Türkei: Internet-Sperre für Charlie-Hebdo-Titel

Türkisches Gericht untersagt die Verbreitung der Karikatur im Netz - nur eine Zeitung druckte Comics ab.

In Frankreich bricht die jüngste, nach dem blutigen Attentat erschienene Ausgabe von Charlie Hebdo alle Rekorde - in der Türkei soll sie niemand sehen: Während in Frankreich extra noch zwei Millionen Exemplare der Satirezeitschrift nachgedruckt werden mussten, hat Ankara eine Internet-Sperre für den Titel verhängt (mehr zum Ansturm auf das Magazin lesen Sie hier).

Ein Gericht in der Türkei hat die Sperrung von Internetseiten angeordnet, die das Titelbild der neuen Ausgabe der französischen Satirezeitung zeigen, berichtete am Mittwoch die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi. Auf der Titelseite der am Mittwoch veröffentlichten ersten Ausgabe seit dem tödlichen Angriff auf die Zeitung vor einer Woche ist ein weinender Prophet Mohammed zu sehen, der ein Schild mit der Aufschrift "Je suis Charlie" hält. Zu dem Anschlag selbst hat sich indessen die Terrororganisation El Kaida im Jemen bekannt - mehr dazu hier.

Nur eine Zeitung druckte Comics ab

In der Türkei war das Cover kaum in gedruckten Medien zu sehen - als einzige Zeitung in der mehrheitlich muslimischen Türkei hat das linksgerichtete Oppositionsblatt Cumhuriyet mehrere Karikaturen nachgedruckt. Doch auch dagegen regte sich Protest: Vor dem Redaktionsgebäude in Ankara demonstrierten nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi pro-islamische Studenten.

Auch der Druck der Ausgabe sorgte für Probleme - er rief die türkische Exekutive auf den Plan. Polizisten ließen die Lastwagen mit den druckfrischen Zeitungen erst passieren, als sie sich vergewissert hatten, dass die Mohammed-Karikatur vom Charlie Hebdo-Titel nicht publiziert wurde. Sie hatten anscheinend nicht gründlich genug gesucht. Zwar fand sich die Karikatur nicht in der vierseitigen Beilage; auch andere Mohammed-Karikaturen sind dort nicht abgedruckt. Dafür veröffentlichte die Redaktion den "Charlie Hebdo"-Titel in kleinerer Form in Kommentarspalten auf zwei Seiten anderswo im Blatt.

Drohungen

Der Cumhuriyet-Chefredakteur Utku Cakirözer berichtete der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch, telefonische Drohungen erhalten zu haben. Der Abdruck des vierseitigen Auszugs aus der französischen Satirezeitung sei "ein Zeichen der Solidarität", erklärte Cakirözer. In einer Kommentarspalte ist zudem eine kleine Version des Titelbilds mit einem weinenden Propheten Mohammed abgedruckt.

Cumhuriyet werde sich weiter energisch für die Meinungsfreiheit einsetzen, erklärte Cakirözer weiter. Er fügte hinzu, bei der Auswahl der Auszüge seien religiöse Empfindlichkeiten berücksichtigt worden. Die Straße vor der Redaktion wurde für den Verkehr gesperrt, das Gebäude wurde von Spezialkräften der Polizei mit Wasserwerfern gesichert.

Schwarze Titelseiten

Alle anderen Medien in der Türkei verzichteten auf Nachdrucke, mehrere Satireblätter bekundeten allerdings mit schwarzen Titelseiten und "Je suis Charlie"-Aufdruck ihre Solidarität mit den Opfern. Auf die französische Satirezeitung war am Mittwoch vergangener Woche ein islamistischer Anschlag verübt worden, bei dem zwölf Menschen getötet wurden. Unter den Toten waren acht Charlie Hebdo-Journalisten.

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