Human Rights Watch kritisiert europäische Länder scharf

Chef Kenneth Roth kritisiert "Ablenkungen vom eigenen gewalttätigen Extremismus".

Wie jedes Jahr im Jänner präsentiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) ihren Jahresbericht. Heuer streicht HRW-Chef Kenneth Roth vor allem die Kritik an europäischen und westlichen Ländern in den Vordergrund: Aus Angst vor Terroranschlägen würden elementare Freiheiten immer mehr eingeschränkt. „Unverhohlene Islamfeindlichkeit und schamloses Denunzieren von Flüchtlingen sind die Währung einer zunehmend bestimmenden Politik geworden, sagt Roth.

Kritik an Frankreichs Ausnahmezustand

Als ein Beispiel nennt der 650 Seiten starke Bericht Frankreich: Dort wird vor allem kritisiert, dass nach den Anschlägen von Paris der Ausnahmezustand verhängt wurde. Dieser räumt den Behörden umfassende Befugnisse ein, darunter Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss, Versammlungsverbote und Hausarrest für mutmaßliche Gefährder. Die Organisation äußerte sich auch kritisch zu ethnisch motivierten Kontrollen der französischen Polizei. Die fehlende juristische Kontrolle (bei Durchsuchungen) mache es noch wahrscheinlicher, dass junge muslimische Männer aufgrund ihres Aussehens kontrolliert würden.

Flüchtlingshetze als Ablenkung

In Flüchtlingen in Europa eine "terroristische Bedrohung" zu sehen sei eine "gefährliche Ablenkung" vom "eigenen gewalttätigen Extremismus", erklärte die Organisation ferner mit Verweis auf die Pariser Attentäter, die mehrheitlich belgische und französische Staatsbürger gewesen seien. Angesichts des enormen Flüchtlingsandrangs in Europa mahnte HRW, die richtige Antwort darauf seien nicht schärfere Grenzkontrollen. Stattdessen müsse die Verteilung der Flüchtlinge besser organisiert werden.

Kanada als löbliche Ausnahme

Die Organisation begrüßte die Ankündigung des neuen kanadischen Premierministers Justin Trudeau, 25.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Zugleich drängte sie Kanada, die USA und andere reiche westliche sowie arabische Staaten zu mehr Engagement. US-Präsident Barack Obama hat die Aufnahme von 10.000 Syrern versprochen, doch kommt der Prozess nur stockend voran.

„Finstere Wende“ im Internet

Dem Jahresbericht zufolge hat sich die Menschenrechtslage vielerorts in autoritären Staaten weiter verschlechtert. Als Beispiele nannte Human Rights Watch China und Russland. "Die neue, vergiftete Atmosphäre hat dem Kreml geholfen, von der Vertiefung der wirtschaftlichen Nöte in Russland abzulenken." Die "Unterdrückungsmaßnahmen" des Kremls gegen die Zivilgesellschaft, Medien und das Internet hätten 2015 eine "finsterere Wendung" genommen, beklagte die Organisation. Kritische und unabhängige Stimmen würden immer mehr verfolgt. Insgesamt bewertete die Organisation die Lage in mehr als 90 Ländern.

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