"Dublin III ist tot"

"Lampedusa meets Traiskirchen" - Warum die Insel als Modell und deren Bürgermeistern Nicolini als Vorbild dienen und warum das österreichische Asylrecht nicht mehr nachvollziehbar ist.

Rund 6000 Menschen leben auf der 20 Quadratkilometer großen Insel, auf der in den vergangenen 20 Jahren über 300.000 Flüchtlinge registriert worden sind. „Lampedusa ist ein Modell“, sagt Giuseppina Maria Nicolini. Sie gilt vielen als Vorbild. Nicolini, seit 2012 Bürgermeisterin der Insel, ist bei der Konferenz „Lampedusa meets Traiskirchen“ in Wien via Videobotschaft dabei. Nicht live, „weil sie sich um die Inselbewohner und die ankommenden Flüchtlinge kümmern muss“. Arbeitsalltag einer Politikerin zwischen Fischer- und Schlepperbooten.

Lampedusa sei nicht nur die Insel der Flüchtlinge, sondern auch Urlaubsdestination, wie Nicolini in ihrer Botschaft betont. Man dürfe sich nicht nur dann als Europäer begreifen, wenn man sich von Terror bedroht fühlt. „Wir müssen uns als Europäer fühlen, wenn wir Flüchtlinge aufnehmen.“

"Massenlager Traiskirchen"

Das Gegenteil davon werde in Österreich derzeit kommuniziert, sind sich die Teilnehmer der Konferenz – Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler, Caritas-Wien-Geschäftsführer Klaus Schwertner, Georg Bürstmayr, der auf Fremden- und Asylrecht spezialisierte Rechtsanwalt, und Neos-Abgeordneter Nikolaus Scherak – einig. Babler spricht „sehr bewusst vom Massenlager Traiskirchen“. Das Erstaufnahmezentrum sei mit durchschnittlich 1600 bis 2000 Menschen weit über Gebühr belegt; die Betreuungsstandards schwerlich einzuhalten. Die Politik wisse darum und tue nichts dagegen. Ähnlich verhält es sich laut Jurist Bürstmayr beim Asylrecht. Um zu veranschaulichen, was er meint, zeigt er dem Publikum (freiwilligen Helfern, Studenten, Neos-Politikern wie -Sympathisanten und Journalisten) ein dicken Ringordner. „Eine 500 Seiten-Sammlung – das österreichische Fremdenrecht.“

Es sei nicht mehr nachvollziehbar, was gilt. Was Recht ist. Was jedenfalls keine Gültigkeit mehr habe: Dublin III. Jene EU-Verordnung, die vorsieht, dass jenes EU-Land für das Asylverfahren zuständig ist, das zuerst betreten wurde. „Dublin III ist nicht administrierbar. Dublin III ist tot“, sagt Bürstmayr. Er geht wie Neos-Abgeordneter Scherak davon aus, dass es ob der Menge an Menschen, die geflohen sind und weiterhin fliehen werden, schier unmöglich ist, diese aus Deutschland oder Österreich wieder ins Erstaufnahmeland zurückzuschicken. Politiker beider Länder sehen das mittlerweile anders. Renaissance der Rückführung statt Beibehaltung der Willkommenskultur.

"Dublin III ist tot"
Unabhängig davon, wie viele Menschen heuer noch in Österreich um Asyl ansuchen werden – derzeit geht das Innenministerium von 95000 Asylanträgen für 2015 aus – weiß Caritas-Geschäftsführer Schwertner, dass jedenfalls 20.000 adäquate Unterbringungsplätze fehlen. Statt über bauliche Maßnahmen wie Zäune zu diskutieren, plädiert er für eine „Doppelintegration“. Er spricht sich, wie Lampedusas Bürgermeisterin Nicolini, dafür aus, auf die Bevölkerung selbst „nicht zu vergessen“. Ihre Sorgen, Nöte und Ängste – abseits der Flüchtlingskrise – anzusprechen, ernst zu nehmen. Schwertner hält – auch angesichts der tausenden neuen freiwilligen Helfer – daran fest: „Wir schaffen das.“ Vorausgesetzt, so Neos-EU-Abgeordnete Angelika Mlinar, „wir schaffen eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik in Europa.“

Kommentare