allianz, die IS-Gebiet bombardiert, während sich die syrische Luftwaffe voll der FSA widmen kann, stößt bei syrischen Aktivisten durchwegs auf völliges Unverständnis.

In Aleppo geht es nicht mehr um Gebiete oder Häuserzeilen. Zu festgefahren sind die Fronten. Es geht ums Überleben des moderaten Armes der Rebellion gegen Assad.

Wer ist IS?

Eine der radikalsten islamistischen Gruppen im Nahen Osten – der Name steht für „Islamischer Staat“, was die Absicht der Organisation andeutet, auf dem von ihnen besetzen Territorium ein Staatsgebilde – einen Gottesstaat - zu errichten. Umfassen soll dieses Kalifat den Irak, Syrien, Libanon, Israel und Jordanien.

Seit wann gibt es IS?

Gegründet wurde sie 2003, anfangs unter dem Namen „Al-Kaida im Irak“ – damals bekannte sich die Miliz auch zu den Absichten der Al-Kaida und bekämpfte die Regierung unter Al-Maliki. Schon damals verübte sie bewusst Anschläge auf Zivilisten aus, später führte die Organisation mehrere spektakuläre Bombenanschläge durch, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Mit dem Abzug der US-Truppen 2011 im Irak und dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs begann der Aufstieg der Truppe, die immer radikaler vorging. Die Al-Kaida distanzierte sich Anfang des Jahres von IS – wegen ihrer „Sturheit und Brutalität“.

Wo operieren die Kämpfer?

Hauptsächlich im Irak und in Syrien, aber auch in Beirut (Libanon) wurden schon Anschläge verübt. In Syrien bekämpft IS hauptsächlich das Assad-Regime, seit kurzem aber auch andere Revolutionäre wie die Freie Syrische Armee. Seit Anfang 2014 hat IS unter den syrischen Rebellen keine Verbündeten mehr. Im Irak hat die Organisation 2014 eine Blitzoffensive gestartet und binnen weniger Tage die Stadt Mossul und anschließend die mehrheitlich von Sunniten bewohnten Provinzen Ninive, Salahaddin und Anbar im Nordirak eingenommen.

Was will IS?

Zunächst einen islamischen Staat in Irak, Syrien, Libanon, Israel und Jordanien, später auch darüber hinaus: Alle „modernen Grenzen“ zwischen dem Nahost-Staaten – also jene, die nach dem Ersten Weltkrieg gezogen worden waren – sollen dafür aufgehoben werden. Davon betroffen wäre auch Israel.

Welchen Glauben vertritt IS?

IS ist eine fundamentalistische, rückwärtsgewandte Strömung im Islam: Die salafistische Gruppierung fußt auf dem sunnitischen Glauben und stellt sich gegen jegliche „Neuerung“ innerhalb der Religionsgemeinschaft; IS tritt für den „puren Islam“ ein. Dementsprechend ist IS anti-westlich und erkennt keine andere Religion außer den sunnitischen Islam an. Um ihre Ziele durchzusetzen, wendet IS dschihadistische – also ausschließlich kämpferische – Methoden an.

Wie konnte IS im Irak so stark werden?

Im Irak hatten bis zum Jahr 2003 die Sunniten - obwohl eine Minderheit – mit Saddam Hussein die Herrschaft inne. Mit dem Einmarsch der US-Armee und dem Sturz Husseins verschoben sich die Machtverhältnisse in dem von drei Gruppierungen (Kurden, Sunniten, Schiiten) bewohnten Staat: Mit Premier Al-Maliki kam ein Schiit an die Macht, der die Befugnisse der Sunniten beschnitt – der Nährboden für die Kämpfer der IS. Seit dem Abzug der US-Truppen tritt IS noch ungehemmter auf.

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epa04349358 An Iraqi policeman flashes three fingers, referring to a third term for Iraqi Prime Minister Nuri al-Maliki in office, as he stands next to a picture of Maliki at Firdos Square in central Baghdad, Iraq, 11 August 2014. According to media reports, forces loyal to Prime Minister Nuri al-Maliki were deployed late 10 August around government buildings in Baghdad, as Maliki was delivering a speech saying he would take President Fouad Massoum to court for violating the constitution by failing to nominate him. Al-Maliki on 11 August won the backing of the country's top court in his efforts to gain a third term in office, state television reported. EPA/ALI ABBAS

Ein Bild Al-Malikis

Woher bekommt IS Geld?

Die Terrororganisation gilt als reichste Extremistengruppe der Welt – sie soll über 2 Milliarden Dollar Vermögen verfügen. Als Teil der Al-Kaida war sie in unzählige Entführungen verwickelt, die zum Teil große Summen einbrachten; zudem erpresst IS von vielen Irakern Schutzgeld. In Syrien und im Nordirak hat die Miliz Ölfelder erobert, sie soll mittlerweile in den globalen illegalen Öl-Handel eingestiegen sein. Im Nordirak hat IS zudem die Zentralbank überfallen, in der mehrere hundert Millionen Dollar gelagert waren.

