Angriff auf Polizei: Erneut Attacke in Istanbul

Staatsanwalt wurde unter großer Anteilnahme zu Grabe getragen
Erst Geiselnahme eines Staatsanwalts, dann Eindringen in Parteibüros. Nun war die Polizei Ziel von Angreifern.

Neuerliche Attacke in Istanbul: Dieses Mal war das Polizeihauptquartier im Visier. Zwei Angreifer, darunter eine Frau, haben am Mittwoch das Feuer auf das Gebäude im Bezirk Fatih eröffnet. Als die Sicherheitskräfte zurückschossen, soll die Frau tödlich getroffen worden sein. Der zweite Angreifer wurde gefasst. Laut Nachrichtenagentur Anadolu soll die Angreiferin eine Bombe am Körper getragen haben.

Ebenfalls am Mittwoch hatte es bereits Großalarm gegeben: Zwei bewaffnete Männer hatten ein Büro der türkischen Regierungspartei AKP im asiatischen Teil der Stadt gestürmt - und zwar nur einen Tag nach der blutigen Geiselnahme in einem Istanbuler Gerichtsgebäude.

Im AKP-Büro sollte dieses Mal aber keine Geisel genommen werden; die Eindringlinge schlugen ein Fenster im siebenten Stock ein und hängten eine mit einem Schwert bedruckte türkische Fahne heraus. Die Angreifer wurden festgenommen, über ihre Motive war zunächst nichts bekannt.

Dutzende Festnahmen

Die Motive der Geiselnehmer vom Vortag indes waren schnell bekannt: Sie gehörten der verbotenen linksradikalen Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) an, drangen, in Roben verkleidet, in das Gerichtsgebäude ein und nahmen den Staatsanwalt Mehmet Selim Kiraz in ihre Gewalt. Kiraz war mit den Ermittlungen wegen des Todes des 14-jährigen Berkin Elvan betraut, der 2013 während der Gezi-Unruhen in Istanbul von einer Tränengaskartusche der Polizei am Kopf getroffen worden war und nach monatelangem Koma starb. Die Geiselnehmer forderten von den Behörden die Veröffentlichung der Namen der verantwortlichen Polizisten.
Nach acht Stunden stürmte die Polizei das Büro und erschoss die Geiselnehmer, der Staatsanwalt wurde so schwer verletzt, dass er im Spital verstarb. Die Istanbuler Justiz nahm am Mittwoch mit einer Trauerfeier im Gerichtsgebäude im Istanbuler Stadtteil Caglayan Abschied.

Die Polizei meldete indes mehr als 60 Festnahmen: Im südtürkischen Antalya wurden 19 mutmaßliche Linksextremisten in Gewahrsam genommen, in Izmir und Eskisehir fünf und in Istanbul 36 Studenten, die an einer Gedenkfeier für einen der Geiselnehmer teilgenommen hatten. Laut unabhängiger Nachrichtenagentur Dogan gebe es Hinweise, wonach die DHKP-C in Antalya ähnliche Aktionen wie in Istanbul plane. Die DHKP-C ist für Anschläge gegen staatliche Einrichtungen bekannt. Bei einem Anschlag auf die US-Botschaft in Ankara riss ein Selbstmordattentäter 2013 einen Wachmann mit in den Tod.

Attacken gegen Gezi

Die Geiselnahme könnte den Graben zwischen Regierung und ihren Kritikern weiter vertiefen. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Berkin Elvan einen mutmaßlichen Terroristen und die Mitglieder der Gezi-Protestbewegung mehrmals „Vandalen“ genannt. Die Erdogan-treue Zeitung Vakit titelte gestern, die Gezi-Bewegung habe den Staatsanwalt getötet.

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