Winter macht Flucht noch gefährlicher
Der Winter kommt mit großen Schritten, und damit verschärft sich auch die Lage der Flüchtlinge in den betroffenen Regionen. An der Grenze zu Jordanien droht laut Amnesty International (AI) eine "humanitären Katastrohe". Und im Mittelmeer kämpfen sich nach wie vor Menschen trotz widriger Witterung über Seeweg nach Europa.
Jordanien
Laut Amnesty International soll Jordanien den Menschen die Einreise verweigern. Rund 12.000 syrische Flüchtlinge säßen bei teilweise eisiger Kälte in der Wüste fest und warten darauf, ins Land gelassen zu werden. Die Menschenrechtsorganisation rief Jordanien am Mittwoch zur sofortigen Hilfe auf.
Unter den Gestrandeten seien Kranke, Schwangere und Kinder, hieß es. Auch das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) berichtet von schweren Krankheiten, darunter Magen-Darm-Infekte, Erkrankungen der Atemwege und Hautkrankheiten wie Krätze. Schwangere hätten unter gesundheitsschädlichen Bedingungen entbinden müssen und die Kinder seien von Unterernährung bedroht. Erste Todesfällen würden drohen.
Angesichts des andauernden Bürgerkrieges in Syrien sei es entscheidend, dass Jordanien und die anderen Nachbarländer ihre Grenzen offenhielten. Indem die Regierung in Amman die Aufnahme verweigere, provoziere sie eine menschliche Katastrophe vor ihrer Haustür, so AI.
Das UNHCR schätzt, dass derzeit mehr als 600.000 syrische Flüchtlinge in Jordanien leben. Das Königreich spricht sogar von 1,4 Millionen Schutzsuchenden - das entspricht 20 Prozent der Bevölkerung des kleinen Landes.
Mittelmeer
Auch im Mittelmeer gibt es keine Entwarnung. Mindestens 18 Menschen sind diese Woche bei der Überfahrt von der türkischen Küste nach Griechenland ertrunken, darunter elf Kinder. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) registriert zwar einen Rückgang der Flüchtlingszahlen, doch Entwarnung gibt sie nicht: "Die Menschen wagen eine weitaus gefährlichere Reise bei Kälte und unruhiger See", heißt es. Das bestätigen auch deutsche Helfer und Beobachter vor Ort.
"Die Zahl der Flüchtlinge ist nach wie vor erschreckend hoch und vor Ort ohne Unterstützung kaum zu bewältigen", sagt Martin Horn. Der Europakoordinator der Stadt Sindelfingen besucht die Insel Samos bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen und ist diesmal im Auftrag seiner Kommune mit einem Transporter voller Hilfsgüter angereist. Selbst das Fahrzeug gehört dazu und wird an die Stadt Samos gespendet. Die Decken, die Horn und sein Kollege Jürgen Karl im Gepäck hatten, seien ihnen von den Flüchtlingen quasi aus den Händen gerissen worden, sagen sie. Auch die 2.000 Hygiene-Päckchen, die man im Sindelfinger Rathaus gepackt hat, haben bereits Abnehmer gefunden.
"Der Aufwand für die Versorgung der Flüchtlinge ist im Winter viel höher", erklärt Horn. "Noch vor wenigen Wochen konnten die Menschen die Nacht unter freiem Himmel verbringen. Nun sitzen sie hier bei Wind und Wetter zum Teil völlig durchnässt und frieren." Der Kampf gegen die Kälte nehme viel Zeit in Anspruch und verschlinge eine Menge Material. "
Auf Lesbos in der Ostägäis sehe es nicht viel besser aus, sagt Luise Amtsberg, die flüchtlingspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen. Sie besucht derzeit die Insel, um sich vor Ort ein Bild von der Situation zu machen.
Nächtliche Flucht
Während auf Lesbos noch im November auch tagsüber regelmäßig Schlauchboote ankamen, versuchten die Flüchtlinge nun nachts ihr Glück, hat Amtsberg von Hilfsorganisationen erfahren. Auch kämen sie nicht mehr wie früher im Norden der Insel an, sondern vermehrt im Süden. Die Überfahrt dauere zwar länger - drei Stunden statt bisher einer - und berge somit mehr Gefahren, doch der betreffende türkische Küstenabschnitt werde offenbar noch nicht so streng kontrolliert.
Die Verantwortlichen vor Ort rechnen mit weiteren Todesopfern, je schlechter und kälter das Wetter wird, so Luise Amtsberg und fügt hinzu: "Der Bürgermeister von Lesbos, Spyros Galinos, würde am liebsten reguläre Fähren einsetzen, um die Menschen herzubringen, damit vor der Küste seiner Insel keine Menschen mehr ertrinken."
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