"Wir sollten uns nicht schämen"

Der Wahlsieg scheint Syriza-Chef Tsipras morgen, Sonntag, schon sicher. Seine früher radikalen Töne hat er abgemildert, doch er fordert: Schuldenschnitt für Griechenland.
Syriza-Chef Alexis Tsipras geht siegesgewiss in die Parlamentswahlen am Sonntag.

Laute Musik dröhnt aus riesigen Verstärkern auf dem zentralen Omonia-Platz in Athen. Dort, wo sich gewöhnlich Obdachlose, Drogenhändler und Verkäufer illegaler Zigaretten herumtreiben, haben sich an diesem Abend Tausende Anhänger der radikalen linken Partei Syriza eingefunden. Es ist Syrizas Abschlussveranstaltung, die Stimmung ist gelöst. Menschen unterschiedlichen Alters, Freundesgruppen, ganze Familien sind da.

Auf einmal geht ein Raunen über den Platz: Der Anführer der Radikalen Linken, der 40-jährige Alexis Tsipras, eilt auf die Bühne. "Am Sonntag schreiben wir Geschichte", ruft er in die jubelnde Menge.

Seit Wochen führt Syriza die Umfragen für die vorgezogene Parlamentswahl am Sonntag an. Zuletzt konnte sie ihren Vorsprung zum politischen Gegner, der regierenden rechten Nea Demokratia, sogar noch vergrößern – bis zu sechs Prozentpunkte.

"Ungehorsam"

"Geschichte schreibt man, indem man ungehorsam ist", sagt Tsipras. Er verspricht, Schluss mit "Merkel und der Troika-Politik" zu machen. Wenige Tage davor hatte er sich in einem Artikel für die Financial Times milder ausgedrückt und versprochen, dass sich eine Syriza-Regierung an die Pflichten des Landes als Mitglied der Eurozone halten würde.

Porträt Alexis Tsipras:

"Wir sollten uns nicht schämen"

Opposition leader and head of radical leftist Syri
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GREECE ELECTIONS
"Wir sollten uns nicht schämen"

GREECE ELECTIONS
"Wir sollten uns nicht schämen"

Greece's opposition leader Tsipras, head of the Sy
"Wir sollten uns nicht schämen"

Opposition leader and head of radical leftist Syri

Bei der Wahlveranstaltung gibt er sich aber kämpferisch: "Am Sonntag entscheidet das griechische Volk, ob es ein Memorandum (mit der Troika, Anm.) will, oder das Syriza-Programm", ruft er und seine Worte finden laute Zustimmung. Am größten ist der Beifall, als er ruft: "Wir sollen uns nicht schämen, sondern stolz sein, dass wir Griechen sind!"

"Syriza ist die erste griechische Partei, die über die Würde der normalen Menschen und über Gerechtigkeit spricht", sagt die 23-jährige Coletta auf dem Omonia-Platz zum KURIER. Sie hat gerade ihr Studium abgeschlossen und sucht seit acht Monaten Arbeit. "Tsipras mag nicht perfekt sein, er hat Fehler gemacht und wird sie wahrscheinlich auch in Zukunft machen. Er ist aber der Beste, den wir haben."

Währenddessen wendet sich Tsipras auf der Bühne an die jungen Griechen: "Man hat euch die Arbeit gestohlen. Wir brauchen euch, um Griechenland aufzubauen." Er spricht auch über seine "Visionen" und Hoffnungen – das Ende der Korruption und der alten parteipolitischen Ordnung in Griechenland. Er will ein besseres Leben für die jungen Griechen, für die Pensionisten, kündigt den Kampf gegen "die humanitäre Krise" an und verspricht, die griechische Wirtschaft wiederzubeleben.

Um all das umzusetzen, verlangt Tsipras von den Wählern die absolute Mehrheit: "Wir brauchen volle Unterstützung, nicht nur bei der Abstimmung, sondern auch am Tag darauf." Noch ist nicht sicher, ob Syriza genug Stimmen bekommen wird, um allein zu regieren. Das neue Bündnis "To Potami" (der Fluss) des früheren TV-Journalisten Stavros Theodorakis, das bis zu sieben Prozent erhalten könnte, gilt als ein möglicher Koalitionspartner.

Ein anderer Verbündeter zeigt sich dann plötzlich als Überraschungsgast auf dem Omonia-Platz: Pablo Iglesias, der Führer der spanischen linken Partei Podemos, ist nach Athen geflogen, um Tsipras persönlich zu unterstützen. Iglesias und Tsipras, gemeinsam wollen die beiden jungen Linken in Europa eine Wende vollziehen.

Alexis Tsipras wird voraussichtlich irgendwann am Sonntagabend die Arme hochreißen und den durch sechs harte Rezessionsjahre gegangenen Griechen versichern, dass jetzt alles besser wird. Seine linke Partei Syriza hat allen Umfragen zufolge die besten Chancen, aus der Parlamentswahl als stärkste politische Kraft in dem von Schulden fast erdrückten Euro-Land hervorzugehen.

Der Wahlfavorit rechnet laut Umfragen mit mindestens 32 Prozent der Stimmen. Erst die Wirtschaftskrise brachte der radikal-linken Partei großen Zulauf, ihr junger Chef Tsipras (40) verpasste der Partei ein schlagkräftigeres und vor allem von den etablierten griechischen Parteien abgegrenztes Image.

Gefährden kann Syrizas Sieg nur die regierende, konservative Nea Dimokratia. In Umfragen lag sie bis zu sechs Prozentpunkte hinter Syriza. Parteichef und Premier Antonis Samaras setzte das von der Troika (EU, EZB und IWF) vorgegebene Sparprogramm durch – mit extrem sozialen Härten für die Bevölkerung.

Königsmacher für eine Koalition könnte die neue Kleinpartei To Potami (der Fluss) werden. Parteigründer Stavros Theodorakis, ein TV-Moderator, sieht seine pro-europäische, liberale Partei bei 5 Prozent. Kaum besser dürfte die einst mächtige, sozialistische PASOK abschneiden (4,5%).

Ins Parlament einziehen dürften auch die rechtsradikale Goldene Morgenröte, deren Führungsriege in Untersuchungshaft sitzt, ebenso wie die streng marxistischen Kommunisten (KKE). Neu im Rennen: Die von Ex-Premier Giorgos Papandreou gegründete Kisido.

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