Zudem heißt es, dass Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Katar IS finanziell unterstützen – weil die Sunniten-Gruppen den Einfluss des schiitisch geprägten Iran schmälern könnten. Beweise dafür gibt es nicht.

Woher rekrutiert IS die vielen Kämpfer?

Schätzungen zufolge hat die Miliz bis zu 20.000 Kämpfer. Viele von ihnen sind sunnitische Offiziere und Soldaten, die einst der Armee des gestürzten Diktators Saddam Hussein angehörten. IS hat zudem Gefängnisse überfallen, um inhaftierte Anhänger der Bewegung zu befreien. Auch aus anderen Ländern schließen sich Kämpfer an – vor allem aus Tsachetschnien, Ägypten, Pakistan und auch aus Europa.

Wer führt die Gruppe an?

Der Führer von IS ist Abu Bakr al-Baghdadi: Der 1971 geborene Iraker leitet die Terrororganisation seit 2010. Er hält einen Doktor der Islamwissenschaften und ist seit der US-Invasion im Irak in fundamentalistischen Terrororganisationen engagiert. Er steht auf der Liste der meistgesuchten Terroristen der Welt auf Platz zwei – auf ihn ist ein Kopfgeld von 10 Millionen Euro ausgesetzt. Seit 2013 lebt Al-Baghdadi in Syrien, dort operierte er gegen seinen Konkurrenten Aiman Az-Zawahari, den Führer der globalen Al-Kaida und meistgesuchte Terrorist der Welt. Im Juni 2014 wurde Baghdadi zum Kalifen des „Islamischen Staates“ ausgerufen und agiert seither als Befehlshaber der Muslime und oberster Führer des Staates.

Irakische Armee durchbrach IS-Belagerung
Baghdadi hat zwei Frauen, keiner der beiden wurde allerdings festgenommen.

Abu Bakr al-Baghdadi bei einer Ansprache

Wieso kann IS so schnell vorrücken?

Die Dschihadisten verfügen zum einen über hochwertiges Waffenmaterial, das sie erbeutet haben – viel davon stammt aus den USA. Zudem zielt die Bewegung speziell auf sunnitisch dominierte Gebiete ab, in denen sie bereits Rückhalt hat. Ihren Erfolg verdankt die Miliz aber auch ihrem besonders brutalen Vorgehen – und makabrer Propaganda: Man verbreitet über soziale Medien bewusst Fotos von enthaupteten und geschändeten Leichen, nährt seinen Ruf als besonders grausame Einheit. Körperlich oder psychisch kranke Menschen etwa sollen entführt und anschließend „benutzt“ werden, um Selbstmordattentate durchzuführen - diese Einschüchterungs-Taktik geht auf.

Wie unterdrückt IS die Bevölkerung?

Im IS-Herrschaftsgebiet basiert alles auf der Scharia – und auf einem 16 Punkte umfassenden Katalog, der das öffentliche Leben regelt. Verboten sind demnach Alkoholika, Tabakwaren und Drogen; auch öffentliches Tragen von Waffen ist untersagt – ebenso wie das Abhalten von Versammlungen. Frauen sind gezwungen züchtige und bedeckende Kleidung zu tragen und im Regelfall das Haus nicht zu verlassen.

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Displaced people from the minority Yazidi sect, fleeing violence from forces loyal to the Islamic State in Sinjar town, walk towards the Syrian border, on the outskirts of Sinjar mountain, near the Syrian border town of Elierbeh of Al-Hasakah Governorate August 11, 2014. Islamic State militants have killed at least 500 members of Iraq's Yazidi ethnic minority during their offensive in the north, Iraq's human rights minister told Reuters on Sunday. The Islamic State, which has declared a caliphate in parts of Iraq and Syria, has prompted tens of thousands of Yazidis and Christians to flee for their lives during their push to within a 30-minute drive of the Kurdish regional capital Arbil. Picture taken August 11, 2014. REUTERS/Rodi Said (IRAQ - Tags: POLITICS CIVIL UNREST) CONFLICT)

Jesidische Bevölkerung auf der Flucht vor IS

Ist der „Islamische Staat“ eine Gefahr für Europa?

Das wird sich erst weisen. Die irakische Armee zeigt sich derzeit relativ machtlos gegen IS – und die Terrororganisation hat ihre Fühler nach Europa bereits ausgestreckt: Jener Mann, der im Mai 2014 einen Anschlag auf das jüdische Museum in Brüssel verübt hat, soll mit IS in Syrien kooperiert haben.

Auch in Österreich sind die Extremisten Thema: Mordaufrufe gegen die in Wien lebende Jesiden-Gemeinde haben den Verfassungsschutz alarmiert. Ermittelt wird gegen eine neu entstandene Szene radikaler Islamisten, die den IS-Kämpfern nacheifern.

Die Propagandisten der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) haben viele unfreiwillige Helfer. So könnte man den Inhalt des offenen Briefes zusammenfassen. Verfasst wurde er von Sozialarbeiter Fabian Reicher und seinen Kollegen, adressiert an mehrere Zeitungen und an den Österreichischen Presserat.

