NATO-Gipfel: Rüsten und Reden

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg
Suche nach Balance zwischen Abschreckung und Dialogbereitschaft gegenüber Russland.

Schon die Vorgaben dieses Gipfels klingen wie eine Gratwanderung: Abschreckung gegen Russland, zugleich wolle man aber den Dialog suchen mit Moskau – und aber auch keinesfalls ein neues Wettrüsten provozieren, während man aber doch eine Reihe an Maßnahmen beschließen wollte, die wiederum ganz direkt auf Russland abzielen. Ein denkwürdiger NATO-Gipfel in Warschau, der für zwei Tage angesetzt war.

"Der Kalte Krieg ist Geschichte und soll Geschichte bleiben", so NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor Beginn des Gipfels am Freitag. Mit Russland müsse die Allianz einen "sinnvollen Dialog" anstreben – schon, um die Gefahr verhängnisvoller militärischer Missverständnisse zu verringern. Und zu den eigentlichen erwarteten Beschlüssen des Gipfels sagte er: "Alles, was wir tun, ist defensiv, angemessen und transparent."

Und damit sprach er bereits das Kernthema des Treffens an: die Beziehungen zu Russland. Und im Detail: Die geplante Stationierung von vier Bataillonen von bis zu je 1000 Mann in den drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland sowie in Polen ab kommendem Jahr – eben zur Abschreckung gegen Russland und vor allem auch als Versicherung der Bündnistreue für die östlichen Mitgliedsstaaten. Und auch ein anderes NATO-russisches Konfliktthema stand am Freitag auf der Tagesordnung: der Raketenschild, der Europa nach westlicher Darstellung vor Raketen aus dem Nahen Osten schützen soll, sollte für vorläufig einsatzbereit erklärt werden. Russland sieht darin aber eine Bedrohung.

NATO-Russland-Rat

Den angesprochenen "sinnvollen Dialog" mit Moskau erhofft man sich anscheinend für kommenden Mittwoch. Da ist ein Treffen des NATO-Russland Rates geplant. Das erst zweite nach Russlands Annektion der Krim im April 2014. Aus Moskau kamen am Freitag zunächst einmal eher Meldungen in bekanntem Tonfall. Es sei absurd, über eine Bedrohung aus Russland zu sprechen, wenn im Nahen Osten täglich Hunderte Menschen sterben, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Moskau sei aber zum Dialog mit der NATO bereit. Auf den NATO-Russland-Gipfel verweist auch der russische Parlamentarier Konstantin Kossatschjow. Er sagte, bei dem Treffen werde man sehen, wie dialogbereit die NATO sei.

Als klare Gewinner des NATO-Gipfels kann man indes Polen und die baltischen Staaten bezeichnen. Mit der Verlegung von NATO-Truppen auf ihr Territorium wird ihren Wünschen nachgekommen. Sie hatten seit Russlands Einverleibung der Krim ähnliche Szenarien befürchtet und auf die Stationierung gepocht.

Russland führt dagegen ins Rennen, dass in der NATO-Grundakte von 1997 festgeschrieben worden sei, dass die NATO auf eine dauerhafte, umfangreiche Stationierung von Truppen in Osteuropa möglichst verzichtet. Die NATO wiederum argumentiert, dass die Verlegung von 4000 Soldaten kaum nennenswert sei.

„Die bilateralen Treffen in Warschau sind wichtiger als der NATO-Gipfel selbst“, sagt ein hoher EU-Diplomat. Gemeint ist damit wohl das Gespräch der EU-Spitzen mit US-Präsident Barack Obama am Freitagvormittag.

Das Brexit-Votum wirft nach den Worten von Obama die Frage nach der Zukunft der europäischen Integration auf. Auffallend groß scheint das Interesse der Amerikaner nach dem Austrittsreferendum an der EU zu sein.

„Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass die europäische Integration auch weiterhin eine außergewöhnliche Errungenschaft sein wird, die Europa Frieden und Wohlstand brachte“, sagte Obama nach einem einstündigen Treffen mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk .
Bei einer Pressekonferenz warnte Obama vor den Folgen eines langen Tauziehens der EU mit Großbritannien.

Juncker versicherte, dass die EU in kooperativer und sicher nicht „feindseliger“ Stimmung die Verhandlungen mit den Briten führen werde. Tusk betonte ,dass „der Brexit nur ein Zwischenfall ist und nicht der Beginn eines Prozesses“. Der polnische Ratspräsident erwartet keine Austrittswelle.

TTIP-Verhandlungen

Der amerikanischen Präsident, der sich mit seiner Reise nach Warschau von den europäischen Politikern verabschiedete, wollte von Juncker und Tusk aber auch wissen, wie es die Europäer mit dem Transatlantischem Freihandelsabkommen TTIP halten. Der Kommissionspräsident beharrte auf dem Ziel, die Verhandlungen bis Jahresende abschließen zu wollen. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten hätten dieses Ziel erst beim EU-Gipfel vergangene Woche bestärkt.

Kommenden Montag beginnt die 14. TTIP-Verhandlungsrunde in Brüssel. Unter Amerikanern macht das nicht sehr schmeichelhafte Bonmot die Runde, eher würde Obama eine dritte Amtszeit bekommen als die EU und USA ein Freihandelsabkommen.

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