Die Sozialarbeiter beklagen darin die unreflektierte Übernahme von IS-Propagandamaterial in Massenmedien, allen voran in Zeitungen. "Verwenden Sie keine Fotos aus den IS-Propagandakanälen, hinterfragen Sie Zitate oder setzen Sie sie in einen größeren Zusammenhang", heißt es in dem Appell.

Irakische Armee durchbrach IS-Belagerung
New York Post

"Zusätzlich erschwert"

Reicher arbeitet als Streetworker beim Jugendverein Back Bone in Wien-Brigittenau. Seine Waffe im Kampf gegen IS-Propaganda sind beharrliches Nachfragen, Zeit, und eine Sprache, die Jugendliche verstehen. "Eine schwere Aufgabe", sagt der 27-Jährige, die nun "zusätzlich erschwert" werde. Immer häufiger bekommen Reicher und seine Kollegen von Jugendlichen Zeitungsberichte serviert, die der üblichen Internet-Propaganda gleichen. "Vieles wird unzensiert abgedruckt", sagt Reicher.

Auslöser des Briefs war ein Österreich-Bericht mit dem Titel "Österreicher an der IS-Front". Zu sehen sind die Austro-Dschihadisten Firas Houidi und Oliver N., bestens gelaunt und mit einer Pistole in der Hand.

Oft reicht ein Facebook-Eintrag für eine Schlagzeile – und die Wirkung ist enorm. Denn die Kritik richtet sich nicht ausschließlich an den Boulevard. Selbst internationale oder renommierte Blätter verbreiten Falschmeldungen weiter.

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new york post

Ein anschauliches Beispiel dafür ist der unbestätigte Rückkehrwunsch des nach Syrien ausgereisten Wiener "Dschihad-Mädchens" Samra K. Die Zeitung rühmte sich einen Tag nach der Meldung damit, dass der Fall international hohe Wellen geschlagen habe. Daily Mail, Spiegel Online, Bild, New York Post oder Fox News hätten darüber berichtet. Tatsächlich kann so eine Geschichte, die sich nach Recherchen auch nicht verifizieren ließ, mitunter lebensgefährlich sein.

Logik der Propaganda

Das ergibt die Logik der Propaganda: "Je prominenter ein Dschihadist ist, umso wertvoller ist er", erklärte die deutsche Islam-Expertin Claudia Dantschke in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten. Ergo: Umso schwieriger ist es dann, wieder heimzukommen. Immerhin steht das "Dschihad-Establishment" unter besonderer Beobachtung. Dantschkes Ausführungen klangen wie eine Mahnung, den Ball in Berichten flach zu halten.

Ein hochaktuelles Beispiel: Es reicht schon, wenn sich (wie vor Kurzem passiert) zwei Schwestern mehrere Tage nicht melden, und schon könnten sie sich laut Kronen Zeitung in den Fängen der "skrupellosen Dschihadisten" befinden. Internationale Medien spielen diese News nach, den Folgebericht über den Türkei-Urlaub bei der Großmutter aber nicht mehr.

Noch einen Haken haben viele Darstellungen, die soziale Medien als Recherche-Quellen nutzen: Es ist nicht erwiesen, wer tatsächlich die Bilder online stellt oder im Chat antwortet.

"Ikonografie bedient"

Auch Moussa Al-Hassan Diaw vom "Verein sozialer Zusammenhalt", der in Österreich einzigen Anlaufstelle zur Deradikalisierung von Jugendlichen, hält den Umgang mit IS-Bildmaterial in Massenmedien für problematisch: "Es wird die Ikonografie der Gruppen bedient." Posierende Kämpfer und wehende Fahnen seien populäre Motive aus der IS-Propagandazentrale, auf die bisher kaum ein Medium verzichtet habe. Selbst seriöse Berichte könnten eines nicht verhindern: "Die Bilder haben ihre Wirkung – unabhängig vom Text." Diaw hält Workshops in Schulen ab und entlarvt die Propagandafotos, in denen er den Schülern Bilder vom wahren Gesicht des Terror-Kalifats gegenüberstellt. Zu sehen sind etwa Hinrichtungen. Ist das den Schülern zumutbar? "Ja", sagt Diaw. Denn mit solchen Bildern zu arbeiten, sei im Geschichte-Unterricht – etwa aus der NS-Zeit – längst erprobt.

Auch ein sorgsamer Umgang schützt vor Fehlern nicht: Der KURIER erwarb ein Foto von einer Agentur, das nicht – wie angegeben – Sabina K. im Syrien-Kampf zeigt. Laut der Medienbeobachtungsseite Kobuk.at stammt es aus einer Zeit, als K. noch in Wien gewesen sein muss. Ein sorgsamer Umgang kann aber auch Schlagzeilen bringen: kurier.at verzichtete von Beginn an und als erstes Medium im deutschsprachigen Raum darauf, die IS-Enthauptungsvideos zu zeigen – und wurde dafür lobend zitiert.

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